Ignazio Cassis dürfte es recht sein: Das Kandidaten-Karussell für die Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter nimmt Fahrt auf. Damit steht der Tessiner Kronfavorit nicht mehr alleine im medialen Scheinwerferlicht.
Über das Wochenende bestätigte sich, dass die Westschweizer Freisinnigen ihren Bundesratssitz nicht kampflos dem Tessin überlassen wollen. Gut möglich, dass die FDP mit einem Zweierticket zur Wahl am 20. September antreten wird – das fordert via «SonntagsZeitung» nicht nur die Konkurrenz, sondern auch Frédéric Borloz, Präsident der Waadtländer FDP. Denn Kandidaten von ausserhalb des Tessins hätten nur eine Chance, wenn die Freisinnigen eine Auswahl präsentieren würden.
Borloz’ potenzielle Papabili haben allerdings ein Problem: Mit Guy Parmelin stellt die Waadt bereits einen Bundesrat. Die Kantonsklausel wurde zwar abgeschafft – so sitzen mit Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Johann Schneider-Ammann derzeit zwei Berner in der Landesregierung – doch ein zweiter Vaudois und damit dritter Romand wäre für die Tessiner ein veritabler Affront. Der Südkanton ist seit dem Rücktritt von Flavio Cotti 1999 nicht mehr im Bundesrat vertreten.
Doch auch in der Romandie kommt der Waadtländer Anspruch schlecht an. «Zwei Waadtländer im Bundesrat wären problematisch», sagt Alexandre de Senarclens, Präsident der Genfer FDP. Er hält aber auch fest: «Wir dürfen die Auswahl nicht auf das Tessin beschränken.» Nebst der Herkunft gebe es auch andere wichtige Kriterien zu berücksichtigen – wie politische Ausrichtung, Alter und Geschlecht.
So zeichnet sich ab, dass die Westschweizer die Tessiner nur mit einer Frauen-Kandidatur ernsthaft konkurrenzieren können. Diese Überlegungen machen sich denn auch die Waadtländer FDP-Nationalräte. Olivier Feller begründete seinen Verzicht auf eine Kandidatur mit den geringen Aussichten. Er habe keine Lust, sein Geschlecht zu ändern. Parteikollege Laurent Wehrli nahm diesen Spruch im Westschweizer Radio RTS auf: «Ich bin gerne ein Mann.»
Somit richten sich alle Augen auf Isabelle Moret. Gegenüber diversen Medien bestätigte die Waadtländer Sozial- und Gesundheitspolitikerin, dass sie sich bis Ende Juli entscheide, ob sie ins Rennen steige. Die Waadtländer Staatsrätin Jacqueline de Quattro sagte der «NZZ am Sonntag»: «Moret ist die natürliche Kandidatin. Wenn sie antritt, unterstütze ich sie voll und ganz.» Verzichte ihre Freundin aber, überlege sie sich, selbst zu kandidieren. «Wir brauchen unbedingt eine Frauenkandidatur.»
Und was ist mit den übrigen Westschweizer Sektionen? Keine Kandidatur kommt aus dem Wallis. Der junge Nationalrat Philippe Nantermod hat sich aus dem Rennen genommen, eine Kandidatur wäre nicht glaubwürdig. In Neuenburg steht Regierungsrat Laurent Favre im Vordergrund. Er hat den Vorteil, dass er in Bern kein Unbekannter ist: Zwischen 2007 und 2014 vertrat Favre seinen Kanton im Nationalrat.
Bleibt der Kanton Genf. Der grosse Schweigende im Moment heisst Pierre Maudet. Alt Bundesrat Pascal Couchepin hat dem Genfer Staatsrat schon vor bald zehn Jahren Bundesratsformat zugesprochen. Der 39-Jährige gilt als ambitioniert, visionär und kompetent.
Aber drei Gründe sprechen gegen ihn: Die Übervertretung der Romands in der Regierung, die fehlende Politerfahrung im Bundeshaus und die anstehenden Wahlen im Kanton Genf. Seine Partei hat ihn erst kürzlich als Kandidaten für den Staatsrat nominiert. «Maudet wäre eine Bereicherung für den Bundesrat», ist Alexandre de Senarclens überzeugt. Doch: «Wir brauchen Maudet als Lokomotive für den Wahlkampf.» Die Kantonalpartei müsste ein grosses «Opfer» erbringen. (aargauerzeitung.ch)