Die Bundesversammlung hat am Mittwoch die CVP-Kandidatin Julia Hänni als Nachfolgerin des SVP-Richters Peter Karlen ans Bundesgericht gewählt. Der Kandidat, mit welchem sich die SVP die Stelle sichern wollte, zog sich kurzfristig zurück.
Die SVP hatte Thomas Müller (BE) aufgrund seiner Qualifikationen und des Parteienproporzes portiert. Die Kommission hingegen empfahl die CVP-Kandidatin zur Wahl, obwohl ein SVP-Vertreter aus dem Gericht austritt.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) erläuterte vor der Wahl vor der vereinigten Bundesversammlung, die SVP sei seit 2015 mit 1,5 Richtern untervertreten. Würde die CVP-Kandidatin gewählt, würde sich dies weiter verstärken. Die SVP könne die Argumente derjenigen Parteien, welche den Proporz nicht unterstützen, nicht verstehen.
Thomas Müller habe jedoch an der Kommissionssitzung am Mittwochmorgen entschieden, seine Kandidatur zurückzuziehen. Die SVP hoffe, dass sich das Parlament bei den Richterwahlen im September an den Proporz halten werde.
Julia Hänni wurde von der Versammlung mit 151 von 173 gültigen Stimmen gewählt. Der Parteienproporz sei ein wichtiges Kriterium, aber nicht das einzige, sagte CVP-Sprecher Leo Müller (LU). Die Gerichtskommission habe dabei einen gewissen Spielraum. Der Parteienproporz könne bei den bald anstehenden Neubesetzungen wieder hergestellt werden.
Julia Hänni (CVP) wird damit ordentliche Richterin in deutscher Sprache an der Zweiten öffentlich-rechtliche Abteilung vorgeschlagen. Diese Abteilung kümmert sich um Grundrechte, Steuerrecht, Ausländerrecht und öffentliches Wirtschaftsrecht.
Für die Stelle des Richters in französischer Sprache wurde Bernard Abrecht (SP) gewählt mit 157 von 173 gültigen Stimmen. Er übernimmt die Stelle von Jean-Maurice Frésard (SP) an der Ersten sozialrechtlichen Abteilung empfohlen, die sich um die Invalidenversicherung, Unfallversicherung, Sozialhilfe und das öffentliche Personalrecht kümmert. Frésard und Karlen treten per 30. Juni 2019 zurück.
Gewählt hat die Bundesversammlung zudem Monika Galliker - mit 209 von 209 Stimmen - als nebenamtliche Richterin italienischer Sprache am Bundesstrafgericht für den Rest der Amtsperiode 2016 bis 2021. Sie übernimmt die Stelle von Claudia Solcà (CVP/TI), welche im Sommer 2018 als ordentliche Richterin an die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts wechselte.
Galliker ist Mitglied der CVP. Bei den nebenamtlichen Richtern ist die Partei leicht über-, bei den ordentlichen Richtern leicht unter vertreten. Die Kommission hat diesem Umstand gemäss eigenen Angaben eine geringere Bedeutung zugemessen, weil es schwierig gewesen sei, eine geeignete Person zu rekrutieren. Zudem würde sich mit ihrer Wahl die Untervertretung der Frauen am Bundesstrafgericht verringern.
Galliker hat Jahrgang 1968 und das Anwaltspatent des Kantons Tessin. Dort arbeitete sie zunächst bei der Staatsanwaltschaft als juristische Sekretärin, dann als stellvertretende Staatsanwältin und später als Staatsanwältin. Danach wechselte sie an die Beschwerdekammer des Berufungsgerichts von Lugano.
Die Bundesversammlung bestätigte zudem die stellvertretenden Bundesanwälte Ruedi Montanari und Jacques Rayroud mit je 207 von 233 gültigen Stimmen im Amt für die Periode 2020 bis 2023.
Ausserdem steht die Wiederwahl des Bundesanwalts Michael Lauber an; er hat sich zur Wiederwahl gestellt. Die Gerichtskommission verschob diese Wahl jedoch, weil die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen Lauber eröffnet hatte. Hintergrund sind nicht dokumentierte informelle Treffen mit Fifa-Chef Gianni Infantino. Im Raum steht auch der Verdacht der Amtsgeheimnisverletzung, weil unbeteiligte Dritte an den Treffen teilnahmen.
Das Bundesstrafgericht in Bellinzona entschied am Dienstag, dass diese Treffen den Verfahrensregeln widersprechen. Lauber muss daher bei den Untersuchungen im Fussball-Verfahrenskomplex in Ausstand treten. Über seine Wiederwahl wollte die Bundesversammlung voraussichtlich im Herbst entscheiden. (sda)
Ich wäre ja froh, hätte die SVP möglichst wenig Einfluss. Trotzdem kann man nicht leugnen, dass sie eben bzgl. Parteistärke führend ist und somit aus dem demokratischen Grundgedanken heraus auch gerechtfertigterweise überproportional vertreten sein darf.
Die Argumentation, dass die Parteizugehörigkeit aber eben nicht das einzige Kriterium ist, scheint mir ausschlaggebend.