Die Schweizer Bevölkerung hat gemäss einer Umfrage eine positivere Sicht auf die bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union (EU) als noch im Vorjahr. Eine Mehrheit von 59 Prozent sah zuletzt hauptsächlich Vorteile im bilateralen Weg.
Dies geht aus der jährlich durchgeführten Umfrage des Forschungsinstituts Gfs Bern hervor, deren Resultate am Sonntag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zur Verfügung gestellt wurden und über die auch die «NZZ am Sonntag» berichtete.
Der Anteil der Personen, die ein positives Bild der bilateralen Verträge haben, stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozentpunkte. Die russische Invasion in der Ukraine habe die Beliebtheit der EU bei den Schweizern erhöht, teilte die Auftraggeberin der Studie, Interpharma, am Sonntag mit.
Weiter sahen zudem rund ein Viertel (23 Prozent) der Befragten sowohl Vor- als auch Nachteile der Bilateralen. Zwölf Prozent der Befragten sahen eher oder nur Nachteile.
Wichtigstes Differenzierungsmerkmal in der Beurteilung der Bilateralen war die Parteisympathie. Fast drei Viertel aller befragten SP-Anhänger sahen hauptsächlich Vorteile der Verträge mit der EU. Im Vergleich zur selben Umfrage von 2022 entsprach dies einem Anstieg von 19 Prozentpunkten, wie es in der Umfrage hiess.
Ebenfalls positiv entwickelte sich im Vergleich zum Vorjahr die Einschätzung der Mitte-Anhängerschaft sowie die der FDP-Anhänger. Weniger Verschiebungen gab es bei den Anhängern von GLP und Grünen, bei den SVP-Sympathisanten sowie den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern ohne klare Parteisympathie.
Ähnlich starke Unterschiede fanden sich gemäss Gfs Bern entlang der Bildungsniveaus. Drei Viertel der Personen mit tertiären Bildungsabschlüssen bewerteten die bilateralen Verträge als vorteilhaft. Bereits im mittleren Bildungssegment lag dieser Anteil unter einem Wert von 50 Prozent.
Auch bestanden Unterschiede zwischen den Sprachregionen. In der Deutschschweiz sahen in der aktuellen Umfrage 62 Prozent der Befragten die Bilateralen als vorteilhaft an, was einem Anstieg um zehn Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr entsprach und einen neuen Höchstwert darstellte.
In der französischsprachigen und der italienischsprachigen Schweiz sank derweil der Anteil derer, welche die Bilateralen hauptsächlich als vorteilhaft bewerteten. In der Romandie waren es 2023 noch etwas mehr als die Hälfte der Befragten, in der italienischsprachigen Schweiz 40 Prozent.
Die bilateralen Verträge sollen gemäss der Mehrheit der Befragten, die sich offen für Kompromisse mit der EU zeigten, nicht gefährdet werden. Diese Personen erwarten von der Schweizer Landesregierung einen konkreten Vorschlag, wie die Verträge mit der EU weiterentwickelt werden können, wie das Gfs Bern mitteilte.
Wie in den vergangenen Jahren wurden der Zugang zum Exportmarkt, die Notwendigkeit von Fachkräften aus dem Ausland, der Zugang zu Bildungsprogrammen sowie die Möglichkeit, überall in der EU wohnen, studieren und arbeiten zu können, auch 2023 als Vorteil gesehen. Die Zustimmung zu Contra-Argumenten rund um die bilateralen Verträge wie Druck auf die einheimischen Löhne sowie auf die Miet- und Immobilienpreise durch die Zuwanderungen nahm gleichzeitig ebenfalls zu.
Die Ergebnisse der Befragung aus der Projektreihe «Standort Schweiz – Europafragen» basieren auf einer Befragung von 2015 Stimmberechtigten der Schweiz, wie das Gfs Bern mitteilte. Die Befragung wurde von Anfang Februar bis Anfang März 2023 durchgeführt. (cst/sda)