Strom sparen durch effizienteren Verbrauch – dieses Ziel strebte die vor vier Jahren eingereichte Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung» an. Eine Abstimmung darüber findet nicht statt. Nach der Verabschiedung des neuen Energiegesetzes im letzten Herbst wurde die Stromeffizienz-Initiative, wie sie kurz genannt wurde, zurückgezogen.
Mit der Verankerung des Stromverbrauchsziels im Gesetz habe die Initiative ihren Zweck erfüllt, teilte das vom Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser präsidierte Initiativkomitee mit. Zu seinen Mitgliedern gehörte auch Nosers Parteikollege Kurt Fluri, Nationalrat und Stadtpräsident von Solothurn. Nun aber wirbt Fluri für ein Nein, während Noser sich für das Gesetz engagiert.
Seinen Einsatz gegen das Gesetz erachtet Fluri nicht als Widerspruch zum früheren Engagement für mehr Stromeffizienz: «Die entsprechenden Vorschriften, die ja dem Gegenvorschlag zur Initiative entstammen, sind unbestritten. Sie werden auch in einer Neuauflage enthalten sein», meint der Solothurner, der es mit seiner Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative zu nationaler Bekanntheit gebracht hat.
Kurt Fluris Opposition ist aus einem weiteren Grund pikant. Er ist Präsident der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SLS), die sich wie alle grossen Umweltverbände für die Energiestrategie 2050 ausgesprochen hat. Fluri aber engagiert sich im Umwelt-Komitee gegen das Energiegesetz, dessen Kampagne vom 21-jährigen Grenchner Elias Meier geleitet wird.
Mit der Energiestrategie 2050 hat Fluri ein grundsätzliches Problem. Sie sei nach der Katastrophe von Fukushima praktisch im Alleingang vom Bundesamt für Energie (BFE) entwickelt worden, aufgehängt am Atomausstieg. «Die dadurch entstehenden Produktionsausfälle will man unter anderem mit Eingriffen in Natur und Landschaft kompensieren», sagt der FDP-Nationalrat.
Fluri zeichnet ein düsteres Bild: Bis zu 1000 Windanlagen seien geplant. Diese könnten praktisch nur im Jura und in den Voralpen errichtet werden «und zwar auf den Kreten». Bislang unverbaute Wasserläufe könnten für die Stromproduktion genutzt werden.
«Selbst die Greina-Ebene kann geflutet werden, weil das ‹Nationale Interesse› sehr niederschwellig definiert wird», behauptet Fluri. Die landschaftlich beeindruckende Hochebene zwischen Graubünden und Tessin war vor 30 Jahren vor genau einem solchen Schicksal gerettet worden.
Über solche Argumente kann sein Parteikollege Ruedi Noser nur den Kopf schütteln. Kurt Fluri befinde sich «auf dem Holzweg», sagt der IT-Unternehmer. «Für Eingriffe in die Landschaft gibt es sehr restriktive Bewilligungsverfahren, inklusive Verbandsbeschwerderecht.» Ein Weiterzug sei bis vor Bundesgericht möglich. Eine Verschandelung der Natur liege deshalb gar nicht drin.
Die Ziele der Stromeffizienz-Initiative hingegen seien im Gesetz 1:1 umgesetzt worden. Nicht nur deshalb engagiert sich Noser für die Energiestrategie, unter anderem in der SRF-«Arena». Das Gesetz sei «sehr pragmatisch». Man müsse es einfach ausprobieren. «Wenn es nicht anders geht, wird sich die Bevölkerung für ein neues Grosskraftwerk aussprechen, da bin ich mir sicher.»
Ob es sich um ein Gaskombikraftwerk handeln wird, lässt der FDP-Ständerat bewusst offen. «Wer weiss schon, wie weit die Innovation in zehn Jahren fortgeschritten sein wird?» Dabei denkt Noser nicht zuletzt an neue Speichertechnologien für Solarstrom. Für die Abstimmung vom 21. Mai ist er zuversichtlich: «Die Bevölkerung merkt, dass die Gegner mit ihrer Kampagne übertreiben.»
Als Beispiel erwähnt er die Warnung vor dem Import von «dreckigem» Kohlestrom aus Deutschland. Das sei ein dümmliches Argument: «Es spielt keine Rolle, ob wir diesen Strom direkt importieren oder in Form von VWs», meint Noser in Anspielung auf die deutsche Autoindustrie. Denn «produzierter Strom wird auch verbraucht».
Der Gegensatz zwischen Kurt Fluri und Ruedi Noser steht exemplarisch für eine Vorlage, die Interessengruppen, Branchen und Organisationen entzweit wie selten eine Abstimmung zuvor. Gerade die Freisinnigen sind tief gespalten. Ihre Delegiertenversammlung beschloss die Ja-Parole nur knapp mit 175 zu 163 Stimmen. Exponenten der FDP engagieren sich in beiden Lagern.
Kurt Fluri beurteilt die Diskrepanz zum einstigen Effizienz-Mitstreiter Ruedi Noser in gewohnt nüchterner Art: «Für ihn ist die Gesamtbilanz positiv, für mich negativ.» Man kann es auch so sagen: Für Ständerat Noser ist beim Energiegesetz das Glas halb voll, für Nationalrat Fluri halb leer.