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Warum die Monopol-SBB ein wenig Konkurrenz vertragen könnten

Frecciarossa train and Italo train at Termini railway station. Rome Italy, March 22nd, 2023 Rome Italy - ZUMAm169 20230322_zac_m169_069 Copyright: xMassimoxInsabatox
Der staatliche Frecciarossa und der private Italo (r.) liefern sich in Italien einen harten Konkurrenzkampf. Sein «Opfer» war die Fluggesellschaft Alitalia.Bild: www.imago-images.de
Analyse

Warum die Monopol-SBB ein wenig Konkurrenz vertragen könnten

SBB und Gewerkschaften wehren sich gegen eine Liberalisierung des Schienenverkehrs nach EU-Vorbild. Dabei würde mehr Wettbewerb dem trägen Monopolbetrieb nur nützen.
04.08.2023, 06:0904.08.2023, 13:21
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Die Schweizerischen Bundesbahnen gelten als vorbildliches Unternehmen. In kaum einem anderen Land gibt es einen so dichten und verlässlichen (Takt-)Fahrplan. Die Verspätungen, die vor einigen Jahren zu reden gaben, scheint man im Griff zu haben. Der Mangel an Lokführern konnte entschärft und die Situation stabilisiert werden.

Dafür sind neue Baustellen aufgetaucht. Seit einiger Zeit kommt es vermehrt zu Störungen beim Billettkauf in der SBB-App und teilweise an den Automaten. Bei einem Vorfall im Juni wurde ein Cyberangriff als Grund genannt, doch in der Regel werden nicht näher definierte «technische Probleme» angeführt. Das lässt Fragen zur IT-Infrastruktur aufkommen.

SBB-Chef Vincent Ducrot über die Digitalisierung

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Damit verbunden ist ein leidiges Problem. Beim Online-Ticketverkauf hinken die SBB den Bahnunternehmen in den Nachbarländern hinterher. Zwar wurde der antiquierte Webshop «aufgemöbelt», doch eine direkte Sitzplatzreservierung ist weiter nicht möglich. Und in der SBB-App kann man keine Tickets für internationale Verbindungen kaufen.

«Wir arbeiten daran.»

Wenn man es versucht, heisst es: «Wir arbeiten daran.» Bei DB, SNCF oder Trenitalia ist der In-App-Kauf seit Jahren problemlos möglich, und das häufig zu einem günstigeren Preis. «Sie haben völlig recht, das Ticketing im internationalen Verkehr ist unser Schwachpunkt», räumte SBB-Chef Vincent Ducrot vor zwei Jahren im Interview mit watson selber ein.

Ebenfalls als Schwachpunkt entpuppte sich der als «Flaggschiff» auf der Ost-West-Achse beschaffte neue Fernverkehrs-Doppelstockzug (FV-Dosto). Von Anfang an gab es nur Probleme. Die Auslieferung erfolgte verspätet, Behindertenverbände klagten über zu steile Rampen, und zu einem veritablen Debakel wurde die im Zug eingebaute Neigetechnik.

Übelkeit im Pannenzug

Mit ihr wollten die SBB die Fahrzeiten ohne teure Baumassnahmen verkürzen. Doch trotz «Wankkompensation» hielten es Fahrgäste bei Testfahrten nicht aus. Auf der Ost-West-Achse könne es nicht sein, «dass es 20 Prozent der Passagiere übel wird», sagte Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), im Interview mit «CH Media».

Der neue Intercity der SBB ist da

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400 Meter lang, 1300 Passagiere, 4 Jahre Verspätung: Der neue Intercity der SBB ist da
Die SBB präsentierten im Mai 2017 ihren neuen Intercity-Zug erstmals den Medien. Der Zug mit dem Namen «Twindexx Swiss Express» wird von der Firma Bombardier hergestellt. Hier steht er im Bahnhof Interlaken bereit für die Abfahrt.



quelle: keystone / anthony anex
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Letztes Jahr mussten die SBB zugeben, dass die Wankkompensation nicht funktioniert. Das nervige Schütteln aber konnte nicht völlig beseitigt werden, und auch die Bio-Toiletten sorgen für Ärger. SBB und BAV wollen deshalb in Zukunft keine «massgeschneiderten» Züge mehr anschaffen, sondern nur solche, die auf bewährten Technologien basieren.

