In Frankreich spielte sich gerade ein kurioser Gerichtsfall ab, bei dem ein Hahn namens «Maurice» die Hauptfigur war. Ihm wurde Ruhestörung vorgeworfen. Jetzt wurde das Urteil gefällt: Freispruch. Doch erst mal der Reihe nach:
Die Geschichte spielte sich auf der französischen Insel Oléron ab. Die an der Atlantikküste gelegene Insel ist eine beliebte Feriendestination. Während sie im Winter lediglich 23'000 Bewohner zählt, wächst diese Zahl in den Sommermonaten auf beträchtliche 200'000 an.
Ein Rentnerehepaar, das seine Ferienwohnung nur wenige Meter von Maurice' Hühnerstall hat, störte sich an seinem lauten «Kikeriki» beim Sonnenaufgang. Sie empfanden das Geräusch als nervtötenden Lärm, wo sie sich in den Ferien doch Ruhe wünschten.
Das ältere Paar schien dermassen geplagt, dass es sich für eine Klage gegen Hahn Maurice entschied. Die Klage auf morgendliche Ruhestörung wurde am Gericht in Rochefort behandelt. Der Anwalt der Rentner liess verlauten, dass Maurice in einer Wohnsiedlung lebt – und nicht etwa auf dem Land. Die Kläger verlangten, dass das Tier seinen Stall innert zwei Wochen verlassen müsse.
Corinne Fesseau, die Besitzerin von Maurice, verstand ob der Klage die Welt nicht mehr. Die Frau, die seit 35 Jahren auf der Insel lebt, hat seit einigen Jahren eine überschaubare Hühnerzucht. Fesseau empfindet die Rufe des Hahns nicht als Gekrähe, sondern als Gesang: «Wenn mein Hahn sprechen könnte, würde er sagen: Lasst mich in Ruhe singen!», wie sie laut Frankfurter Allgemeine gesagt haben soll. Die beiden Parteien schafften es nicht, sich aussergerichtlich zu einigen.
Der gallische Hahn ist als Wahrzeichen Frankreichs sogar das Wappentier des Landes. Eine Klage gegen dieses Tier ist eine emotionale Angelegenheit und schlug daher landesweite Wellen.
Auch der Bürgermeister von Olèron äusserte sich zum Thema: «Wir haben hier immer mit Tieren, Gemüsegärten und eben auch Federvieh gelebt». Der Mann ist der Meinung, dass Urlauber den ständigen Inselbewohnern nicht ihre Vorstellung von Ruhe aufzwingen können. Man kann in diesem Fall von einer gewissen Symbolhaftigkeit sprechen: Es geht um den ewigen Konflikt zwischen Urlaubern und Einwohnern von beliebten Ferienorten.
Auch die Nachbarn von Fesseau solidarisierten mit «Maurice»: Um ein Zeichen zu setzen, erschienen sie zahlreich an der Anhörung vor Gericht im Juli – und nahmen ihre eigenen Hennen und Hähne mit.
Nun kam es zum Urteil: Maurice darf weiterhin den Sonnenaufgang besingen. Die Richter in Rochefort befanden Hahnenschreie als Bestandteil ländlichen Lebens auf der Insel Oléron. Ein Verbot sei daher nicht möglich. Corinne Fesseau ist glücklich über den Entscheid. Sie hofft, dass damit ein Zeichen gesetzt wurde, dass es nicht lohnenswert ist, wegen unnötiger Dinge zu klagen.
Es ist jedoch nicht nur ein Sieg für Fesseau und ihren Maurice, sondern auch ein Triumph der Bewohner gegenüber dem Diktat der Urlauber. Gewisse kulturelle Eigenheiten gehören neben Ruhe eben auch zu einem Urlaub. Aus diesem Grund will nun ein anderer Bürgermeister ländliche Geräusche als «Nationales Kulturerbe» schützen lassen – ein entsprechender Antrag wurde bei der Unesco bereits eingereicht.
Gibt auch bei uns genug ****en, die aufs Land ziehen und dann gegen Kuhglocken klagen, weil sich das nicht mit ihrer naiven Idylle vom Land verträgt, wo Milch aus violetten Kühen kommt und Fleisch im Coop wächst.