Zehn Gramm Gras pro Tag: Diese Menge sollen Vereinsmitglieder in den Räumlichkeiten des Cannabis-Clubs für den Eigengebrauch maximal beziehen dürfen. Der grüne Stoff kommt ausschliesslich aus staatlich kontrolliertem Anbau. Geraucht wird zu Hause.
So stellt sich die Stadt Genf die Zukunft des Marihuanakonsums in der Schweiz vor. Die Vorteile liegen aus Sicht der Behörden auf der Hand: Die nichtkommerziellen Clubs entziehen den Dealern die Geschäftsgrundlage und erhöhen so das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Sie holen Gelegenheitskiffer aus der Illegalität und entlasten damit Polizei und Justiz. Sie helfen Personen mit problematischem Suchtverhalten und bieten im Gegensatz zum Schwarzmarkt sauberen, ungestreckten Stoff an.
Genf steht an der Spitze von mehreren grossen Schweizer Städten, die sich vorstellen können, Cannabis für ein Pilotprojekt zu entkriminalisieren. Die Drogendealer in der Rhonestadt sind omnipräsent, weshalb sich alle Parteien mit Ausnahme der SVP beteiligen. Prominenteste Befürworterin ist alt Bundesrätin Ruth Dreifuss.
Auch die Regierungen von Basel, Zürich und Bern interessieren sich für das Genfer Modell, das es in ähnlicher Form schon in Spanien und anderen Ländern gibt. Sie schicken Polizeikommandanten und Gesundheitsverantwortliche zu gemeinsamen Treffen, um über die rechtlichen und praktischen Hürden zu sprechen. Nächster Sitzungstermin der Arbeitsgruppe ist gemäss «Nordwestschweiz»-Informationen Ende September.
Zusammen vertreten die beteiligten Städte knapp eine Million Einwohner. Das gibt ihnen politische Schlagkraft. Dennoch steht ihr Experiment aus juristischer Sicht auf einem wackeligen Fundament. Das Betäubungsmittelgesetz untersagt Anbau und Abgabe von Marihuana ohne Wenn und Aber. Einzig das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kann Ausnahmebewilligungen für die Forschung, die Arzneimittelentwicklung oder medizinische Zwecke erteilen.
Aktuell verfügen in der Schweiz zwei Firmen und zwei Universitäten über eine Bewilligung für wissenschaftliche Forschung mit Marihuana. Eine weitere Firma darf Cannabis zur medizinischen Anwendung anbauen. Namen gibt das BAG aus Datenschutz- und Sicherheitsgründen nicht bekannt.
Die zentrale Frage für die Städte lautet: Erfüllen Kiffervereine die Kriterien für eine Ausnahmebewilligung? Das BAG winkt ab, noch bevor ein Gesuch vorliegt: «Wir sind der Ansicht, dass sich ein Cannabis-Club nicht mit dem Betäubungsmittelgesetz vereinbaren lässt», schreibt das Bundesamt von Gesundheitsminister Alain Berset auf Anfrage. «Das Betäubungsmittelgesetz zielt auf Ausnahmebewilligungen zu medizinischen Zwecken. Es ist keine Basis für die Clubs. Diese wenden sich explizit nicht an kranke Menschen, sondern an Erwachsene, die Cannabis zu rekreativen Zwecken konsumieren.» Die Absage aus Bern dürfte damit nur noch Formsache sein.
Vielleicht auch deshalb brachte Soziologieprofessor Sandro Cattacin, Leiter des Genfer Pilotprojektes, in der Zeitung «Der Bund» die Option einer «toleranten Auslegung des Gesetzes» ins Spiel. Rechtliche Basis für die Cannabis-Clubs wäre Artikel 19b im Betäubungsmittelgesetz, der die Abgabe von weniger als zehn Gramm als «nicht strafbar» bezeichnet.
Faktisch dürfte die breitflächige Einführung von Kiffervereinen ohne erneute Revision des Betäubungsmittelgesetzes kaum Chancen haben. Auf Unterstützung aus dem Parlament können die Städte derzeit aber nicht zählen. Selbst linken Parlamentariern ist nach der gescheiterten Legalisierung 2004 und den 66,3 Prozent Nein-Stimmen zur Hanfinitiative 2008 die Lust am Thema vergangen. In der Sommersession unterzeichneten zwar alle SP-Nationalräte ein Postulat, das den Bundesrat beauftragt, die Aktivitäten der Städte und Kantone zu beobachten und bis 2017 Bericht zu erstatten. Doch mehr liegt nicht drin.
Bis zu einer allfälligen Legalisierung müssen sich die laut Umfragen 220'000 Kiffer hierzulande über illegale Kanäle mit Gras und Haschisch eindecken. Anders als früher müssen sie seit dem 1. Oktober 2013 immerhin nicht mehr mit einem Strafverfahren rechnen. Bei unter zehn Gramm gibt es eine einfache Ordnungsbusse von 100 Franken.