Es ist ein Dienstagmorgen in Venedig, die Wellen schlagen an den Strand, die Filmstars stolpern einander über die Füsse, nur einer ist nicht am Filmfestival: Christoph Waltz. Er dreht grad am anderen Ende der Welt mit Tim Burton den Film «Big Eyes», weshalb er nur per Skype interviewt werden kann. Über «The Zero Theorem», den Science-Fiction-Film von Terry Gilliam.
Waltz spielt Qohen Leth, ein soziophobes Wissenschaftsgenie, und soll eine Gleichung lösen, die das Universum für nichtig erklärt. Sein Auftraggeber ist ein Mann namens Management (Matt Damon), begleitet wird Leth von einer Psychoanalytikerin (Tilda Swinton). Ein Film, so verrückt wie alles von Gilliam («Twelve Monkeys», «The Brothers Grimm»), prächtig durchgeknallte Bilder und eine Geschichte zum Irrewerden. Irgendwie geht es auch um ein schwarzes Loch, das dereinst die Welt verschlingen wird, und der Eingang zu diesem Loch findet sich im Internet. Aber fragen wir den Master of Ceremony der 107-minütigen LSD-Orgie:
Herr Waltz, skypen Sie gerne?
Ich finde das total lächerlich. Es ist, als würde man ein Interview simulieren. Aber wir haben keine andere Wahl! Ich bin wahrscheinlich 20'000 Kilometer von Ihnen entfernt auf Hawaii.
Und was tun Sie dort?
Ich tue nichts, ich schaue aus dem Fenster und habe frei. Heute ist Labour Day. Tag der Arbeit. Ich habe ja noch nie begriffen, wieso am Tag der Arbeit keiner arbeitet.
Aber Sie arbeiten auch auf Hawaii.
Ja, ich drehe da mit Tim Burton. Mit ihm ist es ähnlich wie mit Terry Gilliam: Mit so visionären Regisseuren wie den beiden muss ich als Schauspieler alle meine Fähigkeiten mobilisieren. Alles andere kann ich im Schlaf machen, mit ihnen bin ich auf einer höheren Ebene herausgefordert. Aber man kann auch einen alten Hund wie mich noch ein paar Tricks lehren.
Was war das Äusserste, das Gilliam von Ihnen verlangte?
Dass ich meine Haare abrasieren musste. Mehr oder weniger überall. (An dieser Stelle: enorm seltsame Geräusche.)
Können Sie mich hören?
Ich hör Sie! Ich hör Sie!
Sorry, das Bild ist so schlecht, Sie sehen mehr und mehr wie Woody Allen aus! Normalerweise verstehe ich, was Sie in Ihren Filmen tun, aber «The Zero Theorem» macht mich grad ganz ratlos. Können Sie mir bitte erklären, was das Zero Theorem ist?
Tut mir leid, ich habe bloss verstanden, dass Sie nichts verstehen.
Was ist das Zero Theorem?
Ich hab da auch bloss so eine Idee. Aber ich geb Ihnen mal meine Version davon. Also, es handelt sich um eine mathematische Einheit einer grösseren Ordnung, die wiederum Teil eines ganzes Theorems ist. Und das Theorem besagt: Null gleich 100 Prozent. Terry versuchte, dies zu visualisieren, indem er Einheiten von sechs, ja sechs Seiten eines Vierecks entwarf, und diese Vierecke konnte man zu grösseren Figuren zusammensetzen und so weiter, und am Ende müssen alle diese Figuren zusammen Null ergeben, und in jedem einzelnen Teil steckt ein Problem, das gelöst werden muss. Ich glaube, es hat nicht wirklich mit Mathematik zu tun, aber da bin ich auch der Falsche.
Seid ihr beim Dreh eigentlich zusammengesessen und habt derartige Fragen gewälzt?
Ja. Zuerst haben wir Schopenhauer gelesen und als wir mit seinem Gesamtwerk durch waren, haben wir uns kurz dem Existenzialismus gewidmet und danach neueren Philosophen. Nach dreieinhalb Jahren Studium begannen wir schliesslich zu filmen ....
Glauben Sie daran, dass 100 Prozent gleich Null sind?
Ob ich das glaube? Ich gewöhne mich langsam daran. Wenn ich noch mehr Interviews gebe, glaube ich daran.
Wie ist denn genau die Beziehung von Qohen Leth zur Technik?
Wenn ich das jetzt zu erklären beginnen müsste, dann hätte ich das Gefühl, in meiner Rolle desaströs versagt zu haben! Und es würde mich derart traurig machen, dass ich die Frage sowieso nicht mehr beantworten könnte.
Terry Gilliam sagt, er habe alle Schauspieler in dem Film ins Wasser geschmissen und schwimmen lassen.
Es war nicht nur Schwimmen, das wäre zu einfach gewesen, es war Tauchen! Und zwar ganz wörtlich, nicht nur metaphorisch. Vieles von dem, was im Weltraum geschieht, wurde unter Wasser gedreht. Es war recht beängstigend, aber da war diese Energie, und schliesslich haben wir uns alle fallen lassen und fühlten uns wohl. Wir hatten einfach keine Zeit für Zimperlichkeiten. Wir mussten uns schrecklich beeilen. Es war harte Arbeit. Aber gut.
Einer von Terry Gilliams legendären Monty-Python-Filmen heisst «The Meaning of Life». Was ist für Sie der Sinn des Lebens?
(An dieser Stelle: Space-Geräusche. Und die Pressefrau sagt: «Christoph darling, we’re losing you! We’re losing you!» Er: «Hellooo! Hellooo!»)
Es ging um den Sinn des Lebens!
Ach ja, der Sinn des Lebens. Ich erzähl e hd nhwjd Sinn q jwer webens, dwgd fsbdb ...
(wir schalten von Skype auf Telefon um)
Ich sagte, ich höre nicht auf zu leben, wenn ich arbeite. Im Gegenteil: Ich schaue mir zu, ich reflektiere ständig, was ich tue, es schärft die Wahrnehmung meiner eigenen Existenz. Arbeits- und Privatleben helfen sich gegenseitig.
Terry Gilliam sagt auch: Liebe ist gefährlich. Was sagen Sie?
Ich sag Ihnen gar nichts!
Und haben Sie ein nächstes Projekt mit Tarantino?
Nun, auch das ist eine Frage, die ich eigentlich nicht beantworten möchte.
«The Zero Theorem» ist ab 5. März im Kino zu sehen.