Der Aargauer Ausbrecher in Deutschland soll zurück in die Schweiz. Nur wie? Kris V., der vergangene Woche aus der psychiatrischen Klinik in Königsfelden abgehauen war, sitzt derzeit nahe Stuttgart in Haft. Noch ist aber unklar, ob er wieder freigelassen oder an den Kanton Aargau ausgeliefert wird. Bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart ist Jan Dietzel, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher, mit dem Fall des Aargauer Ausbrechers betraut.
Er sagt, man habe Kris V. noch am Tag seiner Verhaftung dem Amtsgericht vorgeführt. Der Emittlungsrichter habe eine sogenannte Festhalteanordnung erlassen. «Das heisst, die Person wurde vorläufig in Haft genommen, jetzt braucht es aber noch eine endgültige Entscheidung, ob sie in Haft bleibt.» Dafür hat Dietzel jetzt beim Oberlandesgericht Stuttgart einen Auslieferungshaftbefehl beantragt. Ob ein solcher ausgestellt werden kann, muss nun das das Gericht entscheiden. Wann der Entscheid fällt, kann er nicht sagen – klar ist aber, dass auch in Deutschland Fälle mit Haftsache vorrangig behandelt werden müssen. Das «vereinfachte Auslieferungsverfahren» hatte Kris V. abgelehnt.
Deshalb hat jetzt das sogenannte «ordentliche Verfahren» begonnen:
Wie viel Zeit dieser Prozess insgesamt in Anspruch nehmen wird, kann Oberstaatsanwalt Jan Dietzel nicht abschätzen: «Das hängt von allfällig vorgebrachten Einwänden ab.» Mit anderen Worten: Es hängt von Kris V. ab. Ist seine Auslieferung aber dereinst bewilligt, kann es schnell gehen: Dank eines Zusatzabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland können Auslieferungen beschleunigt durchgeführt werden.
Kris V. wurde am vergangenen Freitag in Asperg nahe Stuttgart festgenommen. Verhaftet werden konnte er, weil die Aargauer Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen den 22-Jährigen eröffnet hatte. Zur Last gelegt wird ihm mindestens eine Sachbeschädigung.
Doch: Eine Sachbeschädigung würde die Staatsanwaltschaft nicht von Amtes wegen verfolgen. Da es sich um ein Antragsdelikt handelt, braucht sie dafür eine Anzeige. Sprecherin Fiona Strebel bestätigte gestern auf Anfrage, dass eine Anzeige eines Strafklägers vorliegt.
Derweil freut sich die Gemeinde Mägenwil darüber, dass sich Kris V.'s Auslieferung verzögert. Pro Monat spart die Gemeinde nun 22'500 Franken. Sie muss nämlich für die fürsorgerische Unterbringung des 22-Jährigen in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden aufkommen. Rund 270'000 Franken jährlich, also 22'500 Franken im Monat, zahlt das 2000-Seelen-Dorf für diese zivilrechtliche Massnahme.
Die Gemeinde musste eigens dafür an der Wintergmeind 2015 ihren Steuerfuss erhöhen, von 90 auf 96 Prozent. Doch solange Kris V., der zur Tatzeit noch minderjährig war, in Deutschland hinter Gittern sitzt und seine Auslieferung verweigert, muss die Gemeinde nicht für dessen Unterbringung in Königsfelden zahlen. Dies bestätigte die Klinik gestern auf Anfrage.
Der Mägenwiler Gemeindeammann Daniel Pfyl (SVP) macht keinen Hehl aus seiner Freude. «Uns hilft es, dass wir dieses Geld nun sparen, und wir sind dankbar, denn wir haben sehr knapp budgetiert», sagt er. Zudem habe man andere finanzielle Brocken zu stemmen. «Wir sind froh um jeden Franken, den wir ins Dorf investieren können, statt in die Unterbringung von Kris V.»
Inzwischen laufen Straf- und Zivilverfahren parallel weiter. Fiona Strebel, Sprecherin der Aargauer Staatsanwaltschaft, bestätigte am Mittwoch: «Im Zusammenhang mit dem Ausbruch wurde ein Strafverfahren eröffnet.» Ob Kris V. nach seiner Rückkehr in die Schweiz in Untersuchungshaft gesetzt wird, ist derzeit noch nicht klar. Die Staatsanwaltschaft werde einen entsprechenden Antrag beim Zwangsmassnahmengericht stellen. Darüber befinden müsse schliesslich dieses Gericht.