Am Samstagnachmittag ist bei Flims GR ein Flugzeug des Typs Ju-52 abgestürzt. Die Kantonspolizei Graubünden und der Betreiber-Verein Ju-Air haben gemeinsam am Sonntagnachmittag informiert. Hier die 7 wichtigsten Erkenntnisse aus der Pressekonferenz:
Die Absturzstelle liegt unweit von Flims an der Westflanke des Piz Segnas, auf 2540 Metern, wie die Kantonspolizei Graubünden auf Twitter bekanntgab. Die Unfallstelle wurde während der Nacht bewacht.
Die Räumungsarbeiten dürften laut Daniel Knecht, Leiter der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust), mehrere Tage dauern. Die Ju-52 ist in einem Wandergebiet abgestürzt. Das Gebiet sowie der dazugehörige Pass sind bis auf weiteres gesperrt.
Flugzeugabsturz Piz Segnas
— Kantonspolizei GR (@KapoGR) 4. August 2018
Die Absturzstelle liegt an der Westflanke des Piz Segnas, auf 2540 m ü M. und wird während der Nacht bewacht. Die Ursache des Absturzes wird durch die
Bundesanwaltschaft gemeinsam mit der SUST, der StA GR und uns untersucht.
Beim Absturz sind alle 20 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Es ist das schwerste Unglück der Schweizer Luftfahrt seit dem Crossair-Absturz im Jahr 2001. Es gebe keinerlei Hoffnungen mehr, jemanden lebend zu bergen, sagte Andreas Tobler, Gesamteinsatzleiter der Kantonspolizei Graubünden, vor den Medien in Flims. «Den Einsatzkräften bot sich ein trauriges Bild.»
Beim gestrigen Absturz einer JU-52 am Piz Segnas in Flims sind alle zwanzig Flugzeuginsassen verstorben. https://t.co/AwBZNsi8UU (mw)
— Kantonspolizei GR (@KapoGR) 5. August 2018
Unter den Opfern befinden sich acht Paare und vier Einzelpersonen. Neun Männer und acht Frauen aus den Kantonen Zürich, Thurgau, Luzern, Schwyz, Zug und Waadt sowie ein Ehepaar mit einem Sohn aus Niederösterreich wurden beim Absturz tödlich verletzt. Dazu kommen drei Besatzungsmitglieder. Die Opfer waren zwischen 42 und 84 Jahre alt.
Laut Kurt Waldmeier, CEO der vom Absturz betroffenen Fluggesellschaft Ju-Air, waren die zwei Piloten an Bord der Maschine äusserst erfahren. Er könne sich nicht erklären, wie es zum Unglück gekommen sei.
Laut Waldmeier würden alle drei «Tante Ju»-Maschinen «ausschliesslich durch sehr erfahrene Berufspiloten geflogen und durch Profis gewartet». Beide Kapitäne an Bord der Unglücksmaschine hätten über dreissig Jahre Erfahrung als Linienpiloten bei der Swissair und der Swiss verfügt. Fast so lange seien beide ebenfalls als Militärpiloten tätig gewesen.
Der 62-jährige Pilot ist laut dem Ju-Air-Chef seit 2004 regelmässig den Flugzeugtyp Ju-52 geflogen. «Er hatte 943 Flugstunden mit dieser Maschine und war damit einer der erfahrensten im Team.» Auch sein 63-jähriger Kollege im Cockpit sei seit Jahren mit der «Tante Ju» unterwegs gewesen.
Die Ju-Air hat ihren Flugbetrieb bis auf Weiteres eingestellt. Auf ihrer Internetseite schrieb der Verein: «Das Team der Ju-Air ist tieftraurig und denkt an die Passagiere, die Crew und Familien und Freunde der Verunglückten.» Die Kantonspolizei Graubünden habe für Angehörige eine Hotline eingerichtet.
Kurt Waldmeier bezeichnete den gestrigen Tag als «schwierigsten und schwärzesten in der Geschichte der 36-jährigen Ju-Air». Niemand habe ein grösseres Interesse an der Aufklärung des Absturzes als die Fluggesellschaft. «Wir unterstützen die Behörden nach all unseren Kräften.»
Die Ju-52 waren 1983 von der Luftwaffe ausgemustert worden. Damals übernahm der Verein Ju-Air drei Maschinen. Mit dem Absturz vom Samstag sind nur noch zwei Maschinen übrig.
