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Warum Simonetta Sommaruga gegen die Pädophilen-Initiative ist

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Bild: Reuters
«Unnötig»

Warum Simonetta Sommaruga gegen die Pädophilen-Initiative ist

25.03.2014, 16:0125.03.2014, 17:28
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Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit schützt Bürger vor Übergriffen des Staates. Die Pädophilen-Initiative stellt diese Stütze des Rechtsstaats in Frage. Vor den Bundeshaus-Medien warnte Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Montag vor einer Annahme. 

Als Justizministerin kommt ihr die Aufgabe zu, mit juristischen Argumenten gegen ein äusserst populäres Volksbegehren zu kämpfen. Und wie schon bei der Ausschaffungs-Initiative muss sie die Bevölkerung davor warnen, ihre Schutzrechte gegenüber dem Staat preiszugeben. Sommaruga argumentiert so:

  • Die Initiative verlangt für pädosexuelle Straftäter ein automatisches lebenslängliches Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen oder Abhängigen. Die eindeutige Formulierung des Initiativtextes erlaubt es nicht, die Schwere der Straftat bei der Verhängung des Verbots zu berücksichtigen. Sie behandelt alle Betroffenen wie gefährliche Kinderschänder. Beispiel: Ein 20-Jähriger, der mit einer 15-Jährigen eine einvernehmliche Liebesbeziehung eingeht und deshalb bestraft wird, dürfte nie mehr soziale Arbeit mit Kindern leisten oder eine Juniorenmannschaft trainieren, selbst wenn von ihm nachweislich keine Gefahr für Kinder ausgeht.
  • Wenn das gleiche Prinzip im Strassenverkehr angewendet würde, müsste allen Schnellfahrern der Führerausweis entzogen werden - unabhängig davon, ob sie 5 oder 50 Stundenkilometer zu schnell gefahren sind.
  • Auch aus pragmatischen Überlegungen lehnt der Bundesrat die Initiative ab. Angesichts der vom Bundesrat ausgearbeiteten und vom Parlament bereits beschlossenen Gesetzesänderungen sei diese unnötig. Die Vorlage respektiere nicht nur die Verhältnismässigkeit, sondern schütze Kinder und Abhängige auch besser als die Initiative. 
  • Das neue Tätigkeitsverbot ist auf alle Täter anwendbar, die an Minderjährigen oder anderen schutzbedürftigen Personen ein Verbrechen oder Vergehen begangen haben, nicht nur auf Sexualstraftäter. Damit kann insbesondere physische oder psychische Gewalt geahndet werden. Vorgesehen sind ausserdem Kontakt- oder Rayonverbote. 
  • Auch lebenslange Tätigkeitsverbote können verhängt werden, jedoch nur dann, wenn die Gesellschaft nicht anders vor einem Täter geschützt werden kann. Bei Sexualdelikten mit einer gewissen Schwere muss das Gericht ein zehnjähriges Tätigkeitsverbot anordnen, bei leichteren Delikten entscheidet das Gericht. Auch ein spezieller Strafregisterauszug zum Schutz von Minderjährigen wird eingeführt. 

Die Initiative hat trotz ihrer Widersprüche gute Chancen an der Urne. Eine Umfrage ergab kürzlich eine Zustimmung von über 80 Prozent. Keine Bundeshausfraktion erklärte sich bereit, den Lead der Nein-Kampagne zu übernehmen. Dieses wird nun vom Ausserrhoder FDP-Nationalrat Andrea Caroni angeführt. Es brauche mehr Mut als auch schon, den Rechtsstaat zu verteidigen, sagte Sommaruga dazu. (aeg/sda)

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