FDP, SVP und Mitte fordern im Kanton Zürich einen verpflichtenden Integrationsvertrag für sogenannte «Integrationsberechtigte». Gemeint sind damit Menschen mit Bleibeperspektive – doch wer genau darunter fällt, bleibt im Motionstext offen.
Der Vorstoss verlangt, dass sich «Integrationsberechtigte» schriftlich zu einigen Pflichten bekennen: Eine Landessprache lernen, arbeiten, die Schulpflicht für Kinder einhalten – und straffrei bleiben. Wer gegen den Vertrag verstösst, soll mit Sanktionen rechnen: etwa mit Kürzungen bei Sozialleistungen oder dem Entzug des Aufenthaltsrechts im Kanton Zürich.
Als Vorbild nennen die Initianten Dänemark – jenes Land, das für seine strikte Migrationspolitik bekannt ist. Auch dort müssen Geflüchtete einen Vertrag unterschreiben, der unter anderem Sprachkurse, Jobprogramme und Verhaltensregeln umfasst.
Doch noch bevor der Vorstoss in den Zürcher Kantonsrat kommt, sorgt er für heftige Diskussionen – auch weil unklar bleibt, wer genau unter die Kategorie «Integrationsberechtigte» fällt. In Interviews mit watson äussern sich drei Politiker dazu – und nennen unter anderem anerkannte Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene und in einzelnen Fällen auch Expats.
Für den Zürcher SP-Kantonsrat Nicola Siegrist ist die Sache klar: «Asyl ist ein Grundrecht – kein Vertragsthema. Man kann das Grundrecht auf Schutz vor Verfolgung nicht an solche Bedingungen knüpfen.» Ein Integrationsvertrag, der mit Kürzungen von Geldern oder dem Entzug des Aufenthaltsrechts droht, sei «ein menschenfeindlicher Angriff».
Der SP-Politiker betont, dass die Erwartungen an Integration längst existieren: Schulpflicht, Sprache lernen, Gesetze einhalten – das gelte schon heute. Laut Siegrist würden die meisten Menschen Deutsch lernen oder arbeiten wollen – aber: «Es fehlt an Anerkennung von Diplomen, an unbürokratischem Zugang zum Arbeitsmarkt, an echter Integrationsförderung.»
Wenn jemand in Syrien Arzt war und in der Schweiz putzen muss, «dann ist nicht die Person das Problem – sondern das System». Siegrist stört sich daran, dass die Bürgerlichen von Integration reden, sie aber selbst blockieren würden. «FDP, SVP und Mitte wollen die Schutzsuchenden mit Strafen zur Integration zwingen, aber sie wollen die strukturellen Hürden nicht abbauen, die Integration heute erschweren.»
Siegrist kritisiert zudem, dass der Motionstext den Begriff «Integrationsberechtigte» nicht konkretisiert. Aus seiner Sicht ziele der Vorstoss auf Geflüchtete und vorläufig Aufgenommene – und klammere wirtschaftlich privilegierte Gruppen faktisch aus: «Da wird im Zweifel unterschieden zwischen guten und schlechten Ausländern – das ist ideologisch, nicht integrationspolitisch», sagt der ehemalige Juso-Präsident.
Kantonsrat und Zürcher SVP-Präsident Domenik Ledergerber verteidigt den Vorstoss entschieden. Für ihn ist der Integrationsvertrag ein notwendiges Mittel zur Steuerung im Asylwesen: «Wer sich nicht integriert, soll das Land verlassen müssen. Es gibt viele Leute im Sozialsystem, die sich nicht an die Spielregeln halten – denen wollen wir mit dem Vertrag einen Schupf geben.»
Ledergerber versteht unter «Integrationsberechtigten» nicht nur anerkannte Flüchtlinge, sondern insbesondere vorläufig Aufgenommene und Personen ohne Schutzstatus, die in der Schweiz leben. Auch sie sollten aus seiner Sicht arbeiten, solange sie hier seien – aber nicht dauerhaft bleiben: «Der Integrationsvertrag ändert nichts daran, dass diese Personen die Schweiz verlassen sollen, sobald die Ausschaffung möglich ist.»
Auf die Frage, ob auch Expats unter die Regelung fallen könnten, sagt Ledergerber: «Auch Expats müssen sich integrieren und arbeiten – sonst geht ihre Aufenthaltsbewilligung verloren.»
Auch Filippo Leutenegger, Präsident der Zürcher FDP, sieht im Vertrag eine Chance: «Wenn wir Flüchtlinge integrieren wollen, braucht es eine Art Deal – also auch eine gegenseitige Verpflichtung. Der Vertrag soll zeigen, wie Integration konkret funktionieren soll.»
Die Motion richte sich seiner Auffassung nach vor allem an anerkannte Flüchtlinge. «Es geht um Menschen, die länger in der Schweiz bleiben. Wer ausgeschafft werden muss, soll gar nicht erst einen Integrationsvertrag unterschreiben.»
Die offene Formulierung in der Motion sei aber bewusst gewählt worden – Differenzierungen müssten im parlamentarischen Prozess noch geklärt werden. Der Zürcher Regierungsrat hat nun drei Monate Zeit, zur Motion Stellung zu nehmen. Danach entscheidet der Kantonsrat. Weil FDP, SVP und Mitte derzeit nur knapp keine Mehrheit haben, dürfte die Abstimmung eng ausfallen.
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