Gerade wegen ihres fortgeschrittenen Alters müssten die Ju-52-Maschinen strengen Sicherheitsstandards genügen. Die letzte Kontrolle habe im Juli stattgefunden, die letzte Jahresüberholung sei im vergangenen Winter über die Bühne gegangen. «Uns waren keine technischen Probleme bekannt», sagte Waldmeier. Der Hinflug von Dübendorf ZH nach Locarno TI vom Freitag sei ebenfalls problemlos und ohne Vorkommnisse durchgeführt worden.
Die Entscheidung, ob, wie und wann der Flugbetrieb mit den Oldtimer-Flugzeugen wieder aufgenommen werden könne, hänge von den Ergebnissen der Untersuchungen ab, hiess es.
Es ist der erste Absturz einer «Tante Ju»-Maschine, seit der Verein die Flugzeuge 1983 übernommen hat. «Auch ältere Flugzeuge können, wenn sie gut gewartet werden, sicher betrieben werden», sagte Sust-Leiter Knecht am Sonntag vor den Medien. Die Ju sei alle 35 Stunden gewartet worden, zuletzt im Juli, hiess es dazu am Sonntag vonseiten der Ju-Air.
Dies bestätigte gestern auch der Aviatik-Experte und ehemalige Pilot Max Ungricht gegenüber watson: «Das Flugzeug gilt als sicheres und zuverlässiges Modell.»
Weil das Oldtimerflugzeug über keine absturzresistenten Aufzeichnungsgeräte verfüge und über dem Absturzgebiet wenige Radaraufzeichnungen gemacht würden, seien die Untersuchungen komplex. «Wir werden einige Tage vor Ort arbeiten», sagte Knecht.
Allerdings kann sich die Flugunfalluntersuchung auf die Aussagen mehrerer Augenzeugen stützen, wie Andreas Tobler von der Kantonspolizei Graubünden sagte. Inhaltlich nahm er zu den Beobachtungen, welche die Zeugen des Absturzes gemacht hatten, keine Stellung.
Obwohl die Absturzursache noch nicht klar ist, lässt die Analyse der Unfallstelle bereits einige Schlussfolgerungen zu. «Das Flugzeug ist nahezu senkrecht und mit relativ hoher Geschwindigkeit auf den Boden geprallt», sagte Knecht.
Der Grund dafür müsse noch ermittelt werden. Ausgeschlossen werden könne zum jetzigen Zeitpunkt eine Kollision mit einem Hindernis, Kabel oder einem anderen Fluggerät. «Es gab keine Fremdeinwirkung von aussen.»
Zudem sei das Flugzeug vor dem Absturz nicht auseinandergefallen und habe auch keine Teile verloren vor dem Unfall. Ansonsten sei nichts auszuschliessen, sagte Knecht. «Wir ermitteln in alle Richtungen.»
Ob der Absturz mit der momentanen Hitzewelle zusammenhängt, ist bisher noch unklar. Weder Sust-Leiter Knecht noch Ju-Air-CEO Waldmeier wollten einen Zusammenhang ausschliessen.
«Ich kenne den Flugweg und die genauen Umstände der beiden Abstürze nicht, aber bei diesen aussergewöhnlich hohen Temperaturen ist ein Zusammenhang nicht auszuschliessen. Die Flugzeuge haben bei solchen Bedingungen deutlich weniger Auftrieb, die Leistung der Motoren nimmt ab und auch der Pilot ist bei Hitze härteren Bedingungen ausgesetzt», sagte Aviatik-Experte Ungricht gestern zu watson.
«Meine Erfahrung ist, dass in der Privatfliegerei die hohen Temperaturunterschiede eher unterschätzt und vernachlässigt werden», so Ungricht weiter. Tatsächlich scheinen sich die Flugzeugabstürze während dieser Hitzeperiode zu häufen: Bereits letzte Woche ist ein Kleinflugzeug über dem Mont-Durand-Gletscher im Wallis abgestürzt. Der Pilot und drei Passagiere kamen ums Leben.
Und auch am Samstagmorgen ist bereits in Nidwalden ein Kleinflugzeug abgestürzt. Die vierköpfige Familie mit zwei Kindern ist dabei ums Leben gekommen. (leo/sda/dpa)