Schweiz
Armee

Schweizer Armee gerüstet? Bei Bürgerlichen schrillen Alarmglocken

Ist die Schweizer Armee gerüstet? Bei den Bürgerlichen schrillen die Alarmglocken

Nach der russischen Invasion in die Ukraine fordern bürgerliche Politiker mehr Geld und Truppen für die Armee. Die Linke kritisiert die populistischen Forderungen. Für einen Schlagabtausch im Ständerat sorgte auch die Initiative gegen die Kampfjets.
15.03.2022, 11:28
Reto Wattenhofer / ch media
Mehr «Schweiz»
Das Schweizer Armee Aufklaerungsdetachement (AAD 10) praesentiert sich am Donnerstag, 16. August 2007 waehrend einer Uebung auf dem Grenadier Waffenplatz von Isone erstmals den Medien. Zu den Aufgaben ...
Ist die Schweizer Armee gut genug?Bild: keystone

Nur einige Tage nach dem Angriff von Russland auf die Ukraine, lag die Forderung im Bundeshaus auf dem Tisch: Die Schweiz muss bei der Verteidigung aufrüsten und zwar sofort. FDP und SVP verlangen, die jährlichen Ausgaben für die Armee um zwei Milliarden Franken zu erhöhen.

Soll die Schweizer Armee aufgerüstet und ausgebaut werden?

Am Dienstag erneuerten die bürgerlichen Sicherheitspolitiker im Ständerat ihre Forderungen. Auslöser für die Debatte war eine dringliche Interpellation von Josef Dittli (FDP/UR). «Wir sind Zeuge einer sicherheitspolitischen Zeitenwende», betonte er. Nach dem russischen Einmarsch stehe die Schweiz vor einer «total neuen Bedrohungslage». Dafür sei die Armee «zu wenig gut aufgestellt».

Längere Dienstzeit

Neben zusätzlichem Geld für die Rüstung brachte die bürgerliche Ratsseite verschiedene Ideen ins Spiel, um die Verteidigungsfähigkeit der Armee zu erhöhen. Alex Kuprecht (SVP/SZ) betonte, der «Aderlass» der Armee in den Zivildienst müsse gestoppt werden. Sein Berner Parteikollege Werner Salzmann plädierte für eine Verlängerung der Dienstzeit, um eine Schutztruppe zu schaffen. In die Pflicht nahm er auch die Wirtschaft. Diese müsse ihren Beitrag leisten und die Kaderausbildung fördern.

Daniel Jositsch (SP/ZH) warnte vor «unreflektierten», «populistischen» Forderungen. Es sei der Situation nicht würdig, aus der Krise politisch Kapital zu schlagen. Notwendig sei nun eine langfristige Strategie. Nicht umsonst sei der Ständerat die «Chambre de Réflexion». Jositsch verneinte, dass Frieden durch mehr Aufrüstung erreich werde.

Daniel Jositsch, SP-ZH, spricht zur Kleinen Kammer, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 3. Maerz 2022 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Daniel JositschBild: keystone

In der heutigen Zeit sei es nicht möglich, einen konventionellen Krieg zu gewinnen, egal wie hoch das Armeebudget sei. Die Schweiz liesse sich nicht verteidigen, «wenn wir jedem ein Sturmgewehr in die Hand drücken». Die Ratslinke plädierte dafür, das Thema in einem grösseren Kontext zu betrachten. Eva Herzog (SP/BS) bemerkte, es könne nicht sein, die Schweiz nun «zu einer neuen Insel definieren zu wollen» und sich «in Autarkie» zu üben.

Initiative gegen F-35 polarisiert

Aufgeflammt ist im Ständerat erneut die Diskussion über die Initiative gegen die Kampfjet-Beschaffung, für die linke Kreise derzeit Unterschriften sammeln. Mehrere Redner forderten die Initianten auf, das Volksbegehren zurückzuziehen. Die Beschaffung der F-35 dürfe durch «nichts verzögert» werden, erklärte Dittli.

Bei Jositsch sorgte das für Irritationen. Gerade in einer Krise müsse der demokratische Prozess respektiert werden. Maya Graf (Grüne/BL) sekundierte: «Es ist ein politisches Recht.» Ob es ihnen passe, spiele keine Rolle. Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) konterte, das Volk habe bereits Ja gesagt zu neuen Kampfjets. Ein Instrument dürfe nicht dazu missbraucht werden, die Sicherheit der Bevölkerung zu gefährden.

