Bundesrat will lebenslange Witwenrente kippen – auch aus Spargründen
Witwen und Witwer sollen künftig bis zum 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Rente erhalten - unabhängig vom Zivilstand. Dies hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen. Bisher bekommen Frauen lebenslang eine Rente.
Die bereits laufenden Renten von über 55-jährigen Witwen und Witwern werden allerdings weiter bezahlt. Der Bundesrat wolle die Ungleichbehandlung bei den AHV-Hinterlassenenrenten beseitigen und das System an die gesellschaftliche Entwicklung anpassen, heisst es in der Mitteilung.
Heute bekommen Witwen lebenslang eine Rente, auch wenn sie keine unterhaltsberechtigten Kinder haben. Witwer hingegen erhalten sie nur bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes. 2022 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) diese Ungleichbehandlung der Geschlechter in einem Urteil festgehalten.
Auch ein Spareffekt
Mit der neuen Regelung sollen Hinterbliebene gezielt unterstützt werden, solange sie unterhaltsberechtigte Kinder haben. Die Revision berücksichtige sowohl armutsgefährdete Personen als auch altersbedingte Umstände, schreibt der Bundesrat. Ausserhalb dieser schwierigen Zeiten sei es «nicht mehr gerechtfertigt, unabhängig von der finanziellen Situation der Versicherten lebenslange Renten auszurichten».
Der Bundesrat hatte seine Vorlage im vergangenen Dezember bis Ende März in die Vernehmlassung geschickt. Die Meinungen zur Reform waren geteilt. Während die Bürgerlichen die Anpassungen begrüssten, kritisierten SP und Grüne, dass diese die Situation für bestimmte Gruppen von Frauen verschlechtern. Am Mittwoch nun hat der Bundesrat die Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) zur Kenntnis genommen und die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet.
Nicht zuletzt hat die Reform auch einen Spareffekt. Falls sie 2026 in Kraft treten kann, soll sie bis ins Jahr 2030 eine Verringerung der AHV-Ausgaben um rund 350 Millionen Franken zur Folge haben. 70 Millionen davon betreffen Einsparungen beim Bund.
Wer hat nach der Reform Anspruch?
Anspruch von Personen, die nach dem Inkrafttreten der Reform verwitwen:
- Hinterlassenenrente für Eltern bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes, unabhängig von Zivilstand und Geschlecht; Ausrichtung über das vollendete 25. Altersjahr hinaus, wenn ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut wird und dafür ein Anspruch auf Betreuungsgutschriften der AHV besteht;
- zweijährige Übergangsrente bei Verwitwung zur Unterstützung von Hinterbliebenen ohne unterhaltsberechtigte Kinder. Das gilt für verheiratete Paare sowie für geschiedene Personen, die von der verstorbenen Person einen Unterhaltsbeitrag erhielten.
- Unterstützung im Rahmen der Ergänzungsleistungen für Witwen und Witwer, die das 58. Altersjahr vollendet und keine unterhaltsberechtigten Kinder mehr haben, sofern der Tod einen Armutsfaktor darstellt;
- In der Unfallversicherung: Gewährung einer Rente auch für Witwer, wenn sie beim Tod der Ehefrau Kinder haben, die keinen Rentenanspruch mehr haben, oder wenn sie das 45. Altersjahr vollendet haben, wie dies aktuell für Witwen gilt.
Anspruch von Personen, die bereits vor der Reform eine Witwen- oder Witwerrente beziehen:
- Beibehaltung der laufenden Renten für Witwen und Witwer, die bei Inkrafttreten das 55. Altersjahr vollendet haben; Aufhebung der Renten für Personen unter 55 Jahren innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten der Änderung, sofern sie keine unterhaltsberechtigten Kinder mehr haben (Übergangsbestimmung);
- Beibehaltung der laufenden Renten für Witwen und Witwer, die bei Inkrafttreten das 50. Altersjahr vollendet haben und Ergänzungsleistungen zur AHV und IV beziehen (Übergangsbestimmung).
Von der Reform nicht betroffen ist der Anspruch auf eine Witwen- und Witwerrente der beruflichen Vorsorge, da in diesem Bereich keine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen besteht. Die Rente der beruflichen Vorsorge wird grundsätzlich bis zum Tod oder zur Wiederverheiratung der hinterlassenen Ehegattin oder des hinterlassenen Ehegatten ausbezahlt.
Viele Vorsorgeeinrichtungen sehen bereits heute Hinterlassenenleistungen für Personen vor, die für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufkommen. Diese reglementarischen Leistungen erlauben es, die heutigen Lebensmodelle zu berücksichtigen. (sda/cma)
