Schweiz

«Es tut weh, dass ich es nicht rückgängig machen kann»

Sozialtherapeut vor Gericht

«Es tut weh, dass ich es nicht rückgängig machen kann»

17.03.2014, 08:5917.03.2014, 16:24
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Am Montag hat der Prozess gegen einen 57-jährigen Sozialtherapeuten begonnen, der sexuelle Übergriffe auf über 100 Behinderte gestanden hat. Bei seinen Taten sei ihm nicht bewusst gewesen, was er den Opfern antue, sagte der Angeklagte vor dem Regionalgericht Bern. 

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Das Regionalgericht in Bern. Bild: KEYSTONE

Strafrechtlich verantworten muss sich der Mann in 33 Fällen, die nicht verjährt sind. Die Anklage lautet auf Schändung, sexuelle Handlungen mit Kindern, Abhängigen und Anstaltspfleglingen, Pornografie sowie Verletzung des Geheim- oder Privatbereichs. Der Mann hatte die Übergriffe teilweise gefilmt. 

Im Zentrum des ersten Prozesstages stand die Befragung des Beschuldigten, der sich seit 2011 im vorzeitigen Strafvollzug befindet. Der Sozialtherapeut war 2010 verhaftet worden, nachdem zwei Bewohner eines Behindertenheims im Kanton Aargau ihren Eltern von sexuellen Kontakten mit ihrem Betreuer berichtet hatten. 

Weinen der Opfer ausgeblendet

Die Verhaftung bezeichnete der Mann als eine Art «Erleichterung». Er sei damals unter grossem Druck gestanden. Es sei ihm bewusst gewesen, dass er seinen Beruf, der ihm alles bedeutet habe, nie mehr werde ausüben können, wenn seine pädophilen Neigungen bekannt würden. Auf die Idee, sich jemanden anzuvertrauen, sei er aber nicht gekommen. 

Der Mann wirkte vor Gericht gefasst und zeigte sich kooperativ. Seine Aussagen waren aber oft bruchstückhaft und undeutlich. Es fiel ihm sichtlich schwer, seine Taten zu erklären. Er sehe mit einem «gewissen Schrecken», was er angerichtet habe. «Es tut weh, dass ich es nicht rückgängig machen kann». 

Damals sei er davon ausgegangen, dass die sexuellen Handlungen im gegenseitigen Einvernehmen passiert waren. In einige der Buben sei er verliebt gewesen. Bei den Übergriffen habe er anfänglich jeweils aufgehört, «wenn ich Widerstand oder Angst spürte». Mit der Zeit habe er es aber ausgeblendet, wenn die Opfer weinten. 

Urteil am Freitag erwartet

Er habe nachher jeweils ein schlechtes Gewissen gehabt, aber «meine Gefühle waren stärker». Dass zwischen ihm als erwachsenem Betreuer und den minderjährigen Heiminsassen ein Machtgefälle bestand, sei ihm erst im Nachhinein klar geworden. 

Der Prozess wird am Dienstag mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung fortgesetzt. Es werden keine Zeugen befragt. Mehrere Opfer haben Zivilklagen auf Schadenersatz und Genugtuung eingereicht. Möglicherweise kommt es zu einem aussergerichtlichen Vergleich. Das Urteil des Regionalgerichts wird am Freitag bekannt gegeben. (jas/sda)

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