Auf Sozialhilfe, Ergänzungsleistungen und anderen privaten oder öffentlichen Unterstützungsleistungen sollen in Zukunft Steuern erhoben werden. Das fordert der Ständerat mit einer Motion. Ziel ist es, dass Arbeit in jedem Fall interessanter ist als der Bezug steuerfreier Unterstützungsleistungen.
Das ist heute nicht immer der Fall. Eine Familie mit tiefem Einkommen hat unter Umständen mehr Geld zur Verfügung als eine Familie mit deutlich höherem Einkommen: Erstere profitiert von steuerfreien Unterstützungsleistungen, während letztere ihr Einkommen voll versteuern muss, selbst wenn es nahe am Existenzminimum liegt. Die Steuererleichterung könne dazu führen, dass es sich nicht lohne, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen, sagte Kommissionssprecherin Karin Keller-Sutter (FDP/SG).
Man spricht in diesem Zusammenhang von «Schwelleneffekten». Mit dem Ziel, solche negativen Erwerbsanreize zu beseitigen, hatte der Kanton Bern im Jahr 2009 eine Standesinitiative eingereicht: Unterstützungsleistungen sollen künftig besteuert, im Gegenzug aber das Existenzminimum steuerlich entlastet werden. Die Initiative hat die kleine Kammer am Montag abgelehnt. Hingegen stimmte sie einer Motion ihrer Wirtschaftskommission mit der gleichen Forderung zu.
Bei der Entlastung oder gänzlichen Steuerbefreiung des Existenzminimums verlangt der Ständerat vom Bundesrat eine Lösung, welche den kantonalen Unterschieden bei den Sozialhilfesystemen und bei den Lebenskosten gerecht wird.
Die Ratslinke bekämpfte die Motion: Werde die Sozialhilfe besteuert, hätten die Ärmsten am Schluss noch weniger, sagte Paul Rechsteiner (SP/SG). Es sei nämlich nicht zu erwarten, dass die Gemeinden die Sozialhilfeansätze erhöhten, um damit kantonale Steuern zu zahlen.
Rechsteiner erinnerte an die steuerfreien Kapitalgewinne, an milliardenschwere Steuergeschenke für Grossaktionäre. Dort müsse angesetzt werden und nicht bei jenen, die ohnehin nichts hätten. Keller-Sutter versicherte jedoch, dass es nicht darum gehe, Sozialhilfeempfänger schlechter zu stellen. Ziel sei es, alle Haushalte mit geringen Einkommen gleich zu behandeln. «Arbeit muss sich lohnen», sagte sie.
Der Ständerat stimmte der Motion mit 27 zu 9 Stimmen bei 6 Enthaltungen zu. Diese geht nun an den Nationalrat. Der Bundesrat hatte sich bereit erklärt, den Auftrag entgegenzunehmen. Die Empfehlungen, die er aufgrund eines Berichts im Mai veröffentlichten Berichts abgab, entsprechen den Forderungen der Motion.
Auch der Bundesrat empfahl in dem Bericht, die Höhe des Existenzminimums und die konkrete Ausgestaltung der Steuerbefreiung den Kantonen zu überlassen. Allerdings müsse das Existenzminimum dann auch noch definiert werden, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Es sei aber richtig, Unterstützungsleistungen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Nur so könne die horizontale Steuergerechtigkeit gewährleistet werden. (feb/sda)