Als im Iran die Sirenen heulten, sass Gordyaen Beynamin Jermayi in Jena, einer ruhigen Universitätsstadt in Ostdeutschland. Seine Familie lebt 3500 Kilometer entfernt, in einem Dorf nahe Urmia im Nordwesten Irans.
Israels Angriffe in den letzten zehn Tagen trafen vor allem die Hauptstadt Teheran und grosse Militär- und Regimestützpunkte im Land. Der Norden sei abgesehen von einzelnen Angriffen ausserhalb von zivilen Gebieten verschont geblieben, sagt Gordyaen.
Trotzdem habe ihm seine Mutter gesagt, sie habe Angst. «Sie hat Angst, aber nicht vor Israel, sondern vor dem Regime des Irans.»
Auch wenn aktuell ein Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran gilt, bleibt die Lage fragil. «Niemand weiss, wie lange das hält. Das Regime wird sich an der eigenen Bevölkerung aber am stärksten rächen, wenn es von seinen Problemen ablenken muss.»
Gordyaen lebt seit einem Jahr im Exil in Deutschland. Bereits 2022, als er noch im Iran war, hatte watson mit ihm gesprochen. Damals protestierte er gegen das Regime, das für den Tod der kurdischen Iranerin Jina Mahsa Amini verantwortlich gemacht wurde. Gerade in kurdischen Regionen war der Widerstand besonders ausgeprägt. Der Freiheitsruf «Jin, Jiyan, Azadî» (übersetzt: «Frau, Leben, Freiheit») stammt von dort.
Doch für viele endeten die Proteste blutig: Laut internationalen Organisationen wurden über 550 Menschen vom Regime getötet und mehr als 22’000 verhaftet. Schon damals wollte Gordyaen nur noch weg.
Nach seiner Flucht beantragte er in Deutschland Asyl. Mittlerweile arbeitet er freiwillig für die Organisation Hengaw, eine kurdische Menschenrechts-NGO mit Sitz in Norwegen, die regelmässig über Repressionen gegen Kurden im Iran berichtet – deren Berichte werden bis in die UNO zitiert.
Gordyaens Familie gehört zur kurdischen Minderheit – einer der am stärksten unterdrückten Volksgruppen im Iran. Er betont:
Doch auch innerhalb der kurdischen Community mische sich Erleichterung mit Sorge. Niemand wolle einen Krieg, da die Zivilbevölkerung immer am meisten darunter leiden würde. Und niemand wisse, was komme. Gordyaen sagt:
«Wir können nicht abschätzen, was Israel noch vorhat. Was die USA wirklich wollen. Das Regime zu stürzen, ist nicht so einfach, es ist ein mafiöses Netzwerk. Selbst wenn die Köpfe rollen, bleibt der Körper am Leben.»
Besonders Angst habe seine Familie vor einem Bürgerkrieg. Denn abzuschätzen, was die anderen ethnischen Gruppen im Land wollen würden, sei schwierig. Während viele Kurden, Belutschen und andere sunnitische Minderheiten das Regime klar ablehnen würden, gälten konservative Schiiten – vor allem auf dem Land und innerhalb der Revolutionsgarden – als loyale Stütze der Macht.
In den Städten wiederum sei der Widerstand anders: Gebildete Perser, Jugendliche, Frauen und die iranische Diaspora würden seit Jahren einen politischen Umbruch fordern. Gleichzeitig würden wirtschaftliche Eliten, der schiitische Klerus und das Militär weiterhin vom bestehenden System profitieren. «Sie könnten versuchen, ihre Macht auch nach einem möglichen Zusammenbruch zu sichern.» Wer im Ernstfall mit wem verbündet ist, lasse sich kaum abschätzen.
Es sei auch möglich, dass sich das Regime doch noch auf einen Deal mit den USA und Israel einlasse, das Atomprogramm zu beenden. «Aber viele haben Angst, dass die Revolutionsgarden dann im eigenen Land zurückschlagen. Dass sie wiederkommen, ihre Gegner jagen und Zivilisten massakrieren.»
Gordyaen fürchtet, dass mit dem Waffenstillstand nicht die Gewalt des Regimes endet – sondern bloss der internationale Blick darauf.
Das Gleiche versuchen die Faschisten hier zu erreichen. Und sie haben Erfolg. Leider. Es gibt zu viele Menschen, die glauben, es reiche, Schuldige zu benennen und zu bestrafen. Nichts könnte falscher sein.