Drei Doktorandinnen der Universität Basel hielten es nicht mehr aus. Sie fühlten sich von ihrem Doktorvater am Departement für Altertumswissenschaften ausgenutzt. Er band sie in seinen Forschungsschwerpunkt ein und nutzte ihre Publikationen für seine Arbeit. Selber zitierte er sie in seinen Werken nicht oder kaum, umgekehrt verlangte er aber von ihnen, dass sie ihn in ihren Arbeiten über 100 Mal referenzierten.
So wurde die Leistung der jungen Wissenschafterinnen kaum sichtbar, während der Professor im Scheinwerferlicht stand. Er ist in seinem Fachgebiet weltweit führend und wird dafür vom Schweizerischen Nationalfonds alimentiert.
Die Doktorandinnen wehrten sich gegen die Zitierwünsche ihres Professors. Doch er habe ihnen gedroht, dass er sie dann schlecht benoten und eine Publikation verhindern werde. Die Frauen zeigten ihn deshalb bei der Universität an. Sie warfen ihm auch Plagiat vor. Er habe eine ihrer Arbeiten vor deren Publikation ohne korrekte Zitierung verwendet.
Der Professor fasste die Vorwürfe als Majestätsbeleidigung auf. An der Fakultätsversammlung sagte er, die Karrieren der Anzeigerinnen seien damit beendet. Und er schrieb eine E-Mail an den Vater einer Doktorandin, in der er massive Vorwürfe gegen sie erhob.
Der Integritätsbeauftragte der Universität eröffnete ein Verfahren. Er kam zum Schluss, dass in einem Fall «ein ausreichender Verdacht des wissenschaftlichen Fehlverhaltens gegeben» sei. Im zweiten Fall könne der Verdacht «nicht ausgeräumt» und im dritten Fall «nicht erhärtet» werden.
Das Rektorat stufte die Integritätsverletzungen als schwer ein und hielt fest, das Vertrauensverhältnis sei «unwiederbringlich zerstört». Es leitete deshalb das Kündigungsverfahren ein. Das war vor zehn Jahren.
Inzwischen sind weitere schwere Vorwürfe hinzugekommen. Doch die Verfügungen sind immer noch nicht rechtskräftig. Es gilt deshalb die Unschuldsvermutung und der Mann sitzt noch immer auf seinem Lehrstuhl. Das Verfahren geht seither den Instanzenweg rauf und runter, ans Bundesgericht und zurück.
Wegen mehrerer Verfahrensfehler verlangen die Gerichte immer wieder neue Abklärungen, Gutachten und Begründungen. Ein Ende ist nicht absehbar. Der Professor ist mittlerweile 63 Jahre alt. Die Justiz wird das letzte Wort kaum gesprochen haben, bevor er sich in Rente verabschiedet hat.
Der Fall zeigt, wie schwierig es für eine Universität ist, einen Professor zu entlassen. Ein Ordinarius erhält seinen Lehrstuhl auf Lebenszeit. Früher war es ein Tabu, einen Herr Professor überhaupt zu kritisieren. Inzwischen sind die Ansprüche an die wissenschaftliche Integrität höher geworden. Die Hochschulen haben Verhaltensregeln aufgestellt und Integritätsbeauftragte eingesetzt, die darüber richten. Doch diese Verfahren haben sich noch nicht eingespielt.
Die renommierteste Hochschule der Schweiz, die ETH Zürich, hat in ihrer 168-jährigen Geschichte noch nie einen Professor entlassen und erst eine Professorin: 2019 musste Astrophysikerin Marcella Carollo gehen, weil sie ihre Doktorandinnen zu stark unter Druck setzte. Sie erhielt jedoch eine hohe Entschädigung, weil auch die ETH Fehler beging.
Besonders schwierig werden die Ermittlungen, wenn Plagiatsvorwürfe erhoben werden. Sie tauchen in vielen Konflikten auf, seit abgekupferte Textstellen mit Software aufgespürt werden können. Auch die Universität St. Gallen ist derzeit in Aufruhr, weil ein Professor plagiiert und Arbeiten von Studierenden unter eigenem Namen veröffentlicht haben soll.
