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Bundesrat will am Mittwoch über EU-Schutzklausel beraten

Nächster Hammer: Bundesrat will am Mittwoch über Schutzklausel beraten

Der Bund soll die Zuwanderung unter bestimmten Voraussetzungen drosseln können. Das ist das Ziel der Schutzklausel mit der EU. Nun will der Bundesrat über die konkreten Massnahmen entscheiden.
10.05.2025, 15:3610.05.2025, 15:36
Stefan Bühler / ch media
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Die Verhandlungen über die neuen bilateralen Verträge mit der EU zogen sich über Jahre hin. Doch jetzt geht es Schlag auf Schlag. Vor zehn Tagen entschied der Bundesrat, dass das Vertragspaket nur dem Volksmehr unterstellt werden soll, es also keine Mehrheit der Kantone braucht. Der Entscheid war lange erwartet worden und ist höchst umstritten – die Gegner der institutionellen Einigung mit Brüssel reagierten empört.

Die Zuwanderung in die Schweiz ist anhaltend hoch. Das Bild zeigt die Bahnhofstrasse in Zürich.
Der Bundesrat will über die Schutzklausel die Zuwanderung steuern können.Bild: keystone

Nun steht der nächste Aufreger bevor. Bereits am kommenden Mittwoch will der Bundesrat über die Umsetzung der Schutzklausel im Bereich der Personenfreizügigkeit beraten. Dem Vernehmen nach ist eine Pressekonferenz mit Justizminister Beat Jans geplant, sollte der Bundesrat abschliessend entscheiden. Bestätigt wird das nicht.

Inhaltlich geht es um die Konkretisierung einer Schutzklausel, die schon seit 1999 im Vertrag über die Personenfreizügigkeit steht. Sie kam jedoch nie zum Tragen, weil Brüssel die Anwendung blockieren konnte. Mit den neu ausgehandelten bilateralen Verträgen soll sich das nun ändern. Nach grossen Widerständen hat die EU der Schweiz eine neue, griffigere Schutzklausel zugestanden – nach Diskussionen, in die selbst die damalige Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen involviert waren.

epa11227626 European Commission President Ursula von der Leyen (R) welcomes President of the Swiss Confederation Viola Amherd (L) ahead of a meeting in Brussels, Belgium, 18 March 2024. The visit laun ...
Ex-Bundesrätin Viola Amherd und Ursula von der Leyen.Bild: EPA

Auch Wohnungsnot ist ein Thema

Die Formulierung der Klausel ist nicht öffentlich. In Faktenblättern zum Verhandlungsergebnis schreibt der Bundesrat jedoch: «Die neu konzipierte Schutzklausel kann von der Schweiz eigenständig aktiviert werden.» Ein Schiedsgericht mit Mitgliedern beider Seiten würde sodann entscheiden, ob die Anwendung zurecht erfolgt. Falls ja, dürfte die Schweiz die Zuwanderung steuern. Die EU erhielte das Recht, Ausgleichsmassnahmen zu ergreifen; diese müssten aber verhältnismässig sein und dürften nur den Geltungsbereich der Personenfreizügigkeit betreffen.

Offenbar hat die Bundesverwaltung nun die Arbeiten für die Umsetzung dieser Klausel im Schweizer Recht abgeschlossen. Demnach sollen im Ausländer- und Integrationsgesetz Kriterien definiert werden, wann der Bundesrat die Schutzklausel zwingend aktiveren muss. Das etwa, wenn die Nettozuwanderung, die Arbeitslosigkeit oder die Sozialhilfequote in einer Region oder einer Branche ein Ausmass erreichen, das zu «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen» führt.

Daneben ist dem Vernehmen nach vorgesehen, für weitere Kriterien Schwellenwerte im Gesetz aufzuführen, bei denen der Bundesrat die Schutzklausel aktivieren kann. Hier dürften unter anderem Zahlen aus dem Wohnungsmarkt eine Rolle spielen. Zum Beispiel, falls eine rasche, sehr starke Zuwanderung in einer Region oder Stadt Verwerfungen im Mietwohnungsmarkt bis hin einer akuten Wohnungsnot auslösen sollte.

Argument gegen 10-Millionen-Initiative der SVP

Obwohl die Traktandenliste des Bundesrats vertraulich ist, sorgt die Beratung der Schutzklausel schon Tage im Voraus unter der Bundeshauskuppel für erhöhte Betriebsamkeit. So soll die SVP als vehementeste Kritikerin der neuen Verträge eine Gegen-Medienkonferenz vorbereiten zum Auftritt von Bundesrat Jans am nächsten Mittwoch.

Bundesrat Beat Jans spricht zur Grossen Kammer, an der Sondersession des Nationalrats, am Montag, 5. Mai 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Bundesrat Beat Jans.Bild: keystone

Für die Partei steht längst fest, dass die Wirkung der neuen Schutzklausel ihren Erwartungen nicht genügen wird. Am Mittwoch hatten SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi und Nationalrätin Magdalena Martullo Blocher Gelegenheit, die Vertragstexte zu lesen. Das gleiche Recht wird allen Fraktionen des Parlaments zugestanden. Nach der Lektüre sagte Aeschi vor den Medien er sei «schockiert», wie schlecht das Vertragspaket verhandelt worden sei. Zugleich verriet er laut einem Bericht des «Tages-Anzeigers», dass der Bundesrat nächsten Mittwoch über die inländische Umsetzung der Schutzklausel informieren werde.

Der SVP kommt die neue Schutzklausel auch nicht zupass, weil sie ihre Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» entkräften könnte. Als SP-Bundesrat und Justizminister Jans im März begründete, warum der Bundesrat die SVP-Initiative ohne Gegenvorschlag ablehnt, sagte er: Mit der Schutzklausel «kann der Bund die Zuwanderung besser steuern, wenn sie zu rasch erfolgt und messbare Probleme mit sich bringt». Im Gegensatz zur Initiative gefährde dieses Vorgehen den bilateralen Weg nicht und sei deshalb die bessere Lösung, sagte Jans. (aargauerzeitung.ch)

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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cosmopolitikus
10.05.2025 16:53registriert August 2018
Herr Aeschi sollten wir beim nächsten Mal als Verhandlungsführer ernennen, ich bin sicher, dann kommt es auf jeden Fall anders…einfach nur nicht gut.
Ich finde seine Überheblichkeit in der Beurteilung des Verhandlungsergebnis beschämend.
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Gen X
10.05.2025 16:18registriert August 2023
Plauderi Aeschi wäre auch "schockiert" gewesen, wenn die EU der Schweiz in allen Punkten nachgegeben hätte. Denn die EU ist sooo pöse! Nur Russland, China und neu auch die USA sind gute Verbündete.
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rettetdiewelt-esstmehrbabies
10.05.2025 16:11registriert Dezember 2019
... zu «schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen» führt. - Lach, da können wir ja dann lange warten. Die Überbevölkerung ist schon längst Fakt mit allen Konsequenzen. Lebensqualität und Durchschnittseinkommen am sinken. Arme Jugend...
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