Die letzte Session vor den Wahlen hat es in sich: Die eidgenössischen Räte befassen sich mit einigen der wichtigsten Dossiers des Jahrzehnts. Die Debatten werden teilweise bis in die Nacht hinein dauern.
Nicht weniger als fünf «open end»-Sitzungen sind vorgesehen – als würde das Parlament versuchen, in der alten Zusammensetzung noch möglichst viel unter Dach und Fach zu bringen oder zumindest die Weichen zu stellen. Zur Debatte steht nichts Geringeres als die Zukunft der Altersvorsorge, der Energieversorgung oder des Asylsystems. Auch die umstrittene Unternehmenssteuerreform III ist traktandiert.
Ob dieses Geschäft tatsächlich beraten wird, ist allerdings offen. Möglich ist das nur, wenn die Wirtschaftskommission des Ständerates ihre Arbeiten vor Sessionsbeginn abschliesst. Kommissionspräsident Roberto Zanetti (SP/SO) wollte auf Anfrage keine Prognose wagen. Der Zeitplan sei ambitioniert, sagte er. Hetzen lassen werde man sich nicht. Fest steht, dass die Räte auch ohne die Unternehmenssteuerreform genügend Arbeit hätten, insbesondere der Ständerat.
Am ersten Sessionstag befasst sich die kleine Kammer mit der Armeereform, der sie bereits zugestimmt hat. Weil die Vorlage im Nationalrat abgestürzt ist, muss sich der Ständerat nun erneut grundsätzlich dazu äussern.
In der grossen Kammer beginnt die Herbstsession mit dem Nachrichtendienstgesetz, das sich auf der Zielgeraden befindet: Die Räte sind sich einig darin, dass der Dienst mehr Kompetenzen erhalten soll. Offen ist noch, ob eine neue unabhängige Aufsichtsinstanz geschaffen wird.
Am zweiten Sessionstag steht die «Lex Fifa» im Fokus, die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts. Der Ständerat hatte die Regeln abgeschwächt, die vorberatende Nationalratskommission ist gespalten.
Der Mittwoch der ersten Sessionswoche ist der Asylpolitik gewidmet. Der Nationalrat berät die Asylreform, mit welcher der Bundesrat die Asylverfahren beschleunigen will. Dagegen stellt sich die SVP, sie möchte gar nicht erst auf die Vorlage eintreten.
Ihren Standpunkt wird die Partei gleichentags in einer Sonderdebatte – einer so genannten ausserordentlichen Session – darlegen können, welche sie beantragt hatte. Grundlage bildet die Forderung der SVP nach einem sofortigen Asylmoratorium.
Zu den weiteren Themen der ersten Sessionswoche gehören der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Grüne Wirtschaft» sowie die erleichterte Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation.
Hauptthema der zweiten Sessionswoche ist die Altersvorsorge. Der Ständerat hat drei Tage für die Vorlage reserviert, mit welcher der Bundesrat die Finanzierung der Renten sichern will. Seine Kommission ist mit der gleichzeitigen Reform von erster und zweiter Säule einverstanden, hat aber Änderungen angebracht. So möchte sie tiefere Renten in der zweiten Säule durch etwas höhere AHV-Renten ausgleichen.
Daneben berät der Ständerat über den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) – eine Vorlage, die insbesondere Autofahrer interessieren dürfte: Umstritten ist unter anderem, wie stark der Mineralölsteuerzuschlag erhöht werden soll.
Der Nationalrat befasst sich in der zweiten Woche mit dem automatischen Informationsaustausch, der das Ende des Bankgeheimnisses für ausländische Kunden bedeutet. Entscheiden wird er ausserdem über neue Sorgfaltspflichten für Banken und die Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln».
In der dritten Sessionswoche schliesslich wird sich zeigen, ob das Parlament in Sachen Energiewende vor den Wahlen noch Pflöcke einschlägt. Der Ausstieg aus der Atomenergie gehörte zu den Versprechen vor den letzten Wahlen, die ein halbes Jahr nach der Atomkatastrophe von Fukushima stattfanden.
In der Zwischenzeit hat der Bundesrat die Energiestrategie 2050 vorgelegt, in zwei Teilen. Mit dem zweiten Teil, der Lenkungsabgaben vorsieht, wird sich das neue Parlament befassen. Den ersten Teil – ein Massnahmenpaket zur Förderung erneuerbarer Energien und für mehr Energieeffizienz – berät der Ständerat im September als Zweitrat, an drei Tagen.
Seine Kommission hat die Vorlage ohne Gegenstimmen angenommen, aber Änderungen angebracht. Anders als der Nationalrat will sie etwa die Laufzeit der ältesten Atomkraftwerke nicht begrenzen. Umstritten sind zudem Subventionen für grosse Wasserkraftwerke.
Zum Ende der Session wird sich der Ständerat – sofern das Geschäft bereit ist – mit der Unternehmenssteuerreform III befassen. Mit dieser will der Bundesrat verhindern, dass Unternehmen, die heute von international nicht mehr akzeptierten kantonalen Steuerprivilegien profitieren, ins Ausland abwandern.
Der Nationalrat diskutiert in der dritten Woche unter anderem über die Volksinitiative «Für ein bedingungsloses Grundeinkommen». Ausserdem hat er Zeit reserviert für eine aktuelle Debatte, sollte das Ratsbüro Interpellationen für dringlich erklären.
So oder so werden die Parteien bei diesem reichhaltigen Programm Gelegenheit haben, den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, wofür sie einstehen. Die letzte Session der 49. Legislatur dauert vom 7. bis zum 25. September.
(sda)