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7 grosse Fragen des Lebens

Grosse Fragen (Symbolbild)
Bild: Shutterstock

7 grosse Fragen des Lebens

07.09.2022, 10:54
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Daniel Huber
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Nicht die grossen Dinge des Lebens seien es, die einen Menschen ins Irrenhaus bringen, soll der amerikanische Schriftsteller Charles Bukowski sinngemäss gesagt haben. Es seien vielmehr die Schnürsenkel, die schon wieder aufgegangen sind. Daran mag etwas sein – doch wir setzen uns hier leichtfüssig über diesen Einwand hinweg und stellen uns diesen grossen Dingen, den Ehrfurcht gebietenden Fragen, die uns Menschen zum Teil schon sehr lange umtreiben.

Wir tun dies allerdings nicht allzu tiefschürfend – wer hier eine philosophische Abhandlung erwartet, wird enttäuscht. Vor allem aber tun wir es ohne Aussicht auf eine klare, eindeutige Antwort. Gäbe es eine solche, müsste die zugehörige Frage sofort ihren Status als grosse, gewissermassen ewige aufgeben. Dies bittere Schicksal widerfuhr der – den mittelalterlichen Scholastikern zugeschriebenen – Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz hätten. Seit Robert Gernhardt wissen wir: Es sind drei. Und damit ist diese einst grosse Frage vom Tisch.

Keineswegs vom Tisch sind die folgenden sieben Fragen. Los geht's!

Was war vor dem Urknall?

«Au début c'était le début», singen The Limiñanas, «Am Anfang war der Anfang». So fangen wir genau dort an, nämlich beim Urknall. Gemäss dem kosmologischen Standardmodell ist der «Big Bang» jener Moment, in dem Raum, Zeit und Materie zugleich entstanden. Seither dehnt sich das Universum immer weiter aus – eine Tatsache, die von den Astronomen Georges Lemaître und Edwin Hubble vor fast hundert Jahren nachgewiesen wurde. Damit verlor das Modell eines statischen Weltalls endgültig seine Glaubwürdigkeit.

Kehrt man die Ausdehnung des Weltalls um und rechnet zurück, so ergibt sich ein Moment vor rund 13,8 Milliarden Jahren, an dem das gesamte All in einem einzigen Punkt – kleiner als ein Atomkern – zusammengeballt war. An diesem Punkt werden die Materie- und Energiedichte unendlich – wir haben es mit einer sogenannten Singularität zu tun, in der die uns bekannten Naturgesetze nicht gültig sind und es weder Zeit noch Raum gibt.

Gleich geht es weiter mit den grossen Fragen des Lebens, aber vorab eine kurze Werbeunterbrechung:

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Und nun zurück zur Story...

Entwicklungsstadien des Universums (nur zur Illustration, nicht maßstäblich)
https://de.wikipedia.org/wiki/Expansion_des_Universums#/media/Datei:Expansion_des_Universums.png
Schematische und nicht massstabsgetreue Darstellung der Expansion des Universums seit dem Urknall. Bild: Wikimedia

Physikalisch beschreibbar wird das junge Universum erst nach unvorstellbar kurzen 10-43 Sekunden nach dem Urknall – das ist die Planck-Zeit, das kürzestmögliche Zeitintervall, für das die bekannten Gesetze der Physik noch gelten. Die Anfangssingularität selber ist nicht beschreibbar. Und da sowohl Zeit wie Raum – genauer gesagt, die Raumzeit – erst mit dem Urknall entstanden sind, hat die Frage, was vor dem Urknall gewesen ist, streng genommen gar keinen Sinn.

«Zu fragen, was vor dem Beginn des Universums war, ist so sinnlos wie die Frage: Was ist nördlich vom Nordpol?»
Stephen Hawking

Dies hindert uns Wesen, die nun mal in der Raumzeit leben und nicht aus ihr herauskönnen, natürlich nicht daran, die Frage trotzdem zu stellen. Und da es keine Möglichkeit gibt, die Antworten zu überprüfen, schiesst die Spekulation ins Kraut. Vielleicht war vor dem Urknall nichts. Das beleidigt allerdings unseren Sinn für Logik, denn aus dem Nichts kann nicht einfach etwas entstehen. Oder doch? Deutsche Astronomen haben die These vorgebracht, dass vor dem Big Bang ein unendlich grosser Raum existierte, in dem es keine Materie, aber Quantenfelder aus reiner Energie gab. Die Gravitation, der auch diese Felder unterworfen sind, liess dieses All schrumpfen, bis es seine minimale Ausdehnung erreichte und sich dann in einer Art Rückprall wieder ausdehnte – als expandierendes Universum, das uns bekannt ist.

