Im April endlich, da klappte es. André Chatelain hatte Ende Monat noch mehr als 100 Franken übrig. Gespart. Für Steuern, dringende Anschaffungen, Reparaturen eines kaputt gegangenen Haushaltgeräts zum Beispiel. Oder zum Vergnügen.
Weder für einen Kino- oder Konzertbesuch noch für Alkohol hat das Geld gereicht, damit er sein Vorhaben erfüllen konnte. Im Herbst hatte er sich zum Ziel gesetzt, monatlich nicht mehr als 2500 Franken auszugeben. Exakt den Betrag also, der von den Initianten des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) genannt wird. Am 5. Juni stimmen die Schweizer darüber ab.
Gegenüber der «Nordwestschweiz» legt der 33-jährige Berner seine Milchbüechli-Rechnung offen. Chatelains Motivation für die Sparübung: Er wollte herausfinden, ob seine Erfahrungen einem vielfach geäusserten Argument der BGE-Gegner recht oder unrecht gibt. Es lautet: «Da würde doch niemand mehr arbeiten.» Weil der Politikwissenschafter sich beruflich umorientieren wollte, musste er seine Ausgaben zudem sowieso drosseln.
Das Leben allerdings ist auch in der Bundesstadt nicht günstig, wo Chatelain in einem WG-Zimmer wohnt. Täglich notierte er seine Ausgaben. In den ersten beiden Monaten seines Selbstexperiments scheiterte er kläglich. Die Ausgaben überstiegen das gesteckte Ziel um bis zu mehr als 1000 Franken. An den Fixkosten liess sich nicht viel machen. Mit Ausnahme der damals relativ hohen Ausgaben wegen seiner angeschlagenen Gesundheit waren sie ohnehin tief.
Chatelain musste anderswo sparen. Im Winter kam die Einsicht: «Ich begann, meine Ausgaben für Ausgang, Restaurantbesuche und Alkohol drastisch zu senken.» Der Erfolg stellte sich erst im April ein, als Chatelain ganz auf Alkohol verzichtete.
Trotzdem findet Chatelain: «Unter dem Strich habe ich im Monat April sehr gut gelebt und es mangelte mir im Prinzip an nichts Wesentlichem.» Und doch musste er sich einschränken «und jeden noch so kleinen Betrag überdenken». Er räumt ein, sich mehr als einmal ein höheres Budget gewünscht zu haben.
In seinem Experiment unberücksichtigt blieben die Steuern und Ausgaben, die nur hin und wieder anfallen. Chatelain ist klar, dass ersparte 100 Franken pro Monat nirgends hinreichten, um auf Dauer mit 2500 Franken über die Runden zu kommen. «Erst letzthin brach ein Teil der Tiefkühlertüre. Die Reparatur kostet mehr als 800 Franken, weil gleich die ganze Tür ersetzt werden muss.» Oder der Laptop gibt seinen Geist auf. Ein Szenario, das sich Chatelain gar nicht ausmalen will. Wo nähme er bei 100 Franken im Monat plötzlich all das Geld her?
Selbst bei einem Ja der Schweizer zum BGE will Chatelain nicht dem Sofa gegenüber der Arbeit den Vorzug geben. Zu deutlich überwiegt bei ihm der Wunsch, einer Arbeit nachzugehen und mehr finanziellen Spielraum zu erlangen.
Das Leben in der Schweiz ist teuer, das zeigt André Chatelains Milchbüechli-Rechnung deutlich. Ihn stört das vielfach gehörte Argument, bei 2500 Franken pro Monat gehe sowieso kaum noch jemand arbeiten. Vor allem dann, wenn es gut verdienende Schweizer äussern. 2500 seien weder zu wenig noch zu viel, sagt er. Eine Grundexistenz könne der Betrag sichern. «Nicht aber die Bedürfnisse jener Schweizer, die nicht auf die Konsumfreuden verzichten wollen, die mit 2500 Franken schlicht nicht drinliegen.» (aargauerzeitung.ch)
Es gäbe genug Menschen in der Schweiz, die mit dem genannten schmalen Budget auskommen müssen. Man könnte ja die fragen.
Die gehen aber heute für das Geld arbeiten. Fragt doch dann gleich mal, ob sie für den gleichen mickrigen Lohn weiter arbeiten würden, wenn das Geld auch einfach so kommt.