Musig im Pflegidach

Eine Runde der Ruhe und Faszination

Gerald Clayton @ «Musig im Pflegidach» Muri
bild: marin valentin wolf

Eine Runde der Ruhe und Faszination

Am Abend des 12. Septembers konnte Gerald Clayton mit seinen zwei Tasteninstrumenten das Publikum im «Pflegidach» in Muri zum zweiten Mal in seinen Bann ziehen.
17.09.2021, 14:51
Stephanie Zürcher
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Der wahre Ausdruck in den gespielten Noten

«Mobiles should be kept in the pockets tonight» (Handys sollten heute Abend in den Taschen bleiben), ist die Ankündigung von Stephan Diethelm für den heutigen Abend. Der Musiker Gerald Clayton möchte keine Aufnahmen und Fotos seiner Konzerte, da sein Publikum den Moment geniessen sollte. Sein Ziel ist wahrheitsgetreue Musik zu produzieren und auch die Gefühle des Publikums einzufangen.

Hinweis
Die Autorin ist Schülerin an der Kanti Wohlen. Im Rahmen ihres Deutschunterrichts verfassen die Schüler auch Konzertberichte, die in die Note einfliessen.

Clayton hat sich demnach auch gefreut, seine Zuhörer ohne Maske in der Runde begrüssen zu dürfen. Die runde Bestuhlung um das Klavier bildet eine angenehme Atmosphäre für das Publikum. Wie eine Besucherin meint: «Man ist dem Künstler so viel näher und man kann sich auch schneller in die Musik einfühlen». Die Stimmung im Kreis ist sehr ruhig und alle sind sehr konzentriert und fasziniert von seiner Musik. Der Künstler selbst spielt mit halb geschlossenen Augen die Stücke und zieht alle in seinen Bann.

Weniger ist mehr

Sein erstes Stück fängt der Pianist mit dem Zupfen der Saiten am offenen Flügel an. Danach wechselt er auf die Tasten des Instruments und später ebenfalls noch auf das E-Piano. Der Klang ist metallisch und eine kosmische Aura erfüllt den Raum. Dafür verantwortlich sind Schalter am elektrischen Klavier, mit denen er den Klang der Töne verändern kann.

Nach jeder Darbietung bedankt sich der Pianist mit Kopfnicken in der Runde. Er verliert nicht viele Worte zu seinen Stücken, sondern spielt lieber am Klavier und verzaubert so seine Zuhörer. Insgesamt präsentiert er nur vier Stücke und eine kurze Zugabe am Schluss. Seine Finger fliegen dabei leicht über die Tasten und wechseln immer zwischen den zwei Instrumenten. In seiner Hemdtasche steckt noch eine Lesebrille, was dem Auftritt etwas Lockeres verleiht. Seine Melodien bestehen aus wenigen Wiederholungen und er überrascht immer wieder mit neuen Klängen. Wie der Künstler nachträglich sagt: Seine Stücke seien meist improvisiert. Er halte sich zwar an eine Struktur, in der er sich aber frei und je nach Stimmung ausleben kann.

Musik könne man auch vergleichen mit einer Therapie. Dabei werden die Emotionen frei und können sich in den Liedern und im Ausdruck widerspiegeln. Daher seien seine Stücke auch jedes Mal anders gespielt. Er probiert und experimentiert viel mit seinen Kompositionen und erweitert sie so immer fortlaufend. Wie er sagt: «Notes want to do something» (Noten wollen etwas machen). Somit beeinflusst nicht nur der Musiker die Stücke, sondern es ist ein gegenseitiges Wechselspiel. Die Musik dient ihm auch dazu, sich selbst besser zu verstehen.

Zurück in der Zeit

«Lüge nicht, stehle nicht, sei gut», sind die Worte von Clayton bevor er wieder anfängt zu spielen. In seinem dritten Stück greift der Musiker das Thema der Sklaverei im frühen Amerika auf. Er erzählt eine Geschichte über die Gefühle von Elisabeth Cotton, einem Sklavenmädchen zu dieser Zeit. Auch dieses Stück spielt er mit beiden Tasteninstrumenten, teils sogar beide gleichzeitig oder er begleitet seine zuerst aufgenommene Melodie am Klavier.

Erst vor Kurzem hat er mit dieser Technik begonnen. Seine künstlerische Karriere jedoch dauert schon ein wenig länger, denn dem 37-Jährigen liegt die Musik im Blut. Aufgewachsen ist er in einer musikalischen Familie in Amerika, wo er auch die County High School for the Arts abschlossen hat. Da sein Vater und Onkel ebenfalls Künstler sind, war für ihn die Zukunft zum Greifen nah.

Jedoch ist auch er einmal vor einer Entscheidung in seinem Leben gestanden: Fussball oder Musik. Dank seinem Entschluss steht er heute schon das zweite Mal auf der Bühne in Muri. Fussball ist früher schon eine grosse Leidenschaft von ihm gewesen, die heute aber durch die Musik und das Surfen zweitrangig ist. Neben seinen Soloauftritten spielt er auch in einem Trio und hat auch schon mit vielen berühmten Musikern zusammengespielt. Sein grösstes Vorbild neben seinem Vater John Clayton aber bleibt immer noch der kanadische Pianist Oscar Peterson.

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