Künstlerische Darstellung des Urknalls.
Dies ist eine künstlerische Darstellung des Urknalls. Das Phänomen hätte freilich nicht von aussen betrachtet werden können, da Raum und Zeit erst mit ihm begannen. Bild: Shutterstock

Vielleicht gab es aber vor dem Urknall ein anderes Universum, mit womöglich anderen Naturgesetzen – ein instabiles Weltall, das in sich zusammengestürzt ist. Und wenn wir uns mit dieser Vorstellung eines Alls, das aus der Katastrophe eines Vorgängerkosmos hervorgegangen ist, anfreunden können, dann erscheint der folgende Gedanke womöglich ganz plausibel: Vielleicht oszilliert ja das Universum zyklisch in einem ewigen Puls – indem es expandiert und danach zu einer Singularität schrumpft, um darauf von Neuem zu expandieren. Das hängt allerdings davon ab, wie es mit unserem All weitergeht; ob es sich in alle Ewigkeit weiter ausdehnt oder sich irgendwann wieder zusammenzieht – aber das ist eine andere Frage:

Gibt es Gott?

Gibt es Gott? Jedenfalls gibt es eine Vielzahl von Gottesvorstellungen – von einem Blitze schleudernden Himmelsgott über den einen Gott in monotheistischen Religionen bis hin zu einer abstrakten höheren Macht. Diese Vorstellungen sind menschengemacht, wie schon der griechische Philosoph Xenophanes erkannt hat, der sagte: «Wenn die Pferde Götter hätten, sähen sie wie Pferde aus.» Aus Sicht der Wissenschaft lässt sich die Frage nach der Existenz Gottes nicht beantworten, da sie ausserhalb ihres Geltungsbereiches liegt. Agnostiker, zu denen sich der Verfasser dieses Texts zählt, halten diese Frage daher prinzipiell für unbeantwortbar.

«Nicht nur Gott, auch der Glaube an sich ist unbeweisbar.»
Friedrich Dürrenmatt

Gleichwohl haben zahllose Theologen versucht, die Existenz Gottes zu beweisen, wobei sich diese Beweise meist auf einen Schöpfergott wie in den abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) beziehen. Bekannt ist etwa der kausale Gottesbeweis, wonach alles, was ist, eine Ursache hat und nichts aus sich selbst heraus entsteht. Es muss also eine erste Ursache geben, eine prima causa, die selber unverursacht ist und mit Gott identifiziert wird. In seiner «Kritik der reinen Vernunft» hat Immanuel Kant jedoch gezeigt, dass diese klassischen Gottesbeweise nicht zwingend sind. Auch die Gotteserfahrungen, die manche Gläubigen gern als Beweis für die Existenz eines persönlichen Gottes anführen, vermögen dies nicht zu leisten, da sie notgedrungen subjektiver Natur sind.

Gustave Doré; Gott sprach: Es werde Licht
Der Gott der abrahamitischen Religionen ist ein Schöpfergott. «Gott sprach: ‹Es werde Licht!›» (Bibel-Illustration von Gustave Doré).Bild: gemeinfrei

Obwohl Religion und Wissenschaft von unterschiedlichen Prämissen ausgehen, stehen sie oft in Konkurrenz zueinander – im Laufe der Zeit haben etwa wissenschaftliche Erklärungen zahlreiche Phänomene plausibel erklärt, die zuvor religiös verstanden wurden. So gesehen könnte man Gott als die Chiffre bezeichnen, die man dem Unerklärlichen gibt – si comprehendis non est Deus («Wenn du es verstehst, ist es nicht Gott») sagte Augustinus. Wo immer eine Erklärung plausibel wird, muss Gott weichen. Doch letztlich bleibt das Unerklärliche bestehen – und damit der Rückzugsort Gottes.

Warum gibt es Leid?

Ob Gott existiert, ist umstritten. Diese Frage stellt sich beim Leid nicht – es gibt genug davon auf der Welt; von Menschen verursachtes (malum morale) oder solches natürlichen Ursprungs (malum physicum). Leid ist eine Grunderfahrung des Menschen und überhaupt allen empfindungsfähigen Lebens; es bleibt niemandem erspart. Pessimistische Philosophen wie etwa Arthur Schopenhauer sehen im Leid sogar die eigentliche Natur der Welt; daher wäre es besser, es existierte gar kein Leben.

