Google lanciert neue Funktion für Schweizer ÖV – und will der SBB Konkurrenz machen
Vom «besten Update seit Jahren» für Google Maps berichtete die Zeitung «Daily Mail» im üblichen marktschreierischen Ton. Das neue Feature sei ein «Lebensretter». Zuerst wurde die neue Funktion in London lanciert. Nun kommt sie auch in die Schweiz.
Ganz so revolutionär ist sie zwar nicht. Doch sie kann den Nutzerinnen und Nutzern des öffentlichen Verkehrs das Leben durchaus vereinfachen.
Worum es geht: Bei Fahrten mit Zügen wird bei gewissen Verbindungen neu in der App Google Maps angegeben, welche Ein- und Ausgänge an den Bahnhöfen man nutzen sollte und wo man in den Zug einsteigen sollte – vorne, in der Mitte oder hinten – um möglichst schnell umsteigen zu können oder den Zielbahnhof schnell wieder verlassen zu können.
Vor kurzem wurde die Funktion für erste Verbindungen in der Schweiz lanciert. Konkret tauchen die Informationen bei Abfragen von Fahrten mit der S-Bahn Zürich auf, die einen Ein-, Aus- oder Umstieg an bestimmten Bahnhöfen beinhalten. Die Daten wurden gemäss Google-Sprecher Samuel Leiser von Google selbst erhoben.
Derzeit gebe es keine konkreten Pläne für eine Ausdehnung der Funktion auf weitere Schweizer Städte oder Regionen. Auch im Netz der S-Bahn Zürich sind noch nicht alle Bahnhöfe mit entsprechenden Informationen hinterlegt. «Potenziell und zukünftig» könnte die Funktion aber auch für Fernverkehrszüge der SBB aufgeschaltet werden, sagt Leiser.
Mit Google Maps will der Konzern nicht nur eine Alternative zu anderen Navigations-Apps bieten, sondern die ganze Welt der Mobilität abdecken. Im Idealfall sollen künftig dort etwa Tickets für den öffentlichen Verkehr gekauft werden können, aber auch Buchungen für Elektroscooter oder Leihvelos möglich sein.
Am Weitesten gediehen ist die Zusammenarbeit hierzulande mit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), der für den öffentlichen Verkehr im Raum Zürich verantwortlich ist. Bei Verbindungsabfragen in seinem Gebiet kann seit Juli 2024 mit einem Klick das passende Ticket im Onlineshop gekauft werden. Seither sind zudem Echtzeitdaten der Verkehrsmittel des Verbunds in Google Maps hinterlegt. Die Neuerungen seien auch für Touristinnen und Touristen interessant, teilte der Verkehrsverbund mit.
Furcht vor externen Anbietern
Diese Integration habe sich bewährt, sagt ZVV-Sprecherin Cristina Maurer nun, ein Jahr nach ihrer Einführung. Die Nutzungszahlen hätten sich in diesem Jahr weiter nach oben entwickelt. «Wir sehen, dass bestimmte Kundengruppen den einfachen Zugang zu Tickets direkt aus einer vertrauten App schätzen».
Aktuell seien keine weiteren Integrationen mit anderen Apps wie etwa Uber geplant. Der ZVV sei aber grundsätzlich offen für Kooperationen, «wenn sie den Zugang zum öffentlichen Verkehr vereinfachen und unseren Fahrgästen einen Mehrwert bieten».
Nicht alle ÖV-Unternehmen sehen dies so entspannt. Viele wollen stattdessen den Vertrieb von Tickets bei sich behalten. Dahinter steckt auch die Sorge, dass Anbieter von Navigations-Apps wie Google oder Uber mit Schweizer ÖV-Tickets Gewinne schreiben oder mit Rabattaktionen Nutzerinnen und Nutzer auf ihre Plattformen ziehen könnten.
Uber will Tickets verkaufen
Im Fall der ZVV-Integration erhält Google allerdings weder eine Kommission noch Einfluss auf die Preise, da der Kauf von Billetten weiterhin auf den Kanälen des Verkehrsverbunds abgewickelt wird. Zu diesen wird in der Google-App lediglich verlinkt.
Neben Google versucht insbesondere der US-Fahrdienstanbieter Uber, seine App als Möglichkeit für alle Mobilitäts-Bedürfnisse zu etablieren. So wurde der Fahrplan des hiesigen öffentlichen Verkehrs bereits integriert. Zudem können etwa E-Scooter in der App gesucht und gebucht werden. Bereits 2022 sagte Uber-Schweiz-Chef Jean-Pascal Aribot zu CH Media, er diskutiere die Möglichkeit des Ticketverkaufs in seiner App mit verschiedenen Verkehrsunternehmen wie SBB und BLS.
«Es gibt von beiden Seiten ein Interesse daran, die jeweiligen Kundschaften zu erreichen. Ich denke da besonders an Touristen und Geschäftsreisende, die sich mit dem lokalen ÖV-System nicht auskennen», so Aribot. Allerdings scheinen die Bedenken der Verkehrsbetriebe bisher zu gross gewesen zu sein für diesen Schritt.
Die App sammelt präzise Standortdaten – per GPS, WLAN, Bluetooth, Funkzellen –, oft im Hintergrund. Aus diesen Punkten entstehen Bewegungsprofile: Wo jemand wohnt, arbeitet, einkauft, wie lange man sich wo aufhält und wen man wahrscheinlich trifft.
Der US-Techkonzern erhält so wertvollste Metadaten, die weit über das hinausgehen, was die Nutzerinnen und Nutzer aktiv preisgeben würden.
Hinzu kommen Transparenz- und Einwilligungsprobleme: Den Usern wird durch relativ komplizierte App-Einstellungen erschwert, die eigene Smartphone-Nutzung datenschutzfreundlich zu gestalten. (dsc)
(aargauerzeitung.ch)