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Hereinspaziert, meine Damen und Herren! Bestaunen Sie unsere Attraktion: Die vierbeinige Myrtle! 

Willkommen zur «Freak Show».
Willkommen zur «Freak Show».Bild: drewfriedman
«Freak Show» im 19. Jahrhundert

Hereinspaziert, meine Damen und Herren! Bestaunen Sie unsere Attraktion: Die vierbeinige Myrtle! 

03.12.2014, 22:2904.12.2014, 17:17
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In den 1880er Jahren lebte in New York ein Fotograf, der nicht nur die für die Zeit üblichen Porträtfotos schoss, sondern die «Freaks», die Stars der amerikanischen Abnormitätenshows, zu seinen Lieblingsmodellen auserkoren hatte. Sein Name war Charles Eisenmann und zuhause war er im Bowery Distrikt, in dieser dreckigen Slum-Gegend südlich von Manhattan, deren Gassen gesäumt waren mit Bordellen, zwielichtigen Absteigen und Biergärten. 

«Bandits' Roost» in der Mulberry Street, einer der dunkelsten und gefährlichsten Ecken New Yorks. Das 1888 entstandene Bild stammt vom dänisch-amerikanischen Journalisten und Fotografen Jacob Aug ...
«Bandits' Roost» in der Mulberry Street, einer der dunkelsten und gefährlichsten Ecken New Yorks. Das 1888 entstandene Bild stammt vom dänisch-amerikanischen Journalisten und Fotografen Jacob August Riis. Er war ein Pionier auf dem Gebiet der sozialdokumentarischen Fotografie. bild: Jacob august riis

Dort lagerten Obdachlose, es war die Heimat der Alkoholiker, der Bettler, der armen Künstler und der Gangs wie der anti-irischen «Bowery Boys», denen das Quartier auch seinen schlechten Ruf verdankte. Man muss sich das damalige Treiben so vorstellen, wie es im Film Gangs of New York von Martin Scorsese dargestellt wird. 

Der richtige Ort und die richtige Zeit für einen Fotografen wie Charles Eisenmann. Die «Sideshows» kamen auf, die amerikanische Version der Schaubuden. Das waren die sehr beliebten Beiprogramme von Zirkus- und Jahrmarktsveranstaltungen.

Zwei haarige «Sideshow-Darsteller».
Zwei haarige «Sideshow-Darsteller».Bild: Charles Eisenmann

Dort bekam die Arbeiterklasse menschliche Kuriositäten zu sehen, eine «Freak Show» mit siamesischen Zwillingen, einem vierbeinigen Mädchen, bärtigen Damen; deformierte und missgestaltete Körper aller Art befriedigten die Neugierde der Menschen des späten 19. Jahrhunderts. Und da fand auch Charles Eisenmann seine Modelle.

«Der russische Hundegesichtsjunge»

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Bild: Charles Eisenmann

Der schöne «JoJo», auch «der russische Hundegesichts-Junge» genannt, hatte den Reiz und die Eleganz des Entstellten in «Die Schöne und das Biest». Er war einer der erfolgreichsten Performer seiner Zeit und seine Porträts sind die berühmtesten in Eisenmanns Werk.

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Der Umschlag des Werks «Monsters of the Glided Age» von Charles Eisenmann aus den 1880er Jahren.
quelle: charles eisenmann
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«Das vierbeinige Mädchen»

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Bild: Charles Eisenmann

Die vierbeinige Myrtle Corbin aus Texas litt am sogenannten Doppelsteiss; die doppelte Anlage des Unterkörpers. Die inneren, viel kleineren Beine bildeten jeweils ein Paar mit den äusseren, waren aber zu schwach, um sie zum Gehen nutzen zu können. Mit 13 Jahren trat sie erstmals in Sideshows auf. Mit 19 heiratete sie Clinton Bicknell und gebar ihm fünf Kinder, zwei aus der ersten, drei aus ihrer zweiten Vagina. 

«Die fette Zwergenlady»

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Bild: Charles Eisenmann

Sophia Schultz, von allen nur «die fette Zwergenlady» genannt, war eine der Hauptmodels in Eisenmanns Studio. In den 1880er Jahren wuchsen ihr auch Haare im Gesicht, die er mit Hilfe von Bleistift noch verstärkt sichtbar machte.

«Die grossfüssige Ohio-Frau»

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Bild: Charles Eisenmann

Fanny Mills wurde mit einem hübschen Gesicht und riesigen Füssen (Elephantiasis) geboren. Ihr verzweifelter Vater schickte sie weg – mit einer Mitgift von 5000 Dollar – für den Mann, der sie endlich zur Frau nimmt.

«Die Bunker-Brothers»

 
 bild: charles eisenmann

Chang und Eng gaben der Fehlbildung «Siamesische Zwillinge» den Namen. 1811 wurden sie in Siam geboren. Zwei Brüder, die ihr ganzes Leben lang an den Körperseiten miteinander verbunden waren. 1874 starb der alkoholkranke Eng, der gesunde Chang nur drei Stunden nach ihm. Der Arzt wollte noch eine Notfalltrennung durchführen, aber es war zu spät. Changs Todesursache wurde nie geklärt.  

«Das beinlose Wunder»

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Bild: Charles Eisenmann

Im 19. Jahrhundert bedeutete eine physische Deformation nicht unbedingt eine Benachteiligung. Viele dieser ungewöhnlichen Schausteller verdienten gut, heirateten und verbrachten ein glückliches Leben. So wie Eli Bowen, dessen Füsse direkt aus seinem Becken wuchsen.

«Das Kamel-Mädchen»

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Bild: Charles Eisenmann

Ella Harper litt unter Genu recurvatu, das ist eine Form abnorm überstreckbarer Knie. In ihrem Fall war die Fehlbildung derart ausgeprägt, dass sich ihre Knie nach hinten bogen. Ihren Namen verdankte sie der Tatsache, dass sie sich grösstenteils auf vier Beinen fortbewegte. Im Jahr 1886 wurde sie von ihrem Arbeitgeber, dem «W. H. Harris’s Nickel Plate Circus», als Star angekündigt und wo fortan der Zirkus hinzog, wurde sie von den Menschen gefeiert.

«Laloo der Hindu»

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Bild: Charles Eisenmann

«Laloo der Hindu» war eigentlich Mohammedaner, doch das schien niemanden zu interessieren. Berühmtheit erlangte er durch seinen parasitären Zwilling: Ein kopfloser Miniatur-Mann, der an seiner Brust angewachsen war. Man erzählte sich, dass Laloo seine Gefühle mit seinem Zwilling teilte, dass er es spüren konnte, wenn diesen etwas bewegte. Der Penis seiner «Schwester» – wie er seinen Parasiten ironischerweise nannte – war hingegen vollständig entwickelt: Er konnte sogar urinieren oder eine Erektion bekommen – und das auch immer gern in gänzlich unangebrachten Situationen. Um dieser Peinlichkeit auszuweichen, zog Laloo seinem Zwilling massgeschneiderte Kleidchen an, die zu seinen eigenen passten. 1894 heiratete er eine Frau aus Philadelphia.

«Das leichteste Mädchen der Welt»

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Bild: Charles Eisenmann

Die aus Mexiko stammende Lucia Zarate schaffte es als leichteste verzeichnete Erwachsene ins Guinness-Buch der Rekorde. Sie wog mit 17 Jahren gerade mal 2,1 Kilogramm und soll bereits einjährig ihre volle Grösse erreicht haben.

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