Wir sind die Generation Y.
Yolo ist unser Wort.
Wir sind die Kinder des Moments.
Die meisten von uns, die wir irgendwann zwischen 1990 und 2010 Teenager waren, haben den Glauben an die ewige und einzige Liebe verloren. Oder zumindest verstecken wir ihn unter einer gehaltvollen Schicht Zynismus, mit der wir dann diabolisch über die hohe Scheidungsrate lachen und die Ehe als ein heillos überholtes Relikt aus einer Zeit verschreien, in der man noch keine Selbstverwirklichung betrieben hat. Mit dieser nämlich ist ein kolossaler Egoismus in unsere Köpfe gestiegen, von wo aus er gierig bis in unsere Herzen fingert.
Kompromisse zu machen bedeutet den ersten Schritt zur Selbstverleugnung. Sowas tun wir nicht.
Wir wollen alles. Und vor allem unsere Freiheit.
Wir sind, wie Sartre sagt, dazu verurteilt, frei zu sein. Wir werden ungefragt in die Welt geworfen. Nur sind wir leider auch ein bisschen verantwortlich für das, was wir tun.
Verantwortung mögen wir aber nicht.
Dennoch müssen wir mit unserem Freiheitsdrang anständig umgehen. Für die Liebe. Denn ohne sie können wir nicht sein. Und ohne sie wollen wir ganz sicher nicht sterben.
Mit diesem Satz outet sich ein typischer Abkömmling der «Y»-Jugend. Und weil er keine «normale» Beziehung haben kann, aber dennoch nicht sexuell brach liegen will, hat sich dieser postmoderne Mensch ein neues Konzept für die Liebe erschaffen.
Er hat eine lockere Affäre, einen Freund, dem man gewisse Vorzüge einräumt, oder er fristet das Dasein eines Mingles (siehe Infobox). Gut, haben wir ein neues Wort, das jetzt endlich das definiert, was per Definition nicht definiert werden will. Denn es geht um mehr Luft und weniger Korsett. Man stellt keine Bedingungen an den anderen. Keine Besitzansprüche. Keine Monopole. Und man ist nicht ständig verfügbar, sondern nur dann, wenn man Lust hat.
So sieht zumindest die verheissungsvolle Theorie aus. Absolute Freiheit bei null Verantwortung.
Aber wir sind Menschen. Wir haben Gefühle. Die lassen sich furchtbar schlecht in ein Modell pressen. Deswegen sollte man sich bei aller Liebe zur Freiheit an ein paar Grundregeln halten.
Um eine stilvolle Geschichte mit jemandem zu haben, muss man stilvolle Sachen zusammen machen. Man bumst nicht einfach nur rum und verschwindet dann wieder. Man schätzt mehr als nur das Geschlechtsorgan des anderen. Das fängt damit an, dass man sich am ersten Morgen danach nicht einfach davonschleicht. Ausser die Nacht war grauenhaft. Dann darf man das. Dann hat das Ganze sowieso keine Zukunft. Aber nett ist es natürlich nicht. Andererseits ist ein Karnickel-Akt auch nicht nett.
Wir nehmen also an, dass dieses Zusammensein ganz und gar berauschend war. Also macht der, bei dem man zuhause gelandet ist, Zmorge. Das heisst nämlich nicht gleich, ich will dich auf der Stelle ehelichen. Das heisst nur danke, es war schön mit dir. Wer in einem Spiegelei mehr sehen will, bitte schön. Aber eben. Es ist ein SPIEGELEI. Und wenn du Glück hast, kommt es mit ein bisschen Speck daher.
Danach steht euch die Welt offen: Kocht zusammen oder füreinander, tanzt, singt, trinkt guten Wein, verlasst das Bett für zwei Tage nicht mehr, lacht, geht an gute Konzerte, ins Theater, ins Kino, in den Swingerclub.
Nur ein arroganter Unsympath sagt sowas. Und wie kann man überhaupt dermassen gegen das Verliebtsein sein? Es ist ein zu prächtiges Gefühl, das nicht immer gleich bedeutet: Jetzt will ich aber den Rest meines Lebens mit der Zielperson meiner Verliebtheit zusammen sein. Sie kann einen Tag dauern, manchmal ist sie so harmlos wie eine mittelschwere Schwärmerei. Also warum kann man ihr nicht einfach frönen und diesen guten Moment einfach zulassen ohne sich gleich in die Hosen zu machen?
Dieser hässliche Satz wird so oft gesagt, weil man sich damit der Verantwortung entziehen will. Nehmen wir Kevin und Jessica als Beispiel. Kevin sagt der Jessica von Anfang an klipp und klar: «Los etz, Jessica. Verlieb dich nicht in mich. Ich will keine Beziehung.»
Kevin und Jessica verbringen zwei wunderbare Monate zusammen. Sie betrinken sich, erzählen sich dumme Witze, sie lachen, sie schlafen zusammen, sie haben unglaublich guten Sex. Jessica verliebt sich. Und Kevin sagt: «Ich habe es dir doch von Anfang an gesagt.» Dann geht er von dannen mitsamt dem sicheren Gefühl, dass ihn die Jessica und ihre Verliebtheit absolut nichts mehr angehen.
Einer von beiden verliebt sich fast immer. Daran sieht man nochmals, wie dermassen überflüssig die Aufforderung ist, es nicht zu tun. Das Konzept dieser Halb-Beziehungen will und kann keine Dauerhaftigkeit leisten. Es wird als Übergangsmodell verstanden: Entweder es endet in einer «richtigen» Beziehung oder am Schlussstrich, hinter dem irgendwo der nächste willige Mingle lauert. Jessica will die erste, Kevin die zweite Option.
Kevin muss jetzt auch nicht wochenlang mit der Jessica zusammen weinen. Aber man darf eine Person, mit der man eine gute, intensive und intime Zeit verbracht hat, nicht einfach mit dem Verweis auf diesen einen armseligen Satz «Verlieb dich einfach nicht in mich» abspeisen. Respekt ist auch zwischen Mingles wichtig. Auch Kevin sollte sich zu Jessica setzen, ihrem vom Schmerz erstickenden Stimmchen horchen und ihr erklären, warum er sie nicht will. Nur so fühlt sie sich nachher nicht wie ein Kaugummi, dem man zuerst gierig den ganzen Geschmack herausgekätscht hat, um ihn danach in die Gosse zu spucken.
Vielleicht hat aber auch Jessica die Schnauze voll vom Kevin. Vielleicht kocht er schlecht. Oder er versteht ihre Witze nicht. Und hat zu allem Übel auch noch Mundgeruch. Womöglich ist er auch im Bett nicht gerade der Hit. Was auch immer die Gründe sein mögen, dieses französische Dings geht nicht. Mindestens ein SMS muss drin liegen. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
Respekt ist alles.
sleeper
SVRN5774
Und was ist so schlimm an Verantwortung?
Kyle C.
Man tut den Jungen Unrecht, wenn man sie schubladisiert und darstellt, als wären sie eine nie dagewesene Inkarnation von Schlecht, Egoistisch etc.