Die Verhinderung von Leid oder gar dessen Überwindung ist das Ziel verschiedener Philosophien und Religionen: Der negative Utilitarismus zum Beispiel hält Handlungen für moralisch richtig, die weniger Leid verursachen als alternative Handlungsoptionen. Im Buddhismus spielt das Leid eine wichtige Rolle; es ist unvermeidlicher Teil des Kreislaufs von Werden und Vergehen (Samsara). Seine Ursache liegt im Begehren; erst dessen völlige Auslöschung soll zum Nirwana führen.

Besonders in den abrahamitischen Religionen, die einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Schöpfergott kennen, stellt das Leid ein theologisches Problem dar, das mit dem Begriff «Theodizee» («Rechtfertigung Gottes») umschrieben wird. Bereits in der vorchristlichen Antike wurde das Problem, vermutlich von einem skeptischen Philosophen, formuliert:

Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?

Im Tanach, der Hebräischen Bibel, wird das Problem der Theodizee im Buch Hiob angesprochen: Gott lässt Hiobs Leiden zu und belohnt am Schluss seine Treue. Das Leid dient hier als Instrument einer Prüfung. Dieser Versuch, das Theodizee-Problem zu lösen, findet sich auch im Christentum und im Islam, hier tritt Satan ebenfalls als Versucher und Ankläger auf. Damit verknüpft ist die Vorstellung eines freien Willens; das Leid ist quasi der Preis, den der Mensch für seine Freiheit zahlen muss. Könnte der Mensch nicht böse handeln und damit Leid schaffen, wäre er nicht frei.

Satan schüttet die Plagen über Hiob aus (Aquarell von William Blake)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ijob#/media/Datei:Blake_Book_of_Job_Linell_set_6.jpg
Satan schüttet die Plagen über Hiob aus (Aquarell von William Blake).Bild: Wikimedia

Letztlich lässt sich das Theodizee-Problem jedoch auch durch solche Überlegungen nicht vollends aus der Welt schaffen, denn alle Lösungsvorschläge schränken entweder Gottes Allmacht oder seine Güte ein. Die Frage bleibt offen, wie es auch Heinrich Heine in seinem Gedicht «Zum Lazarus 1» beschreibt:

Lass die heil'gen Parabolen,
Lass die frommen Hypothesen —
Suche die verdammten Fragen
Ohne Umschweif uns zu lösen.

Warum schleppt sich blutend, elend,
Unter Kreuzlast der Gerechte,
Während glücklich als ein Sieger
Trabt auf hohem Ross der Schlechte?

Woran liegt die Schuld? Ist etwa
Unser Herr nicht ganz allmächtig?
Oder treibt er selbst den Unfug?
Ach, das wäre niederträchtig.

Also fragen wir beständig,
Bis man uns mit einer Handvoll
Erde endlich stopft die Mäuler —
Aber ist das eine Antwort?

Gibt es einen freien Willen?

Unablässig treffen wir Entscheidungen, banale und mit weitreichenden Konsequenzen behaftete. Wir tun dies kraft unseres freien Willens – oder zumindest glauben wir das. Tatsächlich ist das Konzept eines freien Willens, also der Fähigkeit, zwischen verschiedenen Wahlmöglichkeiten eine bewusste Entscheidung zu treffen, eine unabdingbare Voraussetzung für wesentliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens: Etwa in der Politik, wo die Idee der Demokratie ohne Willensfreiheit undenkbar ist, oder im Strafrecht, in dem Schuld nur dank der Annahme eines freien Willens möglich ist. Ohne freien Willen gibt es keine Verantwortung, keine Moral.

Doch diese Freiheit des Willens ist womöglich nur eine Illusion. So sind sämtliche natürlichen Prozesse durch Naturgesetze bestimmt; in der klassischen Physik etwa sind die Bahnen der Himmelskörper durch die Newtonschen Gesetze bestimmt. Nach dem Kausalitätsprinzip von Ursache und Wirkung laufen auch chemische und biologische Prozesse ab. Verabsolutiert mündet das Kausalitätsprinzip im Determinismus, nach dem alle Ereignisse Folge einer Ursache und von dieser eindeutig bestimmt sind.

