Peter Keller lacht ins Telefon. «Ich habe wohl den entspannteren Sommer als meine Parlamentskollegen», sagt der 44-jährige SVP-Nationalrat. Während die meisten der 246 Bundesparlamentarier langsam, aber sicher um ihre Wiederwahl im Oktober zittern, kann sich der «Weltwoche»-Journalist zurücklehnen. Keine Partei in Nidwalden will seinen Sitz angreifen. Nur die Sozialdemokraten oder die Jungsozialisten könnten ihm vor Ablauf der Meldefrist Ende August die stille Wahl vermasseln. Gefährlich werden können sie ihm indes nicht. «Ich bin privilegiert, ja, aber das ist weder mein Verdienst noch mein Problem», sagt Keller. Er ist nicht der Einzige.
Mindestens acht National- und Ständeratskandidaten (die meisten bisherige) dürften diesen Herbst ohne ernsthaften Gegenkandidaten einer anderen Partei ins Parlament gewählt werden – «im Schlafwagen», wie man im Bundeshaus gerne sagt. Die Glücklichen kommen aus den Kleinkantonen Glarus, Uri, Nidwalden sowie den beiden Appenzeller Halbkantonen.
Bereits im Amt bestätigt ist Ständerat Ivo Bischofberger (CVP/AI). Die Landsgemeinde schickte ihn im April für eine weitere Legislatur in die kleine Kammer.
In Ausserrhoden gab gestern der letzte potenzielle Herausforderer von Ständeratskandidat und Nationalrat Andrea Caroni (FDP/AR) seinen Verzicht auf eine Kampfkandidatur bekannt.
In Glarus dürfte sowohl BDP-Präsident und Nationalrat Martin Landolt als auch seinen beiden Ständeratskollegen eine Kampfwahl erspart bleiben.
Auch im Kanton Uri sind der bisherige Ständerat Isidor Baumann (CVP) und der neu kandidierende Regierungsrat Josef Dittli (FDP) so gut wie gewählt.
Fragt sich: Kann man in solchen Fällen überhaupt noch von einer demokratischen Wahl sprechen? Ständerat Baumann findet Ja. «Wenn die Konkurrenz auf eigene Kandidaten verzichtet, ist das ein Vertrauensbeweis.»
Politikprofessor Daniel Bochsler vom Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) sagt, alleine das Vorhandensein mehrerer Kandidaten sei noch kein Garant für eine «echte Auswahl»: Wenn eine Partei dominiert und die Konkurrenz «pro forma» einen Gegenkandidaten aufstelle, sei dies am Ende reine Kosmetik. «Die Demokratie lebt von echtem Wettbewerb. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn die Kandidaten Wahlchancen haben.»
Konkurrenzlose Kandidaturen seien oft auch das Resultat eines Tauschhandels innerhalb der politischen Mehrheit, die die vorhandenen Sitze untereinander aufteilt. «Die Opposition links und rechts lässt man dabei aussen vor.» Geht es nach Bochsler, dürften konkurrenzlose National- und Ständeratskandidaturen in Zukunft eher seltener werden. Der Parteienwettbewerb werde gerade auch in kleineren Kantonen intensiver. In diesem Wahljahr aber könnte die Zahl der privilegierten Kandidaten noch einmal steigen. Grund dafür ist der Kanton Graubünden: Dort droht die SVP zwar damit, die Sitze der beiden bisherigen Ständeräte Stefan Engler (CVP) und Martin Schmid (FDP) anzugreifen, sollten deren Parteien nicht zu einer grossen bürgerlichen Listenverbindung für den Nationalrat Hand bieten. So richtig entschlossen scheint die SVP aber nicht zu sein. Kantonalpräsident und Nationalrat Heinz Brand sagt auf Anfrage, die Ständeratskandidatur sei lediglich «eine Option». Die Bündner Sozialdemokraten haben bereits beschlossen, keinen Kandidaten gegen die zwei Bisherigen ins Rennen zu schicken. «Das wäre ein Himmelfahrtskommando», sagt deren Wahlkampfleiter.
Bleibt es dabei, gäbe es landesweit nicht bloss acht, sondern zehn Glückliche, die «im Schlafwagen» nach Bern fahren.
(trs)