Anlauf für mehr Wettbewerb

Seit Jahren bekannte Mängel beim Ticketverkauf und ein Paradezug, der in Wirklichkeit ein Pannenzug ist: Es sind typische Symptome eines Monopolbetriebs, der frei von Konkurrenz agieren kann. Ein solcher sind die Bundesbahnen zumindest im Fernverkehr. 2018 wollte das BAV die Konzession neu ausschreiben und damit für mehr Wettbewerb sorgen.

Mittelgrosse Unternehmen wie BLS oder die Schweizerische Südostbahn (SOB) sollten die Möglichkeit erhalten, bestimmte Verbindungen in Konkurrenz zu den SBB zu betreiben. Am Ende blieb alles beim Alten. Die SBB überlassen BLS und SOB einen Teil des Kuchens, aber die Konzession und damit das faktische Monopol bleibt in ihren Händen.

Abbau beim Billettverkauf

Und die Zeichen stehen auf eine weitere Abschottung gegenüber dem Ausland. Im März enthüllte «CH Media», dass die SBB ab 2024 selbst am Schalter nur noch Billette für Reisen in Nachbarländer verkaufen wollen, mit wenigen Ausnahmen wie dem Eurostar nach London. Faktisch begründet wird dieser Abbau mit den Problemen im IT-Bereich.

ZUM SBB-REISEZENTRUM IN ZUERICH OERLIKON STELLEN WIR IHNEN HEUTE, DONNERSTAG, 18. JANUAR 2018 FOLGENDES NEUES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- An SBB employee is working at a counter in the SBB Travel  ...
Der Verkauf von Tickets ins Ausland soll selbst am Schalter stark eingeschränkt werden.Bild: KEYSTONE

Ungereimtheiten gibt es auch im grenzüberschreitenden Verkehr. Kürzlich warf die NZZ den SBB vor, sie würden den Fernverkehr zugunsten des Regionalverkehrs vernachlässigen. Konkret genannt wurde etwa die Strecke zwischen Lugano und Mailand. Ein Dauerärgernis sind auch die Züge von Zürich nach München, die praktisch nie pünktlich ankommen.

Aus für TGV nach Zürich?

Und es könnte noch dicker kommen. Im Fahrplanentwurf des BAV für 2035 sollen diverse Züge nur noch bis zur Landesgrenze nach Basel fahren. Das betrifft nicht nur die notorisch unpünktlichen deutschen ICE-Züge, sondern auch den beliebten und zuverlässigen TGV von Zürich nach Paris. Auch im Inland stehen die Zeichen auf Abbau.

Die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr (IGöV) reagierte entsetzt und sprach von der «grössten Fahrplanverschlechterung aller Zeiten». Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. BAV-Chef Peter Füglistaler versuchte im «CH Media»-Interview die Wogen zu glätten, dennoch stehen die Pläne ziemlich quer in der europäischen Zuglandschaft.

Musterland Italien

Die EU hat 2019 den internationalen Personenverkehr liberalisiert. Kooperationen über die Grenzen hinweg sind nichts Neues, doch nun sollen die Bahnunternehmen ihre Trassen für ausländische Konkurrenten öffnen. In der Praxis ist das oft leichter gesagt als getan, und doch sorgt die Liberalisierung in Ländern wie Spanien für mehr Wettbewerb.

Als Musterbeispiel gilt Italien, wo der Schienenverkehr schon vor mehr als zehn Jahren liberalisiert wurde. Auf dem Hochgeschwindigkeitsnetz verkehren seither neben dem Frecciarossa der staatlichen Trenitalia auch private Italo-Züge. Der harte Konkurrenzkampf hat nach Ansicht von Experten zum Konkurs der Fluggesellschaft Alitalia beigetragen.

Schweiz in der Defensive

Seit der EU-weiten Liberalisierung bietet Trenitalia eine Frecciarossa-Verbindung von Mailand nach Paris an. Kürzlich stellte der Staatskonzern den Plan für eine Direktverbindung mit seinem Vorzeige-Zug von Mailand nach München schon ab 2025 vor. Die Fahrzeit soll nur vier Stunden betragen. Sogar ein Frecciarossa von Berlin nach Rom ist im Gespräch.

