Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe frauentechnisch gesehen eine reiche Woche hinter mir. Das muss ich jetzt so sagen, denn ich arbeite seit einer Woche hier, und mein neuer Chef sagte, was alle meine Chefs vor ihm schon gesagt hatten, nämlich: «Mit Frauenthemen sind wir ein bisschen schwach.»
Die Frauenthemen begannen für mich also am letzten Sonntagabend mit einer Diskussion zum Thema «No Sex in the City», es redeten da ein sehr junger Mann und eine Frau in meinem Alter über die Möglichkeit des Sexualkontaktes in ganz normalen Städten wie Zürich. Die Frau sagte, dass das manchmal schon stimme mit den Unterwerfungsfantasien der Frauen, dass «Fifty Shades of Grey» also nicht vollkommen an der Wirklichkeit vorbei geschrieben sei, dass in solchen Momenten also das Thema Emanzipation nichts im Schlafzimmer zu suchen habe.
Der sehr junge Mann machte den Eindruck, als würde er unter der Zahllosigkeit und allzu simplen Erreichbarkeit seiner Sexualkontakte schon fast leiden, während ein paar Frauen sagten, haha, da müsste er aber erst einmal eine Frau über 35 sein, erst so würde er wissen, was Einsamkeit und Verzweiflung gepaart mit einem allzu deftigen Kinderwunsch heissen würden. Wie existentiell niederschmetternd das sei. Ich fand das alles ein bisschen konventionell, aber tendenziell sicher richtig. Dazu assen wir alle Sandwiches mit gerupftem Schweinefleisch und Erdnusssauce und tranken feinen Wein, und es war insgesamt ein grossartiger und sehr, sehr lustiger Abend, und ich dachte, dass ich mein Liebesleben mit exakt 35 gefunden und immer noch nie auch nur den Hauch eines Kinderwunschs verspürt hatte und fragte mich, ob ich eine richtige Frau sei.
Kurz nach Mitternacht kamen die Oscars, und man konnte wieder erfahren, was sich «die Promis», also die Damen, im Vorfeld alles angetan hatten, die Spritzkuren mit Eigenblut, das ihnen von Blutegeln entnommen worden war, die provisorischen Gesichtsstraffungen, die sich mit Hilfe einer besonders brutal festgezurrten Frisur erreichen lassen, die zurecht geklebten Augenlider, das Botox im ganzen Körper, weil man damit nicht mehr schwitzen soll. Und dann traten sie auf, und natürlich trugen die meisten hässliche Kleider, und überhaupt war die Frage, ob sie darunter etwas auf dem Leib hatten oder etwa nichts. Kurz, es wurde da sehr schön gezeigt, dass Frausein ein Riesenaufwand ist, dass es Hungern bedeutet und Schmerzen und die ganze Bestialität der Medien, die sich tagelang über so einen Rockzipfel entladen kann.
Ebenfalls am Sonntag hatte die deutsche Schriftstellerin und Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff in Dresden eine Rede gehalten, in der sie sagte, dass künstliche Befruchtung «absolut widerwärtig» sei, dass Kinder, die so entstünden, «nicht ganz echt sind, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weissnichtwas». Sie sprach auch noch ein «Onanieverbot» aus und sagte, dass lesbische Paare keine Kinder haben dürften.
Ich war vor den Kopf gestossen und dachte, dass Frauen kein bisschen klüger sind als Männer, dass Sibylle Lewitscharoff damit kein bisschen besser ist als der österreichische Grossdichter Peter Handke, der 1996 «Gerechtigkeit für Serbien» forderte und den Kriegsverbrecher Milosevic verteidigte, oder als Martin Walser, der alte Mann und Schriftsteller vom Bodensee, der 1998 gesagt hatte, die Deutschen sollen nicht dauernd vom Holocaust reden. Oder, das jüngste Beispiel, dass Sibylle Lewitscharoff genauso verblendet ist wie der deutsche Journalist Matthias Mattusek, der vor kurzem sagte, er sei homophob, und das sei okay.
Ich gebe dazu, es gab einmal eine junge, idealistische Zeit in meinem Leben, da dachte ich, dass Frauen, die ein bisschen besseren Menschen sind, zumindest, dass ihre Überlegungen gründlicher und sozial verträglicher sind als die von vielen Männern. Sind sie nicht. Müssen sie auch nicht sein. Ich wünsche mir trotzdem, dass sie diese typischen Männer-Fehltritte nicht machen, diese Fehltritte, die einem bei einer Schieflage und einer Fehleinschätzung des Egos so schnell passieren.
Danach küsste Heidi Klum sehr wahrscheinlich (ganz genau sah das nur die Fantasie der Boulevardmedien) einen reichen und recht hässlichen jungen Mann namens Vito Schnabel, den Sohn des attraktiven und als Künstler bedeutenden Julian Schnabel, und ich fragte mich, wieso Frau Klum sich nicht um den Vater bemüht und endlich einmal ihren dahinschwindenden Ruf repariert hatte. Aber wahrscheinlich wäre sie für Vater Schnabel einfach zu schlicht gewesen.
Und Hillary Clinton, die sich auf ihre mögliche Rolle als mächtigste Frau der Welt vorbereitet, verglich Putin mit Hitler, und das war auch nicht gut.
Deshalb bin ich grad ein bisschen sauer auf die Frauen und mag uns nicht so richtig kollektiv zum 103. Internationalen Frauentag gratulieren. Und deshalb hoffe ich, dass heute und in Zukunft ein paar besonders kluge und überlegte von ihnen – ein paar Politikerinnen, Intellektuelle und Prominente – aufstehen und Dinge sagen, auf die man stolz sein darf. Dann schauen wir weiter mit den Frauenthemen.