Je mehr man mit dem Virus in Kontakt kommt, desto besser kann der Körper einen Immunschutz aufbauen. Klingt naheliegend. Ist aber nicht unbedingt so. Personen, die dreimal gegen Corona geimpft sind und sich zuvor schon mit einer älteren Variante angesteckt haben, bauen keinen zusätzlichen Schutz auf, wenn sie sich mit Omikron infizieren. Das zeigt eine neue Studie aus England, die letzte Woche im Wissenschaftsmagazin «Science» erschienen ist. Die Teilnehmenden waren Spitalangestellte und alle dreifach geimpft. Wer sich aber zuvor nicht mit Corona angesteckt hatte, in dessen Blut waren immerhin einige zusätzliche Abwehrkörper zu finden.
Nun wird befürchtet, dass eine alte Infektion demnach den Aufbau zusätzlicher Immunabwehr nach Omikron-Infektion verhindert. Ein Horrorszenario, schliesslich hofft man immer noch, Corona werde für alle ein Schnupfen.
Einer der Autoren der Studie, Danny Altmann, sagte gegenüber «The Guardian», Omikron umgehe nicht nur bestehende Immunitäten sehr gut, die Situation sei komplexer als gedacht: «Es ist schlimmer, weil die Mutationen im Spikeprotein führen offenbar zu einem Shutdown der Immunantwort.»
Seither wird die Studie heftig diskutiert. Denn sie passt nicht ins Bild. Bisher hatten verschiedene andere Studien gezeigt, dass gerade infizierte Geimpfte eine sogenannte Super-Immunität haben, die am zuverlässigsten vor neuen Infektionen schützt. Omikron soll diese Regel nun aushebeln? Was stimmt?
Fakt ist: Seit Omikron sich ausgebreitet hat, geschehen Reinfektionen häufig. Und es macht stutzig, dass sich Leute manchmal mit Omikron sogar zweimal anstecken und deutliche Symptome haben.
Wer ist der Übeltäter? Die alten Varianten? Omikron? Gar das viele Impfen?
Sicher ist, dass die erste Infektion mit einem neuen Virus das Immunsystem nachhaltig prägt. Die Prägung wird Antigen-Erbsünde genannt: Wird das Immunsystem mit neuen Varianten konfrontiert, dann reagiert es grösstenteils nur auf die bereits bekannten molekularen Abschnitte. Das Neue wird ignoriert. Das ist von Vorteil, weil so die bereits auf das Virus trainierten Antikörper zum Zug kommen, welche viel schneller reagieren können. Die noch auf kein Virus geprägten Antikörper produzierenden Zellen halten mit dieser Geschwindigkeit nicht mit.
Das bedeutet dann aber auch, dass kaum Antikörper gebildet werden, die exakt auf die neue Variante passen. Jedenfalls vorderhand. Liegt die letzte Infektion hingegen schon ein Jahr zurück, dann ist die Zahl der bestehenden Antikörper schon so sehr gesunken, dass neue zum Zug kommen, also unspezifische, die sich nun exakt anpassen. Auch nach der jährlichen Grippeimpfung kann sich das Immunsystem wieder auf das veränderte Virus ausrichten.
Wegen dieses Mechanismus hat der erste Omikron-spezifische Impfstoff von Moderna, der an bereits geimpften Rhesusaffen und Mäusen getestet wurde, nicht funktioniert: Er wirkte nicht besser als der alte.
«Alles kein Grund zur Aufregung», findet der Berliner Immunologe Andreas Radbruch, «denn dass das Immunsystem für neue Varianten etwas blind wird, bezieht sich auf den Schutz vor Infektion. Der Schutz vor schwerer Krankheit und Tod bleibt sehr gut.»
Andere Wissenschafter weisen jedoch darauf hin, dass wenigstens die Zahl der alten Antikörper noch einmal hätte steigen müssen. Was nicht der Fall war. Und überhaupt: Bedeutet die neue Studie, dass die Superimmunität nur so lange gilt, wie das Virus nicht zu stark mutiert?
Gemach. Christian Münz, Immunologe an der Universität Zürich hat nämlich eine zusätzliche Erklärung für die vermeintlich überraschende und beunruhigende Studie: «Der Boosting-Effekt durch eine Infektion hängt stark davon ab, wie heftig jemand erkrankt oder wie vielen Viren er ausgesetzt ist. Wenn Omikron viele Personen nahezu asymptomatisch infiziert, kann die damit einhergehende Stimulation der bestehenden Immunität sehr gering sein.»
