Ex-SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli und Sanija Ameti, Co-Präsidentin von Operation Libero, haben gelinde gesagt unterschiedliche politische Auffassungen. Der «Weltwoche»-Kolumnist hatte letzte Woche in einem Kommentar die GLP-Politikerin aufgrund ihrer Herkunft persönlich angegriffen, worauf Operation Libero in einem Tweet über Mörgeli schrieb, dass dieser «womöglich ein Rassist» sei.
Doch der Reihe nach.
Sanija Ameti flüchtete als Dreijährige mit ihren Eltern aus Ex-Jugoslawien in die Schweiz. In einer Heimat-Serie im «Tages-Anzeiger» beschreibt die Juristin, wie sie als Flüchtlingskind die Anfangsjahre in der Schweiz erlebte: «Wir haben sehr versucht, unter dem Radar zu bleiben. Wenn wir Kinder zu laut waren in der Wohnung, hiess es: ‹Nicht rennen, nicht laut sein, sonst hören uns die Nachbarn, und dann werden wir aus der Schweiz geworfen.›»
Weiter erklärt Ameti im «Tages-Anzeiger»-Interview, dass ihre Eltern ihr «Lautsein» auch jetzt noch für gefährlich halten.
Der Krieg, dem Ameti mit ihrer Familie entkam, forderte 100’000 Menschenleben und noch immer werden in Bosnien über 27’000 Opfer vermisst. Über ihre Eltern sagt Ameti, dass diese in ihrer neuen Heimat nie richtig angekommen seien. Eine latente Angst, ausgeschafft zu werden, sei immer noch präsent.
Warum sich Ameti in der Politik engagiere, erklärt die Doktorandin so: Geflüchtete Menschen wie sie hätten aufgrund ihrer Vergangenheit ein Wissen, das Menschen in der neuen Heimat «hoffentlich nie haben werden». Ameti führt aus, dass von Geflüchteten erwartet werde, dankbar zu sein. Wenn man sich einmische und auch die «hässlichen Dinge» im Land anspreche, mache man sich damit zur Aussenseiterin und unbeliebt.
Mit ihrem politischen Engagement unbeliebt gemacht hat sich die Co-Präsidentin der Operation Libero offenbar bei Ex-Nationalrat Christoph Mörgeli. Dieser schlussfolgert in einem Kommentar in der «Weltwoche», dass Ameti nicht dankbar sein wolle. Es sei deshalb kein Wunder, dass die Politikerin «unser Land zunderobsi» machen und die Unabhängigkeit, die Mitbestimmungsrechte des Volkes und die Neutralität abschaffen wolle.
Wäre sie im Kosovo aufgewachsen, fährt Mörgeli fort, hätte Ameti «möglicherweise» keine Universität auf Kosten der Steuerzahler besuchen und kein juristisches Studium absolvieren dürfen. Und weiter: «Ameti hätte sich wahrscheinlich weniger freizügig kleiden dürfen. Und ihren Ehemann allenfalls nicht selber auswählen dürfen.»
Gegenüber watson erklärt Ameti die Angriffe des SVP-Politikers so: «Christoph Mörgeli – seinerseits Professor und Doktor – bezieht sich auf mein Interview im ‹Tages-Anzeiger›, verdreht dabei jedes einzelne Wort, verbreitet Lügen und versucht mich als undankbare Göre hinzustellen.»
Mörgeli hasst möglicherweise Ausländer. Und ist wahrscheinlich ein Rassist. Und kann allenfalls gar keine Frau auswählen, weil ihn keine will. pic.twitter.com/Nvb3ZhJzmy
— Operation Libero (@operationlibero) August 10, 2022
Dies zeige nur, wie verzweifelt die «SVP-Elite» gegen balkanstämmige Schweizer zu hetzen versucht: «Gegen jene Menschen, die mittlerweile KMU führen und sich politisch engagieren.»
Dass Mörgeli die in Bosnien geborene Ameti fälschlicherweise als «Kosovarin» bezeichnet, stört die Doktorandin, die ihre Ferien derzeit im Kosovo verbringt, indes nicht: «Ich habe viele Verwandte hier und empfinde diese Bezeichnung nicht als eine Beleidigung. Ganz im Gegenteil: Kosovaren bilden mittlerweile einen wesentlichen Teil des Rückgrats dieser Gesellschaft.»
Natürlich passe dies der «SVP-Elite» nicht, denn diese grause nichts mehr als Ausländer, die in der Schweiz ihre Chance packen und in ihrer neuen Heimat mitbestimmen. Es stelle ihre ganze Propaganda auf den Kopf, ist Ameti überzeugt.
Gegenüber watson erklärt Ameti weiter, dass die Angriffe Mörgelis sie nicht überrascht hätten. Viel mehr erschrocken hätte sie die Tatsache, dass eine Zeitung wie der «Blick» Mörgeli als Opfer inszeniert und Operation Libero kritisiert hätte, weil sie den Rassismus benannt und scharf verurteilt hätte.
Ameti erklärt: «Die Bottom-Line-Aussage der ‹Blick›-Journalistin war ‹Operation Libero teilt gerne aus, Sanija Ameti ist eine laute Politikerin und deshalb muss sie auch den Rassismus erdulden›.». Für Ameti ist diese Haltung einer der «bekanntesten Zeitungen der Schweiz» nicht nachvollziehbar: «Das ist die gleiche Logik, wie wenn man sagt: ‹Sie hat einen kurzen Rock an und deshalb muss sie eine Vergewaltigung erdulden.›»
Der Artikel im «Blick» beweise, dass in der Schweiz Rassismus nicht nur bei der SVP stattfinde: «Eine sprungbereite Feindseligkeit gegenüber balkanstämmigen Menschen ist leider verbreiteter, als befürchtet.»
Wir benennen die rassistische 💩 von Mörgeli als solche und jetzt ratet mal, wer sich im Ton vergriffen hat ("Operation Aggro")? Nein @Blickch, nur weil wir politisch austeilen, müssen wir noch lange keinen Rassismus dulden. #rassismusistkeinemeinung https://t.co/W75vPDqeSc
— Operation Libero (@operationlibero) August 11, 2022
Ameti gesteht: «Das hätte ich nie gedacht und es tut weh, so etwas im Jahr 2022 erleben zu müssen.»
Weiter erklärt Ameti: «Wer eingebürgerten Schweizern und Schweizerinnen aus dem Balkan die politische Mitbestimmung verwehrt, verwirft die Grundidee und das Erfolgsrezept dieses Landes – und ist folglich kein Schweizer.»