Dominosteine
Fallende Dominosteine sind eine hübsche Illustration des Kausalitätsprinzips. Bild: Shutterstock

Der Determinismus – und in seinem Gefolge der Materialismus – gewann im 18. Jahrhundert stark an Bedeutung und erreichte seinen Zenit im 19. Jahrhundert. Julien Offray de La Mettrie weitete ihn in seinem Werk «L'Homme-Machine» (1748) auch auf den Menschen aus, der «einem absoluten Determinismus» unterliege. Selbst wenn aber die Willensbildung vollständig determiniert ist, sind die Ursachen einer Entscheidung für den Entscheider nur zum Teil erkennbar. Wie Schopenhauer es ausdrückte:

«Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.»

Im 20. Jahrhundert zertrümmerte Einsteins Relativitätstheorie indes die Vorstellung von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit. Noch mehr setzte die Quantenphysik dem Determinismus zu – im Bereich der Quanten kann ein Teilchen an zwei verschiedenen Orten zugleich sein und es gibt Situationen, in denen die Beziehung von Ursache und Wirkung zwischen Ereignissen nicht mehr eindeutig definiert ist. Die Übertragung solcher Situationen auf die makroskopische Welt führt freilich zu Paradoxien (wie das Gedankenexperiment von Schrödingers Katze zeigt, die gleichzeitig lebendig und tot ist, bis die Situation beobachtet wird und sich einer der beiden Zustände manifestiert).

Schroedingers Katze: Gleichzeitig tot und lebendig?
Gleichzeitig lebendig und tot: Schrödingers Katze.Bild: Shutterstock

Ein anderer Wissenschaftszweig hat in letzter Zeit die Vorstellung eines freien Willens zunehmend in Frage gestellt: die Hirnforschung. Jedes willentliche Handeln beruht auf der Aktivität des Gehirns. Zahllose Prozesse im Hirn laufen ohnehin unbewusst ab, doch mittlerweile zeigt sich stets mehr, dass selbst Entscheidungen, die wir als bewusst getroffen wahrnehmen, womöglich gar nicht bewusst gefällt wurden. Experimente konnten nachweisen, dass Entscheidungen bereits sieben Sekunden, bevor das Bewusstsein sie zur Kenntnis nimmt, angebahnt werden – die vermeintliche Freiheit, so scheint es, ist lediglich eine Illusion.

Was ist «Ich»?

«Ich bin das, was ich scheine, und scheine das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärlich Räthsel, bin ich entzweit mit meinem Ich!»

Nicht nur dem Dichter E. T. A. Hoffmann ist sein eigenes Ich ein Rätsel; wohl jeder Mensch, der dem Stadium der kindlichen Naivität entwachsen ist, dürfte schon sein eigenes Ich erforscht haben – ohne es wirklich zu ergründen. Was ist es, dieses Ich, diese mysteriöse innere Instanz, diese Steuerzentrale unserer Person? Sicher ist, dass es eine Funktion unseres Gehirns ist, auch wenn der gesamte Körper Teil unserer Identität ist. Ein Mensch kann Gliedmassen verlieren; fremde Organe, etwa ein Herz, transplantiert bekommen – er wird nach wie vor ein Ich haben, sei es auch ein durch die Folgen dieser Eingriffe verändertes. Ohnehin kann die Repräsentation des eigenen Körpers im Gehirn eigenartige Formen annehmen: So können Menschen, denen Gliedmassen amputiert wurden, sogenannte Phantomschmerzen empfinden.

Das Ich ist nicht von Anfang an da. Kinder scheinen ein Ich-Bewusstsein erst ab einem Alter von etwa anderthalb Jahren zu entwickeln; ab zwei Jahren erkennen sie sich selbst in einem Spiegel – wie übrigens auch einige Tiere wie grosse Menschenaffen, Delfine, Asiatische Elefanten oder Elstern. Und auch Erwachsene mit einem entwickelten Ich verfügen nicht immer im selben Ausmass darüber. Es hängt von zwei Voraussetzungen ab: Bewusstsein und Wachheit. In der Narkose oder im Koma sind beide abwesend. Im Schlaf hingegen sind Menschen nicht wach, haben aber – je nach Schlafphase – ein mehr oder weniger ausgeprägtes Bewusstsein. Im Traum kann das Ich auch völlig andere Merkmale annehmen – wir erleben uns dann als andere Personen. Das Gehirn kann diesen geträumten Figuren problemlos das Gefühl eines «Ich» überstülpen.

