Am 31. Januar wurde Benoît Violier tot aufgefunden. Der Sternekoch aus Crissier hatte sich das Leben genommen. Jetzt – einen Tag nach Violiers Beerdigung – tauchen Hinweise auf, wonac der «Mozart der Gastronomie» das Opfer einer umfangreichen Betrügerei geworden sein könnte.
Laut dem Westschweizer Wirtschaftsmagazin «Bilan» hatte der Starkoch bedeutende Beträge in teure Weine investiert und in der Folge aufgrund betrügerischer Machenschaften der Walliser Gesellschaft Private Finance Partners verloren. Die Gesellschaft wurde am 30. November 2015 Konkurs erklärt.
Der Walliser Financier B. und sein Geschäftspartner E. boten gemäss «Bilan» seltene und gesuchte Weine an. Mehrere Gastronomen, darunter Violier, hätten die Weine bestellt, aber nie erhalten. Unter den Betrugsopfern sollen sich zahlreiche Schweizer Restaurateure befinden, auch bekannte Namen wie Frédy Girardet und der inzwischen verstorbene Philippe Rochat.
Ein prominenter Deutschschweizer Gastronom, der zum Kreis der düpierten Weinabnehmer zählt und anonym bleiben möchte, sagte «Bilan»: «B. war seit Jahren Kunde von mir. Wir haben mit der Zeit Freundschaft geschlossen. Wir waren zusammen in Bordeaux, um noch nicht ausgereifte Weine zu degustieren.»
Im Mai 2015 habe B. dem Deutschschweizer Chefkoch vorgeschlagen, Geld in den Kauf von Flaschen aus dem Weingut Henri Jayere im Burgund zu investieren – den teuersten Weinen der Welt, wie «Bilan» unter Hinweis auf einschlägige Websites erklärt. Die Weine sollten dann am 6. Dezember bei einer Versteigerung in Genf unter den Hammer kommen.
Dem Deutschschweizer Gastronomen stellte B. einen Gewinn von 40 Prozent in Aussicht. Ein Posten von zwölf Flaschen des Jahrgangs 1985 erzielte 264'000 Franken, ein weiterer Posten von sechs Flaschen ging für 216'000 Franken weg. Doch der Chefkoch, der B. 250'000 Franken überwiesen hatte, sah davon nichts. Er konnte B. seit August telefonisch nicht mehr erreichen. Der Walliser beantwortete auch keine SMS mehr.
Im Oktober erfuhr der Gastronom dann, dass B. schon seit mehr als einem Monat in Untersuchungshaft sass. Gegen den Finanzmann und seine Gesellschaft waren Strafklagen eingereicht worden. Die Nachlassverwalter des im vergangenen Mai verstorbenen Philippe Rochat hatten nach Informationen von «Bilan» in dessen Nachlass Dokumente gefunden, aus denen hervorging, dass B. Rochat rund 700'000 Franken schuldete.
Frédy Girardet, der von «Bilan» zu dieser Affäre befragt wurde, wollte sich nicht dazu äussern. Er habe auch keine Stellung zu den Gerüchten genommen, wonach er Millionen verloren habe und zu den ersten Klägern gehöre.
Auch Benoît Violier soll es so ergangen sein wie dem Deutschschweizer Chefkoch. B. sei Ende Januar aus der Haft entlassen worden sein – wenige Stunden, bevor Violier aus dem Leben schied.
B. und E. sollen die gleiche Flasche Wein verschiedenen Gastronomen verkauft haben – bis zu viermal, bei Preisen von 20'000 bis 40'000 Franken pro Flasche. Auf diese Weise sollen B. und sein Partner 20 Millionen Franken kassiert haben, während sie lediglich über Weinflaschen im Wert von 10 Millionen Franken verfügten.
Der Anwalt eines der mutmasslichen Betrügers widersprich nun dem Bericht von «Bilan». Gegenüber «20 Minutes» sagte Michel Ducrot, Violier gehöre nicht zu den Geschädigten. Zwar sei ein Sternekoch unter den zehn Klägern, dabei handle es sich aber nicht um Violier. Auch Grégoire Rey, Anwalt der Kläger, verwehrt sich der Darstellung Bilans. Es könne zum aktuellen Zeitpunkt der Ermittlungen nicht davon ausgegangen werden, dass der Tod Violiers in einem Zusammenhang mit den betrügerischen Praktiken der Walliser Firma stünden, so Rey gegenüber «20 Minutes».
Überdies soll B. gemäss «Bilan» auch bei Violiers Betrieb, der zu den Grossabnehmern von B.s Weinen gehörte, Schulden haben. Dies nicht nur aufgrund von bezahlten, aber nie gelieferten Weinflaschen, sondern auch, weil B. – der jeden Tag bei einem Spitzenkoch zu dinieren pflegte – seinen 40. Geburtstag in Violiers Restaurant gefeiert hatte. Die Rechnung für diese Festlichkeit belief sich auf 500'000 Franken – die nie bezahlt wurden, wie «Bilan» vermutet. Violiers Betrieb soll in der «Affäre B.» insgesamt eine halbe bis zwei Millionen Franken Verlust eingefahren haben.
Vor diesem Hintergrund stellt «Bilan» sich die Frage, ob der Selbstmord des Starkochs etwas mit diesen Verlusten zu tun haben könnte. Auf jeden Fall seien «die letzten Monate im Leben des berühmten Chefkochs ziemlich unruhig» verlaufen, schreibt das Wirtschaftsmagazin.