«Die SVP verzichtet bis auf Weiteres auf eine Teilnahme an der SRF-‹Arena›» twitterte die SVP Schweiz am Dienstag. In einem offenen Brief prangert die Partei die «groben Entgleisungen» des «Arena»-Moderators Sandro Brotz an. Statt eine ausgewogene Debatte zu ermöglichen, habe sich Brotz als «Richter gegenüber SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi aufgespielt», heisst es im Schreiben.
Es sei nicht das erste Mal, dass sich Brotz Fehltritte leiste und damit eine sachgerechte und neutrale Berichterstattung torpediere. Deshalb fordere die SVP eine Aussprache mit der SRG-Leitung, steht abschliessend.
Der jüngste Vorfall reiht sich in eine Liste von Angriffen seitens der SVP. Die Anfeindungen haben System – und ein bestimmtes Ziel: Stimmungsmache für die Halbierungsinitiative.
Es begann am 1. August 2021. «Schande über RSI» wetterte SVP-Präsident Marco Chiesa an seiner Rede über den italienischsprachigen SRG-Sender. Am Nationalfeiertag luden Chiesa und die Tessiner SVP zur Tagung in Lugano-Sonvico. Nicht mit dabei war RSI. SVP-Präsident Chiesa war «stinksauer», weil der Sender nicht anwesend war und über den Anlass berichtete.
Hunderte von Leuten seien anwesend, die Konzessionsgebühren zahlen und die grösste Partei der Schweiz inklusive Tessiner Präsidenten wählten, aber das Tessiner Fernsehen sei nicht anwesend. «Blödsinn sei das», so Chiesa und Grund genug, über die 200-Franken-Konzessionsgebühr zu sprechen und den Rücktritt des RSI-Informationschefs Reto Ceschi zu fordern.
Seither ist Chiesa bei RSI kaum mehr gesehen. Vorher habe er gute Beziehungen zur Unternehmenseinheit der SRG gepflegt, so RSI-Infochef Ceschi gegenüber CH Media. Eigentlich kenne er den SVP-Präsidenten «sehr gut», so Ceschi weiter. Doch seit Oktober sei Chiesa in keiner Informationssendung von RSI mehr erschienen, «und er spricht auch nicht mehr mit uns», sagte Ceschi.
Die RSI-Vertreter vermuteten dahinter Kalkül: Chiesas Attacken seien Vorboten für einen umfassenden Angriff auf die gesamte SRG und alle Landessender (SRF, RTS, RSI). Sie sollten Recht behalten.
«Wir kritisieren lediglich, dass die SRG als mächtigstes Medium der Schweiz die Welt mehrheitlich aus einer linken Optik beschreibt», sagt Chiesa gegenüber CH Media. «Dies ist in jeder Hinsicht inakzeptabel. Daher dürfte eine Volksinitiative, die eine Halbierung der Zwangsgebühr auf 200 Franken vorsieht, in der Bevölkerung breite Unterstützung finden.»
Noch vor dem Chiesa Zerwürfnis mit RSI griff die SVP Schweiz den Deutschschweizer Ableger in einer Medienmitteilung an und bezeichnete das SRF als «links-grünen Aktivisten Sender».
Die Journalisten der Informationssendungen seien zunehmend «ideologisch geleitete Aktivisten». Und dass man in der SRF-Sendung «Club» zum Rahmenabkommen «nur drei EU-Turbos» eingeladen habe, verstosse klar gegen das Ausgewogenheitsprinzip. Darauf folgt die Kampfansage: «Die SVP wird politische Schritte gegen das Schweizer Fernsehen SRF unternehmen.» Der «einseitige» und «links-grüne Aktivisten-Journalismus» müsse gestoppt werden.
Zur nächsten grösseren Fehde kam es, als das SRF in einem «Rundschau»-Beitrag Anfang Februar interne Angriffsszenarien vom Verteidigungsministeriums (VBS) für den neuen Kampfjet F-35 thematisierte. In einem Szenario mussten die Kampfjets ins 370 Kilometer entfernte Tschechien fliegen, um dort mittels eines Präventivschlags einen Angriff auf die Schweiz zu verhindern.
Der Beitrag missfiel vielen bürgerlichen Politikern. SVP-Ständerat Werner Salzmann und SVP-Nationalrat Thomas Hurter schickten zusammen mit FDP-Präsident Thierry Burkart dem SRG-Ombudsmann ein Schreiben. Darin kritisieren sie, dass der «Rundschau»-Beitrag das Sachgerechtigkeits- und Transparenzgebot verletzte. Das SRF bezeichneten sie als «Freund und Helfer der Gruppe Schweiz ohne Armee und der unterlegenen Hersteller».
Unterdessen wurde der Beitrag von der SRG-Ombudsstelle gerügt. Weil die Sendung immer wieder fiktive Szenarien in die reale Welt übersetzte, seien Missverständnisse vorprogrammiert gewesen, steht es in der Mitteilung. «Dadurch wurde nicht nur das theoretische Szenario, sondern auch die Meinungsbildung des Publikums verfälscht.»
Die SVP schiesst aus allen Rohren gegen die SRG. Es begann im Juni vor einem Jahr, als die Partei die öffentlich-rechtlichen Medienschaffenden als «links-grüne Aktivisten» bezeichneten und dauert mit dem jüngsten Zerwürfnis in der «Arena» an.
Dazwischen, Anfang März, lancierte die Partei, zusammen mit dem Schweizerischen Gewerbeverband und den Jungfreisinnigen, die Halbierungsinitiative. Das Volksbegehren fordert, die Serafe-Gebühren für Radio und Fernsehen von 335 auf 200 Franken zu kürzen.
Die Angriffe gegen die SRG sind Stimmungsmache für die Initiative. Denn 2018, als die SVP als einzige grosse Partei die «No Billag»-Initiative befürwortete, scheiterte sie krachend. Das Stimmvolk lehnte die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren mit deutlichen 71,6 Prozent ab
Dieses Mal lässt die SVP nichts anbrennen. Parteipräsident Chiesa bleibt RSI willentlich fern, in der Deutschschweiz ist man aber empört, wenn Vertreter der Partei nicht in Sendungen eingeladen werden. Die SVP duldet es nicht, wenn Vertreter der Partei mit ihren eigenen Aussagen kritisch konfrontiert werden.
Das Ziel? Eine geschwächte SRG – und volle Aufmerksamkeit für die Halbierungsinitiative.
Majoras Maske
Und sie kämpfen unverschämt und dreist nur noch für ihren eigenen Vorteil. Die Bevölkerung hat nichts, wirklich gar nichts davon, wenn die SVP zukünftig nicht mehr widersprochen wird.
Christian Mueller (1)
RicoH