Der politische Geschlechtergraben ist real: Immer mehr junge Männer sehen sich rechts der Mitte, immer mehr junge Frauen bewegen sich politisch nach links. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sotomo, das eine Auswertung im Auftrag der «NZZ am Sonntag» durchgeführt hat.
Für die Umfrage wurden sämtliche Befragungen nach Abstimmungen seit 1990 ausgewertet. Die zentrale Frage war dabei immer die gleiche:
Dabei kam es zu einer deutlichen Veränderung in den vergangenen zehn Jahren, insbesondere bei jungen Menschen. Vor etwas mehr als zehn Jahren sahen sich 35 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 links der Mitte. Heute sind es 52 Prozent.
Auch bei den Männern zeigt sich eine Veränderung. 29 Prozent der jungen Männer in der derselben Altersspanne sahen sich rechts der Mitte. Heute sind es 43 Prozent.
Junge Männer und junge Frauen driften politisch auseinander. Das zeigen auch die Urnengänge der letzten drei Jahre. In dieser Zeit gab es zahlreiche Abstimmungen, in denen die Voten der Männergesamtheit und jene der Frauen deutlich auseinanderklafften: Die Frauen wollen etwas anderes als die Männer. Und die Frauen befürworten häufig linkere Themen wie Umweltschutz oder einen starken Sozialstaat. Männer hingegen sprechen sich tendenziell für mehr Armee und Polizei, restriktivere Migrationspolitik und mehr wirtschaftliche Freiheiten aus.
Besonders deutlich wurde der Graben bei der Abstimmung um die Reform der AHV. Bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer sagten 66 Prozent der Männer «Ja». Bei den Frauen lediglich 45 Prozent, eine Differenz von 21 Prozentpunkten. Noch deutlicher war der Unterschied bei der zweiten Massnahme, der Erhöhung des Rentenalters für Frauen: 64 Prozent der Männer waren dafür, dem standen 38 Prozent Ja-Stimmen bei den Frauen gegenüber: Macht sogar 26 Prozent Differenz.
Bei dieser Abstimmung mag der Geschlechtergraben einfach nachvollziehbar sein, da es um eine Vorlage ging, in welcher ein Geschlecht direkt und anders betroffen ist als das andere. Doch die Sotomo-Umfrage zeigt auch, dass gleich in neun Abstimmungen eine Geschlechterdifferenz von mehr als 7 Prozent registriert wurde (bei der Seite, die die Abstimmung letztlich gewann). Die Männer behielten dabei mehrheitlich das bessere Ende für sich: In drei von neun Abstimmungen obsiegten die Frauen, sechs wurden von den Männern gewonnen.
Die genauen Ursachen für das Auseinanderdriften sind unklar, Erklärungsansätze jedoch sind durchaus vorhanden: Feminismus und Gender-Themen haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Während sich Frauen damit identifizieren, können sich Männer davon unter Druck gesetzt fühlen.
Oder eine andere Erklärung: Die Maturitätsquote ist bei jungen Frauen deutlich höher als bei Männern. Dadurch gibt es mehr Akademikerinnen als Akademiker und Akademiker wählen häufiger links als Nicht-Akademiker.
Und nicht zuletzt könnte auch die Popularisierung dieser Themen bei der Vertiefung des Grabens eine Rolle spielen. Sotomo-Politgeograf Michael Herrmann warnt gegenüber der «NZZ am Sonntag»:
Bei linken Parteien sind Gender-Themen wichtiger Bestandteil der politischen Agenda. Auf der anderen Seite betreibt die SVP Wahlkampf, indem sie den Kampf dagegen ausgerufen hat. Exemplarisch zeigte sich das am jüngst abgesagten Gender-Tag in Stäfa, nachdem SVP-Brandstifter Andreas Glarner auf Twitter Stimmung gegen diesen gemacht hatte.
(con)
Zur Erklärung der politischen Differenzen vielleicht noch dies:
Frauen haben sehr viel zu verlieren, wenn (ganz) Rechts an die Macht kommt- es wird uns jeden Tag vor Augen geführt. Siehe z.B momentan USA.
Die lückenhafte Darstellung der Daten lässt leider keinen Rückschluss zu, ob die Veränderungen tatsächlich einem Auseinderdriften der Geschlechter, oder vielmehr einer Polarisierung der Jungen geschuldet ist…