SVP umgarnt freisinnige EU-Skeptiker – und vermeldet markanten Mitgliederzuwachs
Sie preist sich als politische Alternative für enttäuschte Freisinnige: Mit grossen Inseraten in der Schweizer Presse lud die SVP am letzten Wochenende FDP-Wähler und -Mitglieder dazu ein, sich der SVP anzuschliessen. Mit dem unkonventionellen Politmarketing reagiert die SVP auf einen europafreundlichen Entscheid der FDP-Delegierten in Bern. Vor zwei Wochen hiessen diese mit einer Dreiviertelmehrheit das neue Vertragspaket mit Brüssel gut. Auch das Ständemehr lehnten die Delegierten relativ klar ab.
Fruchten die Bemühungen der SVP? «Das Inserat hat noch einmal zu einem Mitgliederschub geführt», sagt Präsident Marcel Dettling, der neuerdings vermehrt mit Hellebarde unterwegs ist, um die EU-Verträge medienwirksam aufzuspiessen. Der Tenor laute, die SVP sei noch die einzige Partei, die sich für Freiheit und Unabhängigkeit einsetze. Wie viele Neo-Mitglieder tatsächlich von der FDP stammen, weiss der Schwyzer Nationalrat nicht. Auch verrät er keine konkreten Wachstumszahlen.
Recherchen von CH Media zeigen: Aktuell dürfte der SVP-Mitgliederbestand pro Woche um eine hohe dreistellige Zahl wachsen. Sprunghaft angestiegen ist der Zustrom nach dem Entscheid der FDP-Delegierten. Zum Vergleich: Bevor die SVP am 1. August ihre Kampagne gegen das EU-Paket intensivierte, stiess wöchentlich bloss eine zweistellige Zahl neuer Mitglieder zur Partei.
Spurlos ist die Delegiertenversammlung nicht an der FDP vorbeigegangen. Filippo Leutenegger, Präsident der Zürcher FDP, war Wortführer gegen das EU-Paket. In seinem Kanton habe es nach der DV mehrere Dutzend Austritte gegeben, sagte er gegenüber CH Media. Es ist ein Szenario, vor dem sich der Schwyzer Kantonsrat Reto Keller auf X befürchtet hat: «Und wir an der Basis ernten Parteiaustritte.»
Des einen Befreiungsschlag.
— Reto Keller (@RetoBKeller) October 19, 2025
Und wir an der Basis ernten Parteiaustritte. https://t.co/Q8QHVd5qul
Allein in seinem Wohnort Einsiedeln hätten einige wenige Mitglieder der Partei den Rücken gekehrt, darunter auch langjährige Mandatsträger. Zur SVP hinübergelaufen sei aber niemand von ihnen. Keller gehört im Freisinn zum Lager der EU-Skeptiker.
Dettling findet es nicht unfair, per Inserat im Teich der politischen Konkurrenz zu fischen. «Wir bieten politisch heimatlos gewordenen Freisinnigen quasi Asyl im Schnellverfahren. Wir sind um jedes Mitglied froh, das den Unterwerfungsvertrag bekämpft.»
Neuer FDP-Co-Präsident nimmt es mit Humor
Mit einem Augenzwingern reagiert der neue FDP-Co-Präsident Benjamin Mühlemann auf die Inserateaktion. «Ich bin begeistert. Die SVP verbrennt Hunderttausende Franken an Vereinsvermögen für eine Kampagne, von der niemand anderes profitiert als die Zeitungsverlage.» Das Schönste daran sei, «dass wir bei der FDP sogar Eintritte von Leuten hatten, die das Formular im Inserat kurzerhand umetikettiert haben». Viele hätten einfach genug von diesem Hellebarden-Klamauk.
Auch die FDP lässt sich keine genauen Angaben zur Mitgliederentwicklung entlocken. Die Partei habe nach der DV in den Kantonen vereinzelt Austritte, aber auch neue Eintritte verzeichnet, teilt sie mit. Und Mühlemann sagt: «Wir haben sehr viele und fast ausschliesslich positive Rückmeldungen zur Delegiertenversammlung erhalten.» (aargauerzeitung.ch)
