Rund sieben Wochen vor der Abstimmung stehen die Chancen der «Ehe für alle» gut: Wäre Anfang August abgestimmt worden, hätten sich gemäss einer Umfrage 69 Prozent für die Vorlage ausgesprochen. Einen schweren Stand dürfte die «99-Prozent-Initiative» haben.
Zwar wäre die Initiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» der Jungsozialisten am 7. August mit 46 Prozent knapp angenommen worden, wie die erste Welle der SRG-SSR-Trendbefragung durch das Forschungsinstitut gfs.bern zeigt, die am Freitag veröffentlicht wurde. Doch gleichzeitig sprachen sich 45 Prozent der Befragten gegen die Vorlage aus.
Im Normalfall verlieren Initiativen im Verlaufe des Abstimmungskampfes an Zustimmung. Gleichzeitig waren zum Zeitpunkt der Befragung 9 Prozent noch unentschieden, was gemäss gfs.bern ein «verhältnismässig hoher Anteil ist».
Diese Wählerinnen und Wähler neigten am Schluss des Meinungsbildungsprozesses eher dem Nein zu. Eine Initiative aber, die aus einer Minderheitsposition in den Abstimmungskampf starte, habe «wenig Erfolgschancen», schreibt gfs.bern.
Klar für die Initiative sprachen sich lediglich die Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen (84 Prozent) und der SP (83 Prozent) aus. Bei der GLP gibt es noch eine knappe Zustimmung von 51 Prozent. Rechts dieser Parteien aber wird das Volksbegehren abgelehnt: Bei den Mitte-Anhängerinnen mit 54 Prozent, bei der FDP mit 75 Prozent und bei der SVP mit 66 Prozent.
Auf Gegner-Seite sticht vor allem das Argument, dass die neue Steuer nicht nur Reiche, sondern auch den Mittelstand, Bauernfamilien, Kleinsparer und KMU treffen würde. Ausserdem nehme die Steuer Unternehmen noch mehr Geld weg und erschwere die wirtschaftliche Erholung der KMU. Und drittens würden die Vermögen in der Schweiz bereits hoch versteuert.
Das Pro-Argument, das auf die grösste Zustimmung stösst, ist, dass bei der Annahme der Initiative Personen mit kleineren und mittleren Einkommen weniger Steuern zahlen würden und damit mehr Geld zur Verfügung hätten, was am Ende auch der Wirtschaft nütze. Viele finden es auch richtig, Kapital höher zu besteuern als Löhne, weil damit keine Leistung verbunden sei. An dritter Stelle steht die gerechtere Verteilung des Wohlstandes.
Deutlicher präsentieren sich gemäss der Umfrage die Verhältnisse bei der Abstimmung über die Änderung des Zivilgesetzbuches, mit der die «Ehe für alle» - unabhängig vom Geschlecht oder der sexuellen Orientierung - ermöglicht werden soll. 69 Prozent der Befragten hätten vor rund zwei Wochen dafür bestimmt, nur gerade 29 Prozent äusserten sich dagegen, 2 Prozent waren unentschieden.
Die Zustimmung ist vor allem bei den Parteien links der Mitte sehr hoch, mit 94 Prozent bei den Grünen und 92 Prozent bei der SP. Aber auch politisch rechts davon gibt es klare Mehrheiten - ausser bei der SVP. So hätten die Sympathisantinnen und -Sympathisanten der Mitte mit 63 Prozent Ja gestimmt, diejenigen der FDP mit 67 Prozent und diejenigen der GLP mit 88 Prozent.
In Bezug auf die Pro-Argumente ist die «Ehe für alle» für 72 Prozent der Befragten ein «überfälliger Schritt in Richtung Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare». 65 Prozent finden, dass auch gleichgeschlechtliche Ehepaare Kinder adoptieren dürfen, weil Fürsorge keine Frage der Familienform sei.
Opposition kommt von Angehörigen christlicher Freikirchen und der SVP. Aber auch bei den Anhängerinnen und Anhängern der Volkspartei sind die Gegner der «Ehe für alle» mit 50 zu 49 Prozent nur knapp in der Mehrheit. Klar ist die Ablehnung hingegen bei den «anderen christlichen Glaubensgemeinschaften» mit 76 Prozent, während sich sowohl die Reformierten (66 Prozent) als auch die Katholiken (67 Prozent) für die Vorlage aussprechen.
Die stechendsten Argumente gegen die «Ehe für alle» sind, dass Kinder Vorbilder von beiden Geschlechtern brauchten, die Samenspende für lesbische Paare ihnen aber den Vater verwehre. Ausserdem könne nur eine Verbindung von Mann und Frau Leben zeugen, und diese müsse geschützt werden. Diese beiden Erklärungen überzeugen im Übrigen auch eine beträchtliche Minderheit der FDP und der Mitte-Partei.
Zwar könne eine Ablehnung der Vorlage noch nicht ganz ausgeschlossen werden, weil die Vorlage das Potenzial habe, noch zu polarisieren, schreibt gfs.bern. Trotzdem dürfte «im Normalfall der Meinungsbildung» die Ehe für alle am 26. September deutlich angenommen werden.
An der Umfrage nahmen zwischen dem 2. und dem 16. August 22'427 Stimmberechtigte teil. Der Fehlerbereich liegt bei +/- 2.8 Prozentpunkten. (sda)
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