«Ich denke, also bin ich.»
René Descartes

Obwohl es zweifelsohne das Gehirn ist, das unser Ich produziert, lässt sich kein bestimmter physiologischer Ort in unserem Denkorgan damit verknüpfen. Es scheint vielmehr so, dass es ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Instanzen ist, aus dem das Ich entsteht. Es gibt zwar bestimmte Areale im Hirn – darunter etwa die Inselrinde, der mittlere präfrontale Cortex und der Thalamus –, die anscheinend stärker in diesem Netzwerk eingebunden sind, doch wirklich lokalisieren lässt sich das Ich nach wie vor nicht.

Person in einem Kopf
Unser Ich ist womöglich nicht ganz so autonom, wie es meint.Bild: Shutterstock

In aller Regel empfinden wir das Ich als dominant, das heisst, wir meinen, dass es die oberste Instanz ist, die alles steuert – es scheint uns gewissermassen, dass unser Ich ein Gehirn hat, das es benutzt. Dies könnte eine Illusion sein, wie der Philosoph Thomas Metzinger glaubt. Das Hirn entwerfe vielmehr laufend Selbstmodelle, die ein stabiles Ich nur vorgaukeln. In Wahrheit könnte es also eher so sein, dass unser Gehirn ein Ich erzeugt, damit dieses eine bestimmte Funktion erfüllt. Der Grund dafür, spekulieren manche Hirnforscher, könnte darin liegen, dass die Funktion, die dieses Ich erfüllt, einen evolutionären Vorteil bietet. Nicht einmal stabil sei das Ich, glaubt wiederum der Philosoph Daniel Dennett. Es verfolge und forme als Protagonist und Erzähler zugleich die jeweilige Lebensgeschichte und erschaffe damit als «Zentrum der narrativen Gravitation» seine eigene Erzählung.

Was kommt nach dem Tod?

Wir nähern uns allmählich dem Ende und damit der letzten aller Fragen: Was kommt nach dem Tod? Die Angst vor einem endgültigen Tod dürfte – neben der damit verbundenen Frage nach dem Sinn des Lebens – eine wesentliche Triebfeder dafür sein, dass der Glaube an ein Leben nach dem Tod aufkam. Er ist vermutlich der Entstehung von Religionen vorausgegangen; bereits die Neandertaler bestatteten offenbar ihre Toten, was zwar kein Beweis dafür ist, dass sie an ein Leben nach dem Tod glaubten – aber immerhin ein Indiz.

Die Religionen geben höchst unterschiedliche Antworten auf die Frage, was nach dem Tod geschieht. Oft gehen sie von einem Körper-Seele-Dualismus aus, bei dem der Körper stirbt, aber die Seele in irgendeiner Form weiterlebt. Beim weltweit verbreiteten Ahnenkult leben die Vorfahren etwa als Geister weiter. Verbreitet ist auch die Vorstellung der Reinkarnation, also der Wiedergeburt der Seele in einem neuen menschlichen Körper, allenfalls auch in einem Tier oder in einem Gott. Die Vorstellung der Wiedergeburt, deren Form vom Karma abhängt, ist essenzieller Bestandteil des Hinduismus und des Buddhismus. Im Buddhismus wird allerdings nicht eine Seele wiedergeboren, sondern eine Art individuelles Geist-Kontinuum.

Reinkarnation, Wiedergeburt (Symbolbild)
Im Hinduismus und Buddhismus beeinflusst das Karma die Form der Reinkarnation. Bild: Shutterstock

Besonders in den abrahamitischen Religionen erlebt die Seele eine Auferstehung; wobei wenigstens im Christentum nicht völlig klar ist, wann diese erfolgt: Kurz nach dem Tod oder erst beim Jüngsten Gericht, wo dann je nach Urteil ein ewiges Leben im Himmel oder in der Hölle beginnt. Vornehmlich christliche und muslimische Theologen haben sich die Mühe gemacht – man könnte auch sagen: sich die Freude gegönnt –, die Hölle in drastischen Bildern zu beschreiben. Moderne Theologen verneinen oft die Existenz einer Hölle oder beschreiben sie abstrakt als das leidvolle Verharren in Gottesferne.

