Als Alain Berset (SP) am 21. Juni seinen Rücktritt bekannt gab, dauerte es nicht lange, bis Spekulationen ins Kraut schossen, auch Guy Parmelin (SVP) könnte noch vor den Wahlen zurücktreten.
Nur zwei Tage später reagierte Parmelin persönlich auf diese Gerüchte. «Um Klarheit zu schaffen, bestätige ich gerne, dass ich in der Wintersession 2023 zur Wiederwahl in den Bundesrat antrete», schrieb er auf X (damals noch Twitter). «Ich bin hoch motiviert!»
Um Klarheit zu schaffen, bestätige ich gerne, dass ich in der Wintersession 2023 zur Wiederwahl in den Bundesrat antrete. Ich bin hoch motiviert! pic.twitter.com/8n32PPJ9Pg
— Guy Parmelin (@ParmelinG) June 23, 2023
Drei Monate später machen in der Wandelhalle des Bundeshauses erneut Gerüchte die Runde über einen bevorstehenden Rücktritt Parmelins. Diesmal ist sogar von einem konkreten Tag die Rede, an dem die Demission über die Bühne gehen soll – am Freitag nämlich.
Am Freitag ist der letzte Tag der letzten Session der Legislatur 2019 bis 2023. An diesem Tag tagen sowohl Parlament wie Bundesrat. Es ist der letzte Moment für einen ordentlichen Rücktritt als Bundesrat, 24 Tage vor den Nationalratswahlen vom 22. Oktober. Ein Bundesrat kann an diesem Tag sowohl Parlament wie Regierung persönlich über einen Rücktritt informieren, wie es Brauch ist.
Es ist deshalb vom Zeitpunkt her wenig überraschend, dass Spekulationen über einen möglichen Rücktritt von Guy Parmelin auftauchen, zumal dieser am 9. November seinen 64. Geburtstag feiert und damit ein Jahr vor seiner regulären Pensionierung steht. Bei einem Rücktritt wäre er acht Jahre Bundesrat gewesen, also zwei volle Legislaturen.
Die Gerüchte besagen aber auch, Parmelin wolle aus gesundheitlichen Gründen – wegen Rückenproblemen – zurücktreten. Immer wieder sorgte die Gesundheit für Rücktritte von Bundesräten. Zuletzt war es Johann Schneider-Ammann, der 2018 aus gesundheitlichen Gründen demissionierte.
Mehrere Quellen bestätigen, dass Parmelin seit Jahren leichte Rückenprobleme hat. «In letzter Zeit hat sich die Situation aber eher verbessert», sagt eine Person, die ihn gut kennt. «Und vor allem sind diese Probleme keineswegs so gravierend, dass er sein Amt nicht ausüben könnte.» Weiter heisst es:
Was sagt die SVP zu den Gerüchten? «Ich habe keinen Hinweis darauf, dass Guy Parmelin zurücktreten wird», betont Präsident Marco Chiesa. «Ich bin in den letzten Monaten oft mit ihm zusammen gewesen, er ist sehr aktiv und motiviert. Unser Land liegt ihm sehr am Herzen.»
Nur: Hätte die SVP nicht ein Interesse, ihren Wahlkampf mit einem Bundesratsrücktritt in den letzten 24 Tagen nochmals anzukurbeln? Vor drei Jahren hatte ein hochrangiger SVP-Vertreter vertraulich davon gesprochen, die Partei wolle einen Bundesratsrücktritt in der Mitte der Legislatur und einen zweiten kurz vor Ende der Legislatur. Ueli Maurer trat dann tatsächlich ziemlich genau in der Mitte der Legislatur zurück – am 30. September 2022. Folgt nun Guy Parmelin kurz vor Ende der Legislatur?
Chiesa verneint ein Interesse seiner Partei an einem Rücktritt. Er wundere sich, woher diese Spekulationen kommen. «Ich frage mich, wer der Urheber dieser unbegründeten Gerüchte ist», sagt er. «Ich halte sie für ein Ablenkungsmanöver, um von Themen wie dem Chaos im Asylbereich, der unkontrollierten Masseneinwanderung, der steigenden Kriminalität und der immer teureren und unsicherer werdenden Energieversorgung abzulenken.»
Die SVP hat aber auch aus anderen Gründen eher kein Interesse daran, dass Parmelin so kurz vor den Wahlen zurücktritt, wie Insider sagen: Sie will nicht riskieren, seinen Sitz bei den Bestätigungswahlen am 13. Dezember zu verlieren. Träte Parmelin am Freitag zurück, würde sein Nachfolger nach den sechs anderen Bundesräten gewählt. Damit wären Tor und Tür geöffnet für Spiele um den SVP-Sitz. Direkte Retourkutschen wären nicht mehr möglich.
Nationalrat Jean-Pierre Grin ist 76 Jahre alt und sitzt seit 16 Jahren im Nationalrat. Er ist Waadtländer und Bauer, genauso wie Guy Parmelin. Die beiden kennen sich gut. Grin sass am Montag ab 14.15 Uhr bei Parmelin im Büro. «Parmelin ist in bester Verfassung und sehr motiviert, seine Arbeit als Bundesrat fortzuführen», sagt er. «Wir haben unter anderem über das Budget 2024 gesprochen. Für mich wäre es wirklich eine sehr grosse Überraschung, träte er am Freitag zurück.»
Auch im Wirtschaftsdepartement deutet zurzeit nichts auf einen Rücktritt hin, wie Recherchen zeigen, zumal hinter den Kulissen bereits die neue Legislatur vorbereitet wird. 2026 soll Parmelin, zum Abschluss seiner Karriere, nochmals Bundespräsident werden - wie schon 2021.
Und was sagt Guy Parmelin selbst? Am Mittwochmorgen war er live in der Morgensendung «La Matinale» von Radio RTS zu hören. «Treten Sie nochmals an für die neue Legislatur, Herr Parmelin?», wollte der Moderator wissen. «Natürlich, vorausgesetzt das Parlament wählt mich am 13. Dezember», sagte dieser. Der Moderator insistierte: «Und wenn Sie gewählt werden: Bleiben Sie dann vier Jahre?» Parmelin: «Aber ja.»
Die Bundesratsgeschichte hat aber auch eines immer wieder gezeigt: Bundesräte halten ihren Rücktritt bis zum letzten Moment geheim – selbst gegenüber ihrer Parteispitze.
- Amtzzeitbeschränkung für Politiker (2 Legislaturen bzw. 8 Jahre sind genug, danach profitieren nur noch die Lobbys)
- Zwingendes Pensionsalter für Politiker (und auch für Richter und alle anderen gewählten Ämter)
Und von nun an bitte Bundesräte zu aller erst aufgrund ihrer Kompetenz wählen, und erst danach - bei äquivalenten Kandidaten - auf zweitrangige Faktoren achten:
Geschlecht
Kanton
Landessprache
Umgänglichkeit / glatter Typ --> waren ja bei Baume Schneider und Parmelin entscheidende Wahlgründe. Eigentlich zum Lachen, wenns nicht so tragisch wäre.