Mit einem erfrischenden „Cheers“ und einem erhobenen Glas eröffnete Lau Noah den Abend. Die Bühne wirkte eher wie ein Wohnzimmer, der Raum füllte sich mit einer familiären Stimmung. „Noch nie habe ich im Pflegidach so viele Leute gesehen“, so ein Zuschauer. Shai Maestro begann den Abend mit einem sanften Klaviersolo mit viel Fingerspitzengefühl und Dynamik, begleitet von Noahs einfühlsamen und ruhigen Vocals, welche ihr eine gewisse Dominanz und Macht verliehen. Durch Laus aussergewöhnliche Bewegungen, rythmisch passend zur Musik, lockerte sie die Stimmung zu Beginn bereits auf. Dieses Zusammenspiel verlieh der ganzen Szene eine düstere, gleichzeitig jedoch heimliche und angenehme Atmosphäre. Schon der erste Song, „In Between“, zog die Zuhörerinnen und Zuhörer in eine geheimnisvolle, fast idyllische Welt. Das harmonische Zusammenspiel von Stimme und Klavier verlieh der Performance eine Tiefe, die den Raum förmlich atmen liess.
Auch Lau Noah spielt immer wieder gerne in Muri. Nicht zuletzt wegen der gemütlichen „Wohnzimmeratmosphäre“ und der lockeren Stimmung. Der Saal im Pflegidach war an diesem Abend bis auf den letzten Platz mit Menschen gefüllt. Absolut verständlich, dass die Künstlerin dieses Konzert als „ihr bestes in Muri“ beschrieb.
Mit „Tenerte“ („Dich zu haben“), einem berührenden und zugleich gänsehautauslösenden Stück auf Spanisch, schuf Noah einen der emotionalen Höhepunkte des Abends. Viele Zuschauer hatten Tränen in den Augen, während sie sich in die melancholische Atmosphäre einfühlten. Trotz der Schwere der Themen – wie Verlust und Sehnsucht – schafften die beiden Musiker eine Balance zwischen Nachdenklichkeit und Leichtigkeit. Besonders beeindruckend war Noahs Song „Cold Soup“, in dem sie ihre Erfahrungen als Frau in der männerdominierten Jazzwelt verarbeitete. Ihr emotionaler Vortrag und der bedeutungsvolle Text liessen den Schmerz und die Stärke hinter ihren Worten spüren.
Nicht nur die Künstler, sondern auch das Publikum wurde Teil des Abends. Mit der Phrase „Talent is…“ forderten Noah und Maestro die Zuschauer zu spontanen Mitmachmomenten auf, wodurch die lockere, heimelige Atmosphäre sich noch verstärkte. Die taktvollen Bewegungen und das Wippen der Köpfe im Publikum bestätigten die Aura des Raumes. Ein Zuschauer fasste es treffend zusammen: „Es fühlte sich an, als wären wir alle Teil dieses einzigartigen Dialogs.“ Diese Interaktion verlieh dem Abend eine intime Note, die weit über die Musik hinausging.
Viele Zuschauer sind wegen Shais Klavierkünsten angereist. Die meisten kennen den Pianisten jedoch im Zusammenspiel als Trio, mit Kontrabass und Drums. Der Auftritt zusammen mit Lau war für viele neu. Die Fans wurden am Ende der Performance ihren hohen Erwartungen gerecht. Shai Maestro zeigte mit einem beeindruckenden Klaviersolo, warum er als einer der grössten Jazzpianisten seiner Generation gilt. Besonders sein Stück über die Tragik von Demenz – in dem er die Vergänglichkeit musikalisch nachempfand – hinterliess einen bleibenden Eindruck. Seine Mollakkorde, unterstützt durch zurückhaltende Backvocals, schufen eine dichte, fast greifbare Atmosphäre.
Jedoch fühlte sich die Stimmung während der Piano Performance ein Stück weit „aufgebraucht“ an?. Durch die Zunahme der Dynamik wurde das Stück jedoch lebendiger und energetisch aufgeladener. Lau Noahs klare Highnotes setzten dagegen spannende Akzente, auch wenn sie an manchen Stellen nicht perfekt getroffen wurden. Doch gerade diese Unperfektheit machte die Darbietung authentisch. Noah ergänzte die Stücke durch kurze Erklärungen, die es dem Publikum erleichterten, in die musikalisch emotionalen Welten einzutauchen, welche das „Verstehen“ der Musik erheblich vereinfachte. Ein weiterer Höhepunkt war das Stück „I Can Go Easy“, das auf den Umgang mit dem Tod anspielte. Trotz des düsteren Themas schafften es die beiden Künstler, die Melodie leicht und fast beschwingt zu gestalten – ein Beweis für ihre musikalische Vielseitigkeit.
„Es war, als hätten wir ein Tapas-Menü serviert bekommen“, scherzte Shai Maestro über die kurzen, aber intensiven Stücke des Abends. Jedes Lied hatte seine eigene Stimmung, seine eigene Geschichte – von mystischen Klängen über melancholische Balladen bis hin zu schwungvolleren, fast tanzbaren Passagen. Diese Vielfalt hielt die Spannung aufrecht und bot Raum für unterschiedlichste Emotionen.
Die intime Chemie zwischen Lau Noah und Shai Maestro war auch im Publikum spürbar. Kennengelernt auf dem Basketballfeld zogen Lau und Shai das Publikum in den Bann. Ihre harmonische Zusammenarbeit, die Nähe zum Publikum und die emotionale Tiefe der Stücke machten das Konzert zu einem der Höhepunkte der Saison. Eine Dame aus dem Publikum fasste den Abend treffend zusammen: „Die Chemie zwischen den beiden war wunderschön und färbte auf mich ab.“ Auch wenn nicht alle Zuschauer von Noahs sanfter, fast zurückhaltender Stimme restlos begeistert waren, lobten viele die aussergewöhnliche Kombination der beiden Künstler.
Mit diesem Konzert endete die Konzertsaison 2024 im Pflegidach auf eine stille, aber tief bewegende Weise. Ein Abend voller Emotionen und Überraschungen, der bewies, dass Musik nicht laut sein muss, um nachzuwirken. Ein Erlebnis, das die Zuhörerinnen und Zuhörer mit einem Gefühl von Verbundenheit und einem Hauch Melancholie nach Hause schickte – und sicherlich in Erinnerung bleiben wird.