«Denn niemand weiss, was der Tod ist, ob er nicht für den Menschen das grösste ist unter allen Gütern. Sie fürchten ihn aber, als wüssten sie gewiss, dass er das grösste Übel ist.»
Platon

Beweise für ein Leben nach dem Tod gibt es nicht – es ist noch keiner zurückgekehrt, wie der Volksmund sagt. Freilich gibt es Zeugnisse von Menschen, die sehr weit an die Schwelle des Todes herankamen, sogar kurz klinisch tot waren, und dann ins Leben zurückkehrten – sogenannte Nahtoderfahrungen. Überlebende eines solchen lebensbedrohlichen Zustands, etwa eines Herzstillstands, berichten oft von ähnlichen Erlebnissen: Sie sahen ein helles Licht oder einen Tunnel mit hellem Licht am Ende; sie begegneten bereits verstorbenen Bekannten oder übernatürlichen Gestalten; vor ihrem inneren Auge lief ein Lebensrückblick ab oder sie kamen an eine Grenze, die sie nicht überschreiten durften, wenn sie nicht endgültig sterben sollten. Auch die Empfindung, über dem eigenen Körper zu schweben und ihn von aussen zu sehen, kommt in den Berichten vor.

Nahtoderfahrung (Symbolbild)
Ein Klassiker unter den Nahtoderfahrungen: Tunnel mit einem Licht am Ende. Bild: Shutterstock

Allerdings gibt es auch in den Gehirnen klinisch toter Menschen noch eine Weile neuronale Aktivitäten, bevor die Zellen endgültig sterben. Wenn das Gehirn nach einem Herzstillstand nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, wird es nach rund 15 Sekunden bewusstlos, doch ein Zustand verminderter Bewusstheit kann noch andauern. Überdies gibt es nicht selten Fälle, bei denen Menschen beispielsweise das Tunnelphänomen oder ausserkörperliche Erfahrungen auch im Alltag erleben. Gerade letztere treten bekanntermassen in den Bergen in grosser Höhe bei akutem Sauerstoffmangel auf, und sie lassen sich auch künstlich durch die Stimulierung bestimmter Hirnregionen erzeugen. Was mit uns geschieht, wenn wir endgültig sterben, ist nach wie vor reine Spekulation.

Welchen Sinn hat all das?

Gottseidank gibt es zumindest auf diese Frage endlich eine einfache Antwort:

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Dies ist das Ergebnis, das ein potenter Supercomputer einer ausserirdischen Zivilisation im Roman «The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy» («Per Anhalter durch die Galaxis») des britischen Schriftstellers Douglas Adams nach 7,5 Millionen Jahren Rechenzeit ausspuckt. Den konsternierten Empfängern der kryptischen Antwort, deren Vorfahren dem Computer die «ultimative Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest» gestellt hatten, erklärt der Rechner dann, die Frage sei zwar umschrieben, aber niemals als konkrete Frage formuliert worden.

Antworten auf die Sinnfrage gibt es zuhauf, formuliert von Religionen und philosophischen Denkschulen; sie begegnen uns in feierlichen Sonntagsreden oder als Weisheit auf dem Zuckerbeutel – ich will sie dem sicherlich schon längst ermüdeten Leser hier nicht zumuten. Allerdings fällt es uns schwer, die Frage nach dem Sinn ohne Antwort im Raum stehenzulassen. Es drohen Flucht in den Zynismus, Verzweiflung oder gar Depression. So scheint es von Vorteil, sich für eine der Antworten aus dem umfangreichen Angebot zu entscheiden. Doch kann man Sinn überhaupt auf solch pragmatische Weise finden?

Zuckerbeutel mit Sinnspruch
Sinn gibt es überall, man muss ihn nur finden. Etwa auf Zuckersäckchen.Bild: watson

Wie dem auch sei, hier zum Schluss ein Vorschlag aus der Küche der britischen Komikertruppe Monty Python, nämlich das Resümee am Ende des Films «The Meaning of Life» («Der Sinn des Lebens»):

«Seien Sie nett zu Ihren Nachbarn, vermeiden Sie fettes Essen, lesen Sie ein paar gute Bücher, machen Sie Spaziergänge und versuchen Sie, in Frieden und Harmonie mit Menschen jeden Glaubens und jeder Nation zu leben.»
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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Yupidu
07.09.2022 11:52registriert März 2020
Danke Dani für diesen tollen Artikel!🤗🤗👍 der von weit weg beste Journalist des Watson Teams. Bitte mehr davon🤗🤗🤗👍❤
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Kapitän Haddock
07.09.2022 11:53registriert Oktober 2017
Ich wusste, dass "42" kommt. Man of culture 😄
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Overton Window
07.09.2022 11:29registriert August 2022
Da habe ich es einfach. Meine (täglich wiederkehrende) drei grosse Fragen des Lebens sind:

1. Was esse ich heute Morgen?
2. Was esse ich heute Mittag?
3. Was esse ich heute Abend?
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