Mitten in den Diskussionen über das Rahmenabkommen mit der EU entscheidet der Nationalrat am (heutigen) Montag über die Kohäsionsmilliarde, einen Beitrag der Schweiz an die EU. Zu erwarten ist eine Grundsatzdebatte.
Das Rahmenabkommen liegt nach jahrelangen Verhandlungen zwar vor, doch hat der Bundesrat seine Haltung noch nicht festgelegt. Parteien und Verbände von rechts bis links äussern grosse Vorbehalte. Zu Nachverhandlungen zeigte sich die EU bisher nicht bereit.
In dieser Situation muss der Nationalrat nun entscheiden, ob die Schweiz erneut einen finanziellen Beitrag dazu leistet, die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen alten und neuen EU-Ländern zu reduzieren.
Neben den Staaten im Osten der EU sollen auch jene EU-Länder Geld erhalten, die besonders von Migration betroffen sind. Der Bundesrat beantragt dem Parlament Rahmenkredite im Umfang von insgesamt 1.3 Milliarden Franken.
Im Nationalrat stellt sich die Rechte dagegen. Sie beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten oder diese an den Bundesrat zurückzuweisen. Da der Bundesrat keine klare Haltung zum Rahmenabkommen beschlossen habe, stelle sich die Frage, ob er die Zahlungen überhaupt noch leisten wolle, argumentieren die SVP-Vertreter.
Der Ständerat hatte in der Wintersession die Kohäsionsmilliarde genehmigt, die Zahlungen aber an eine Bedingung geknüpft: Wenn und solange die EU diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz ergreift, soll kein Geld fliessen.
Der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates genügt diese allgemeine Formulierung nicht. Sie beantragt, zwei Punkte ausdrücklich im Beschluss zu verankern: Geld soll nur fliessen, wenn die EU die Gleichwertigkeit der Schweizer Börsenregulierung anerkennt und wenn die Vollassoziierung der Schweiz ans europäische Forschungsprogramm «Horizon» gewährleistet ist.
Eine rechte Kommissionsminderheit will als zusätzliche Bedingung hinzufügen, dass die EU die bilateralen Verträge weiterhin aufdatiert - insbesondere das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen. Eine linke Minderheit beantragt dem Rat, sämtliche Bedingungen zu streichen.
Die Staatspolitische Kommission fordert ihrerseits eine andere Verteilung der Gelder: Der Betrag für die Ost-Staaten soll gekürzt werden, jener für die von Migration betroffenen Staaten erhöht. Es liege im Interesse der Schweiz, wenn das Migrationsmanagement in besonders betroffenen Staaten verbessert werde, sagen die Befürworterinnen und Befürworter dieser Änderung.
Die Kohäsionsmilliarde setzt sich zusammen aus einem Rahmenkredit Kohäsion, einem Rahmenkredit Migration sowie dem Eigenaufwand der Bundesverwaltung. Nach dem Willen der Staatspolitischen Kommission soll der Rahmenkredit Migration um 190 Millionen auf 380 Millionen Franken aufgestockt werden. Im Gegenzug soll der Rahmenkredit Kohäsion um 190 Millionen Franken auf 857 Millionen Franken gekürzt werden.
Aus Sicht des Bundesrates hat die Schweiz ein Interesse daran, zur Stärkung der Kohäsion innerhalb Europas beizutragen. Sie sei auf ein sicheres, stabiles und prosperierendes Europa angewiesen, schrieb er in seiner Botschaft ans Parlament.
Die Kohäsionsmilliarde soll über zehn Jahre ausbezahlt werden. Im Osten der EU sollen unter anderem Berufsbildungsprojekte finanziert werden. Mit den Mitteln des Migrationskredits sollen Staaten in ihren Anstrengungen unterstützt werden, die Asylstrukturen zu stärken und ein effizienteres Asyl- und Rückkehrverfahren aufzubauen.
Den gesetzlichen Grundlagen hatte das Parlament schon früher zugestimmt. Anders als bei der ersten Kohäsionsmilliarde wurde dagegen kein Referendum ergriffen. Eine Volksabstimmung wird es also nicht geben. (sda)