In der Schweiz hingegen sorgt die Liberalisierung des Zugverkehrs für die bekannte Abwehrhaltung. Sollte man Trassen für internationale Bahnunternehmen freiräumen, könnte das SBB-Angebot schlechter und teurer werden, warnte Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar im Interview mit der «Sonntagszeitung»: «Dieses Risiko besteht.»

Öffnung wäre überfällig

Der Eisenbahner-Gewerkschaft SEV ist eine Verbindung von Zürich nach München mit dem privaten Betreiber Flixtrain ein Dorn im Auge. Sie fürchtet um den Lohnschutz, was für zusätzliche Komplikationen in den ohnehin schwierigen Gesprächen mit der EU um eine mögliche Neuauflage des Rahmenabkommens sorgen könnte.

Flixtrain kommt nach Basel
Für den BAV-Chef sind Flixtrain-Züge in der Schweiz problemlos möglich.Bild: keystone

BAV-Direktor Peter Füglistaler allerdings verwies gegenüber «CH Media» auf einen kaum beachteten Aspekt. Die Schweiz habe schon im bestehenden Landverkehrsabkommen versprochen, die Gesetzgebung im grenzüberschreitenden Verkehr der Europäischen Union (EU) anzugleichen: «Das beinhaltet die Öffnung im internationalen Personenverkehr.»

Vorrang für den Taktverkehr

Weil die Schweiz ihren Teil nicht einhalte, blockiere die EU Weiterentwicklungen in diversen Dossiers, sagte Füglistaler. Er hält trotz der Querelen um den Fahrplan 2035 eine Lösung für möglich:

Internationale Züge sollen zugelassen werden, aber der Taktverkehr soll Vorrang haben. Die Tarifintegration wäre Pflicht, diese Züge würden also in unser Ticketsystem integriert. Zudem bräuchte jeder Betreiber eine Konzession und müsste nachweisen, dass er branchenübliche Löhne bezahlt. Das sind genau die Forderungen der Gewerkschaften!

Das wirkt plausibel. Selbst der Flixtrain nach München wäre für Füglistaler kein Schreckgespenst: «Mit etwas gutem Willen liesse sich Flixtrain problemlos ins Schweizer Netz eingliedern.» Was der abtretende Chef des BAV nicht sagt, aber womöglich meint: Ein wenig Konkurrenz könnte dem trägen Monopolbetrieb SBB auf die Sprünge helfen.

Die Hürden blieben hoch, wegen des dichten Taktfahrplanes. Aber ein Flixtrain nach München oder ein Frecciarossa von Zürich nach Rom wären keine Horrorvorstellung, sondern eine echte Bereicherung. Wetten, dass es dann auch mit dem Ticketverkauf in der App sehr rasch vorwärtsgehen würde?

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243 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Stefanix19
04.08.2023 06:40registriert Juni 2019
Ich freue mich auf die Artikel von Watson, dass der Service schlechter wurde auf den unrentablen Strecken. Der Wettbewerb funktioniert auch nur auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken in Italien. Und die Briten können auch ein Lied über den „hochgelobten“ Wettbewerb singen. Ganz Klar Nein zu Wettbewerb im öV. Der öV ist Service Public.
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wwwVid: WirWollenWenigerVideos!
04.08.2023 06:37registriert Januar 2022
Internationale Züge in der Schweiz gibt es seit Jahrzehnten und das ist gut so! Wer deshalb eine Liberalisierung fordert, setzt so ziemlich alles aufs Spiel - das kann nur in die Hose gehen! Schaut mal nach England.
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wwwVid: WirWollenWenigerVideos!
04.08.2023 06:44registriert Januar 2022
Italien hat tatsächlich grosse Fortschritte gemacht, insbesondere dank Neubaustrecken. Aber gerade das Ticketing ist ein Negativbesipiel: du musst im Fernverkehr einen bestimmten Zug buchen. Da lobe ich mir die Schweiz, wo ich auch 30 min früher oder eine Stunde später fahren kann. Einfach so, ohne vorher jemanden fragen und extra draufzahlen zu müssen.
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