Jährlich betäuben und töten Schweizer Legehennen-Brutbetriebe rund 3 Millionen männliche Küken. Sie legen keine Eier und sind nicht für die Mast gezüchtet. Küken aus der Linie der Legehennen, welche das «falsche» Geschlecht haben, werden in der Schweiz entweder geschreddert, oder mit Kohlendioxid vergast. Ein grausamer Tod am ersten Lebenstag.
Nun will die Wissenschaftskommission des Nationalrats das Schreddern baldmöglichst verbieten. Bei diesem Vorgang komme es vor, dass Küken in gewissen Fällen mit abgeschnittenen Füssen überleben, begründet die Kommission ihre Forderung. Über eine Motion verlangt sie, dass der Bundesrat die Tierschutzverordnung anpasst.
Heute schreddern allerdings nur noch kleinere Betriebe die frisch geschlüpften Legeküken, wie Ruedi Zweifel vom Aviforum, dem Kompetenzzentrum der schweizerischen Geflügelwirtschaft in Zollikofen, sagt. Weil sie kein CO2 verwenden wollen, setzen sie bislang auf die mechanische Methode. Anders handhaben es die beiden grossen Brütereien der Schweiz, die über 90 Prozent aller Legeküken produzieren. Beide töten die männlichen Küken mit Kohlendioxid. Ein Schredder-Verbot würde also nicht grundsätzlich zu einer tierfreundlicheren Legehennenzucht führen.
Bald soll nicht mehr die Tötungsmethode entscheidend sein, sondern die Tötung an sich obsolet. Darin sind sich Politiker, Wissenschafter und Grossverteiler einig. Die In-ovo-Geschlechtsbestimmung soll die Geflügelhaltung revolutionieren. Zwei Methoden sind in Deutschland erfolgreich entwickelt worden.
Bei der einen wird nach acht bis neun Tagen über ein winziges Loch im Ei Flüssigkeit entnommen, anhand welcher sich das Geschlecht bestimmen lässt. Gleiches wäre über Ultraviolettstrahlung bereits ab dem vierten Tag der Brut möglich. «Wir sind mit mehreren europäischen Ländern bestrebt, die Geschlechtserkennung im frühesten Stadium im Brutei praxisreif zu machen», sagt Ruedi Zweifel.
Noch fehlen die Anlagen, um die Technik wirtschaftlich anwenden zu können. Dies soll sich bald ändern. Andere Länder spuren vor. In Deutschland ist die Kükentötung seit drei Jahren gesetzlich verboten. Da es noch keine praxisreife Geschlechtserkennung gibt, wurde das Verbot bisher aber noch aufgeschoben. In Österreich stellten Biobetriebe auch ohne neue Technologie bereits 2016 um. Über höhere Eierpreise werden die Mehrkosten für die aufwendigere Mast männlicher Legeküken finanziert.
Die beiden Grossverteiler Coop und Migros erhoffen sich viel von der Geschlechtsbestimmung im Ei. Denn in der Schweiz gibt es für Legehennenzucht nur Nischenprodukte, die ohne Kükentötung auskommen. Coop startete 2014 einen Praxisversuch. Mit dem Zweinutzungshuhn bietet der Grossverteiler eine Alternative. Bei dieser speziellen Hühnerrasse werden die weiblichen Hühner für die Eierproduktion und die männlichen für die Mast genutzt.
Der Verein Demeter Schweiz geht als Vorreiter voran und kennt die bislang strengsten Auflagen. Seit 2019 schreibt er in seinen Richtlinien vor, dass zu jeder Legehenne, die eingestallt wird, ein männliches Tier grossgezogen werden muss. «Da es keine Demeter-Brütereien gibt und unsere Betriebe die Küken aus Bio-Brütereien beziehen, haben wir nicht die Möglichkeit, das Kükentöten zu verbieten», sagt Co-Geschäftsführerin Susanne Huber. Das Modell ist ähnlich wie jenes der Biobetriebe in Österreich: Die Pouletmast wird mit dem Eierverkauf quersubventioniert.