Auch Bundesrat gerät unter Beschuss

Wenig schmeichelnde Worte fanden gewisse Ratsmitglieder auch für den Bundesrat. Die Antworten der Landesregierung auf die neuen Bedrohung seien «passiv, mutlos und defensiv», kritisierte Dittli. «Hier erwarte ich vom Bundesrat Leadership.» Er hätte erwartet, dass der Bundesrat von sich aus mehr Geld für die Armee fordere. Stattdessen wolle er zuerst die Situation analysieren.

Thierry Burkart, FDP-AG, spricht mit einem Ratskollegen, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 2. Maerz 2022 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Thierry BurkartBild: keystone

«Europa reagiert, die Schweiz analysiert», brachte es Thierry Burkart (FDP/AG) auf den Punkt. Dafür hatte er wenig Verständnis. «Ich frage mich, was braucht es denn zur Analyse?» Es fehle an Mut, zu handeln. Bevor Verteidigungsministerin Viola Amherd auf die Kritik antworten konnte, sprang Parteikollegin Gmür in die Bresche. Es sei richtig, dass der Bund nun «mit kühlem Kopf» eine Analyse vornehme. Zuerst müsse klar sein, wofür die zusätzlichen Ausgaben verwendet würden.

Kampfjetkauf dürfte sich verteuern

Bundesrätin Amherd gab sich gewohnt nüchtern. Der Krieg in der Ukraine sei nicht unbedingt eine Überraschung. Sie verwies auf den letzten sicherheitspolitischen Bericht, in dem das nun eingetroffene Szenario bereits skizziert worden sei. Amherd zeigte sich offen, der Armee mehr Geld zu geben. Es sei fraglich, ob das heutige Budget genüge, um «Land und Leute zu schützen». Allerdings habe der Bundesrat noch keine Entscheide gefällt.

Deutliche Worte fand die Verteidigungsministerin für die Initiative gegen den F-35, nachdem sie bereits früher mit der Forderung nach einem Rückzug für Schlagzeilen sorgte. Wenn die Initiative nicht bis Ende März eingereicht werde, könne die Abstimmung nicht vor 2024 stattfinden. Laut Amherd ist das ein Problem, denn die verbindliche Offerte der USA ist nur gültig bis Ende 2023. Die Folge könnten höhere Kosten und eine spätere Lieferung der Flugzeuge sein.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese 20 Ausdrücke werden alle Rekruten in der RS lernen
1 / 11
Diese 20 Ausdrücke werden alle Rekruten in der RS lernen
Zwipf = Zwischenverpflegung
Küsche = Küchenchef/Koch
Arschloch-Barriere = Armeeschokolade

bild: watson/keystone
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Gleichstellung braucht es auch bei der Wehrpflicht» – So tickt Rekrutin Cécile Kienzi
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
292 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Atavar
15.03.2022 11:45registriert März 2020
Die Ausrüstung der Armee ist schlecht. Der bürokratische Kropf und die alten, verkalkten Berufsmilitärs aber der Grund allen Übels.

Grüsse, Hauptmann a.D.
29726
Melden
Zum Kommentar
avatar
El Tirador
15.03.2022 11:51registriert März 2017
Die Probleme der Armee lassen sich nicht mit noch mehr Soldaten lösen. Wenn die Armee nicht modernisiert wird und gewisse Berufsmilitärs nicht entlassen werden und durch fähige Leute ersetzt werden, nützt die ganze Übung nichts.
Die Armee ist veraltet, was Führung, Logistik und Organisation angeht und man sollte besser die ganze Armee von oben nach unten effektiver machen, statt wieder in ein Kalter-Krieg-Modell zurückzufallen.
25412
Melden
Zum Kommentar
avatar
Eifach_öpis
15.03.2022 13:42registriert Februar 2016
Wir sollen also aus Angst vor den Russen unsere Landesverteidigung aufmöbeln.

Nun die Russen haben es in fast 3 Wochen nicht geschafft Städte einzunehmen die keine 100 Kilometer von der eigenen Landesgrenze entfern sind.

Dafür sind NATO und EU noch näher zusammen gerückt.

Die Bedrohung durch russische Panzer an unseren Grenzen wird aktuell kleiner und nicht grösser.

Gegen die realen Bedrohungen helfen weder Panzer noch Flugzeuge.
435
Melden
Zum Kommentar
292
Scroll dich durch den Stauporn – und du wirst schneller (vorwärts-)kommen
Sie ist fast so bekannt (und zuverlässig) wie das Schweizer Sackmesser: die Blechlawine vor dem Gotthard an Festtagen im Frühling. Und das schon seit Jahren. Eine kurze Zeitreise gegen die Langeweile.

Und dann kamen dann schon bald die ersten Staus ...

Zur Story