Dies gilt gerade bei Personen, die nicht nur geimpft sind, sondern zuvor auch noch infiziert worden waren: Denn wenn wie bei einer Superimmunität die bestehenden Gedächtniszellen das Virus schnell erledigen, bleibt kaum eine neue, angepasste Immunerinnerung zurück.
Und nicht nur dann: «Selbst wenn es Omikron gelingt, sich im Körper etwas mehr zu verbreiten, würden immer noch zuerst die kreuzreaktiven T-Abwehrzellen aktiviert», sagt Münz, also jene Gedächtniszellen von früher, die noch zur neuen Variante passen. «Nur wenn die Omikron-Infektion noch schwerer ausfällt, werden vermutlich neue Omikron-spezifische Immunantworten und Antikörper geprägt.»
Nur Letztere würden tatsächlich eine spätere Infektion verhindern. T-Zellen schützen vor allem vor einer schlimmen Erkrankungen. Die unterschiedlichen Schlussfolgerungen aus den Studien könnten auf dieser Abstufung der Immunreaktion beruhen, meint Münz. Und er gibt zu bedenken: «Wir sahen in der Schweiz viele milde Omikron-Infektionen, welche dann die messbare Immunität gegen SARS-CoV-2 nur minimal anheben.»
Allerdings könnte sich dies nun wegen der Omikron-Variante BA.5 ändern: Diese Variante scheint die Lunge wieder stärker zu befallen und es gibt Berichte von stärker verstopfter Nase.
Es ist also verhext: Entweder man erkrankt kaum und ist danach schlecht vor weiteren Infektionen geschützt – oder man wird richtig krank und dafür nicht so schnell wieder.
Dies gilt es auch zu bedenken, bevor man die Impfung als letzter möglicher Übeltäter verdächtigt: Es stimmt, dass jemand, der weder geimpft noch genesen und erstmals an Omikron erkrankt, danach eine Immunität hätte, die perfekt auf die Variante passt. Allerdings ist man während der Infektion dann natürlich nicht gegen schwere Krankheit oder Tod geschützt.
Und wie gut ist man vor Omikron geschützt, wenn man dann genesen ist? Eine Studie aus Qatar, die ebenfalls in diesen Tagen im New England Journal of Medecine erschien (Link hier und hier), zeigt alle verschiedenen Szenarien:
Die Studien widersprechen sich also vermutlich gar nicht: Je öfter wir geimpft wurden oder mit dem ursprünglichen Virus konfrontiert wurden, desto schlechter lässt sich das Immunsystem innerhalb nur kurzer Zeit auf Neues prägen. Aber dennoch gilt: Je öfter wir mit irgendeiner Variante von Sars-CoV-2 konfrontiert sind und je öfter wir geimpft wurden, desto besser sind wir vor symptomatischer Krankheit oder Tod geschützt.
Und was heisst das für die vierte Impfung? Immunologe Radbruch findet, wenn das Immunsystem nun gesättigt sei und deshalb seine Flexibilität vorübergehend verloren habe, dann spreche das eigentlich gegen eine 4. Impfung. Jedenfalls für jene, «die sich nicht wirklich bräuchten».
Auch eine neu erschienene «Nature»-Studie stellt in Frage, ob ein neuer Omikron-Booster, zumindest einer, der auf BA.1 basiert, überhaupt Sinn macht: Die Analysen ergaben, dass selbst nach einer Infektion mit BA.1 bei Geimpften vor allem die alten Antikörper der Ursprungsvariante reaktiviert wurden.
Wenn man jedoch die gesunkenen Antikörperzahl hochjagen will oder muss, um den Schutz vor Ansteckung für ein paar Monate wieder zu erhöhen, dann kann auch die vierte Impfung Sinn machen. Auf jeden Fall Sinn macht ein erneuter Booster nach rund einem Jahr: Dann ist das Immunsystem wieder breit für Neues. (aargauerzeitung.ch)
Im prinzip sind wir auf dem richtigen weg, die einzige chance auf ausrottung haben wir im ersten halben jahr vergeben, jetzt müssen wir einfach darauf hoffen das sich keine mördervariante entwickelt und bis dahin läufts gleich wie bei den Influenza Viren mit saisonalen Infektionen.