Aus der Geschichte der Universität Basel ist erst eine Entlassung eines Professors bekannt; auch er gehörte zum Departement der Altertumswissenschaften.
Der aktuelle Fall nahm das Ausmass einer griechischen Tragödie an, als sich der Professor zu einer besonderen Tat hinreissen liess. Er schwärzte seine Mitarbeiterin, die ihn am stärksten belastete, mit einer anonymen Anzeige beim Nationalfonds an. Er warf ihr Plagiate in ihrer Doktorarbeit vor, die er betreut hatte.
Dass er selber hinter der Anzeige steckte, flog auf, als er im anderen Verfahren ein identisches Dokument einreichte. Der Professor rechtfertigte sein klandestines Vorgehen darauf so: Er habe verhindern wollen, dass er beim Nationalfonds als Querulant abgestempelt werde, da er gegen diesen schon in einer anderen Angelegenheit mit einer Beschwerde vorging.
Die Universität Basel stufte die Plagiatsvorwürfe gegen die preisgekrönte Doktorarbeit als haltlos und das Vorgehen des Professors als eine weitere schwere Verletzung seiner wissenschaftlichen Integrität ein. Er habe sich an der Frau rächen wollen und dabei seinen Interessenskonflikt verschwiegen.
Der Universitätsrat führte deshalb die Akten der beiden laufenden Verfahren zusammen, um damit die Kündigung zu beschleunigen. Doch das Gegenteil trat ein. Das Verfahren wurde dadurch noch komplizierter.
Dabei ist der Handlungsbedarf gemäss Rektorat dringend. Der Ruf des Fachbereichs habe gelitten. Viele Mitarbeiterinnen wechselten so schnell wie möglich an eine andere Universität. Die Stellen konnten nicht wieder besetzt werden. Denn die Probleme haben sich in der wissenschaftlichen Community international herumgesprochen.
Auch Professoren der Universitäten Oxford und Kopenhagen sind mit Gutachten in den Konflikt involviert. Das gesamte Departement für Altertumswissenschaften und dessen Mitglieder seien in Mitleidenschaft gezogen, warnte die Universität vor Gericht.
Da der Professor keine Einsicht und kein Bemühen zeige, sich zu bessern, seien Sofortmassnahmen zur Sicherstellung des akademischen Betriebs nötig. Er hätte deshalb aus dem Departement ausgeschlossen und in einem externen Büro platziert werden sollen, bis die Kündigung definitiv ist.
Doch nicht einmal diese Massnahmen sind in Kraft getreten, da der Professor vor Gericht eine aufschiebende Wirkung erkämpft hat. Sein Ruf wäre weltweit ruiniert, sollten die Massnahmen in Kraft treten, argumentierte er vor Gericht.
Er konnte zudem durchsetzen, dass seine Plagiatsvorwürfe gegen die Frau vertieft geprüft werden. Die Universität muss nun ein externes Gutachten einholen, da dies dem Standardvorgehen entspricht. Sie hält es zwar für sinnlos, den «absolut haltlosen Vorwürfen» weiter nachzugehen. Doch das Bundesgericht trat soeben auf ihre Beschwerde nicht einmal ein.
Somit ist nun der Ruf aller Beteiligter beschädigt: der Frau, die inzwischen als Professorin an der Universität Cambridge arbeitet, des Professors, der von der mittlerweile zwölfjährigen Auseinandersetzung zermürbt ist, und der Universität, der das Kündigungsverfahren entglitten ist. Alle Beteiligte wollen den Kampf hinter den Kulissen führen und sich nicht äussern.
Es geht heute ab PhD schlussendlich vor allem um Anzahl Publikationen, Referenzen und Hochschulpolitik. Das gepaart mit fehlender Integrität ergibt die hier beschriebene Geschichte, die bei weitem kein Einzelfall ist, sondern als systematisch bezeichnet werden könnte.
Ich habe das Gefühl, dass in den meisten Firmen so ein Verhalten nicht geduldet werden würde. Aber ist nur meine Meinung.