Die Menschheit entwickelt sich zurück, die Schweiz jedoch nicht – 7 Punkte zum UN-Bericht
Hat die Menschheit im Jahr 2019 den Zenit erreicht? Man könnte zu diesem Schluss kommen, wenn man die jüngsten Ergebnisse des UN-Berichts zur menschlichen Entwicklung betrachtet. Der Index für das Jahr 2021 hält fest, dass sich die Menschheit zurückentwickelt – zum zweiten Mal in Folge, und das deutlich. Neun von zehn Ländern verzeichnen einen Rückgang ihres Indexwertes.
Ein solch flächendeckender Rückgang wie 2021 sei noch nie vorgekommen – selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise vor rund zehn Jahren sei der Index nur in einem von zehn Ländern zurückgegangen.
Woran das liegt, was genau untersucht wurde und die Beurteilung der Schweiz – hier findest du die wichtigsten Punkte im Überblick:
Das hat es mit dem UN-Index auf sich
Verfasst wird der UN-Bericht von der Entwicklungsagentur der Vereinten Nationen, der UNDP. Seit 1990 untersuchen Forscherinnen und Forscher jährlich anhand verschiedener Kriterien und Themen, wie sich die Menschheit in sämtlichen 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen entwickelt.
Diese Punkte wurden untersucht
Grundsätzlich wird der Lebensstandard der Menschen in den einzelnen Ländern untersucht. In die Berechnung des Index fliessen unter anderem Daten zur Lebenserwartung, der Dauer der Schulbildung oder Qualität des Gesundheitssystems ein. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse spielen eine Rolle, so etwa das Durchschnittseinkommen oder die Lebenshaltungskosten der Einwohnerinnen und Einwohner eines Landes.
Diese Länder sind an der Spitze
An der Ranglistenspitze lieferte sich die Schweiz während Jahren einen Zweikampf mit Norwegen. Dieser fällt 2021 knapp zugunsten der Schweiz aus. Der Index-Wert der Schweiz beträgt mit 0.962 minimal mehr als jener des skandinavischen Landes, welches auf einen Wert von 0.961 kommt. Die Schweiz ist damit wieder auf demselben Wert wie 2019. Als eines der wenigen Länder konnte die Schweiz den Index deutlich gegenüber dem Vorjahr steigern.
Ab 2017 hat sich zudem Island zu den beiden langjährigen Spitzenreitern dazugesellt. Im aktuellen Bericht erhalten die Isländer einen Wert von 0.959. Deutschland kommt auf einen Wert von 0.942 und belegt damit Rang neun. Spannend ist die historische Entwicklung der USA: Bei der Erstauflage 1990 noch an der Ranglistenspitze zu finden, büssten die Vereinigten Staaten im Laufe der Jahre stetig ein und figurieren mittlerweile nur noch auf Rang 21.
Diese Regionen schneiden schlecht ab
Am Ranglistenende sind vorwiegend afrikanische Länder zu finden. Schlusslicht ist der Südsudan, nur minimal besser schneiden Tschad und Niger ab. Auch einige asiatische Länder weisen einen gemäss UNDP «tiefen menschlichen Entwicklungswert» auf: Jemen rangiert auf Platz 183, Afghanistan auf 180 und Pakistan auf 161.
>> Zur vollständigen Rangliste geht es hier.
Darum macht die Menschheit derzeit Rückschritte
Die Worte, die unter anderem UNDP-Chef Achim Steiner im Bericht wählt, sind vernichtend, beinahe fatalistisch. Die Welt taumle von einer Krise zur nächsten und sei gefangen in einem Kreislauf der «Brandbekämpfung». Die Menschheit sei unfähig, die Wurzeln der Probleme zu bekämpfen.
Steiner führt die Covid-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und das dadurch verursachte Leid sowie die unter anderem dadurch deutlich steigenden Lebenskosten an. Auch die zahlreichen, teils gewalttätigen Konflikte in Afrika und Asien behindern die dortige menschliche Entwicklung. Eine Realität seien zudem auch Klima- und Umweltkatastrophen: Diese bedrohen die Welt täglich, erklärt Steiner.
Trotz Rang 1: Auch in der Schweiz gibt es Befürchtungen, dass der Lebensstandard sinken könnte:
Das ist das Ziel des UN-Berichts
Der Bericht soll der Welt aufzeigen, dass es höchste Zeit ist, den gegenwärtigen Problemen entgegenzutreten. Die Autorinnen und Autoren formulieren auch Lösungsansätze: Einer davon sind Investitionen – in erneuerbare Energien beispielsweise, aber auch in Versicherungen und in die Vorbereitung auf Pandemien.
Zudem bleibt die Suche nach Innovationen laut den Verfassern wichtig. Fortschritt sei beispielsweise dank neuer Computertechnologien, der Wissenschaft oder neuer Getreidesorten möglich.
Auch dem weltweit wachsenden Pessimismus – sechs von sieben Menschen auf dem Planeten fühlen sich laut Bericht «unsicher» – müsse entgegengetreten werden. «Wir müssen den Menschen die Mittel an die Hand geben, die sie benötigen, um sich sicherer zu fühlen und ein Gefühl der Kontrolle über ihr Leben zu erlangen», sagt Pedro Conceição vom UNDP, der Hauptautor des Berichts.
So sieht das Fazit der Autorinnen und Autoren aus
Trotz der formulierten Lösungsansätze halten die Autorinnen und Autoren des Berichts nicht viele hoffnungsvolle Worte bereit. Laut UNDP-Chef Achim Steiner ist es «verführerisch einfach, Krisen als einmalige Ereignisse abzutun». Das «Spiel »sei aber nicht zu gewinnen, wenn die Menschen nicht endlich einsähen und akzeptieren, dass sich die Welt im Moment grundlegend verändert. Dafür sei es höchste Zeit. (con/sda/dpa)