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Du willst nur das Beste? Voilà:
Welche richterlichen Voraussetzungen sind heute nötig, um IMSI-Catcher
einzusetzen?
Thomas Hansjakob: Es kommt darauf an, worum es geht: Will man mit dem IMSI-Catcher lediglich
herausfinden, welche Handynummer eine bestimmte Person verwendet, dann ist eine
Bewilligung dazu nicht erforderlich. Das gleiche gilt, wenn eine vermisste Person
gesucht werden soll.
Und ansonsten?
Will man dagegen den genauen Standort einer Person über längere Zeit bestimmen
oder will man sogar die geführten Gespräche abhören, dann braucht es dazu die
Anordnung der Staatsanwaltschaft und die Genehmigung eines Richters. In diesen Fällen funktioniert die Genehmigung für die Überwachung mittels IMSI-Catcher
genau gleich wie bei der telefonischen Überwachung. Ein Zwangsmassnahmegericht
muss dem Einsatz unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen zustimmen.
Werden diese Bewilligungen eingeholt?
Normalerweise wird der IMSI-Catcher im Strafverfahren nur eingesetzt, um die
Handynummer eines Verdächtigen zu ermitteln, damit diese Nummer dann überwacht
werden kann. Erst diese Überwachung wird dann vom Staatsanwalt angeordnet, und
eine Genehmigung wird dann immer eingeholt.
Welches sind die häufigsten Einsatzgebiete von IMSI-Catchern? Einerseits geht es um Rettungs- und Suchaktionen in Vermisstenfällen, losgelöst vom Strafverfahren. Dafür ist die Polizei allein zuständig. Anderseits geht es um Fälle im Bereich der Schwerstkriminalität: Also Delikte gegen Leib und Leben, Betäubungsmitteldelikte und schwere Vermögensdelikte.
Die Kantonspolizei Bern betont, dass der Einsatz von IMSI-Catchern auch im
Rahmen sicherheitspolizeilicher Massnahmen bei konkreten einzelnen
Mobilgeräten erfolgen kann. Heisst das, dass die Überwachungsgeräte auch bei
Demonstrationen eingesetzt werden könnten?
Gemeint sind damit wohl eher polizeiliche Suchaktionen. Dass IMSICatcher bei Demonstrationen zur Identifikation von Personen eingesetzt
werden, kann ich mir schlecht vorstellen, nur schon aus technischen Gründen. Bei
grösseren Menschenansammlungen kann eine einzelne Person kaum geortet werden. Eine Gesprächsüberwachung dagegen müsste sich immer gegen konkrete einzelne
Personen richten, und dazu wäre eine vorherige richterliche Genehmigung
erforderlich, was bei Demonstrationen nicht möglich ist.
Was sagen Sie zu den Vorwürfen, dass die Strafverfolgungsbehörden IMSI-Catcher zur flächendeckenden Rasterfahndung verwenden würden?
Das ist einfach nicht die Realität. Wir fischen nicht im Trüben, in der Hoffnung auf
einen guten Fang. Wir überwachen dann, wenn ein konkreter Tatverdacht besteht.
Welche Kosten fallen bei einer Überwachung an?
Wenn wir tatsächlich Gespräche abhören, dann kostet das pro Anschluss knapp 2500
Franken. Hinzu kommt die Tatsache, dass die meisten Personen die wir abhören, fremdsprachig sind. Da müssen wir dann Übersetzer hinzuziehen. Die kosten
natürlich auch. Sie sehen: Wir können es uns nicht leisten, einfach so auf gut Glück
mal ein bisschen zu überwachen, und wir würden dafür auch keine Bewilligung
kriegen.
Was passiert mit den Daten, die erhoben, aber nicht gebraucht werden?
Werden in ganz seltenen Fällen mit richterlicher Bewilligung Gespräche überwacht, dann sind die gesetzlichen Grundlagen die gleichen wie bei der Telefonüberwachung:
Daten, die nicht gebraucht werden, werden nicht protokolliert, und die Zielperson
muss im Nachhinein informiert werden, auch wenn keine verwertbaren Ergebnisse
vorliegen.
Werden Personen, die von IMSI-Catchern überwacht werden, im Nachhinein
über die Überwachung informiert?
Selbstverständlich. Die nachträgliche Benachrichtigung ist eine gesetzliche Pflicht.
Wie ist das Rechtsgut der Privatsphäre unbeteiligter Passanten zu gewichten
gegenüber dem Interesse der Polizei, einen Drogendealer zu identifizieren, der
Handy und SIM-Karte sowieso gleich wieder wechselt?
Wie gesagt: Die Gesprächsüberwachung einer bestimmten Person ist nur mit
richterlicher Bewilligung möglich, und nur, wenn ein Tatverdacht gegen diese Person vorliegt. Unbeteiligte Dritte können nicht betroffen sein.
Und wenn nur die Telefonnummer ermittelt werden soll?
In diesem Fall interessieren Dritte gerade
nicht: Man hat ja die Zielperson im Auge und ermittelt ihre Nummer erst dann, wenn
sie gerade telefoniert.
Also werden unbeteiligte Dritte nie betroffen sein?
Es mag einzelne Fälle geben, wo man mit diesem Verfahren eine falsche Nummer
ermittelt. Das stellt sich rasch heraus, und die Daten werden vernichtet. Sie müssen
sich das vorstellen wie bei einer Hausdurchsuchung: Es gibt Fälle, bei denen die
Polizei irrtümlich an der falschen Tür klingelt. Für die Betroffenen ergeben sich
daraus aber keine weiteren Konsequenzen, denn seine Wohnung wird dann natürlich
nicht durchsucht.
Werden diese Personen, deren Handys fälschlich von einem IMSICatcher
erfasst wurden, im Nachhinein darüber informiert?
Nein. Ihre Daten werden ja auch nicht weiter bearbeitet.
Bleiben wir beim Beispiel des Drogenhändlers. Fällt der Kiffer von nebenan, der
in seinem Kollegenkreis ab und zu Gras vertickt, in den Anwendungsbereich des
IMSI-Catcher?
IMSI-Catcher kommen im Drogenhandel dann zur Anwendung, wenn man die
Handynummer ermitteln will, um sie dann zu überwachen. Das setzt den Verdacht
auf einen qualifizierten Fall voraus. Wir reden dann zum Beispiel von einem
Drogenhändler, der mutmasslich mehr als 100 Gramm Kokain verkauft.
Welche Daten werden abgesehen von der Telefonnummer erfasst?
Normalerweise wird mit dem IMSI-Catcher nur ermittelt, welche Telefonnummer die
Zielperson verwendet. Es werden keine Daten aufgezeichnet. Ausnahmsweise kann
mit dem IMSI-Catcher das Gespräch selbst überwacht werden, aber eben nur nach
Anordnung der Staatsanwaltschaft und mit richterlicher Bewilligung. Dann kann das
Gespräch aufgezeichnet werden, man hat aber nur in Ausnahmefällen auch die
Telefonnummer des Gesprächspartners.
Was heisst das?
Man kann dann im Nachhinein noch eine rückwirkende Randdatenerhebung des
überwachten Handys einholen und kriegt damit auch die Nummern der
Gesprächspartner.
Was ist mit Zufallsfunden? Wenn beispielsweise die Ermittler während der
Überwachung gegen einen Drogenhändler einem anderen, schwerwiegenden
Delikt auf die Spur kommt? Dürfen diese Daten verwendet werden?
Ja, aber erst, wenn ein Zwangsmassnahmegericht im Nachhinein die Verwertung des
Zufallsfundes gutgeheissen hat; das ist nur möglich, wenn für diesen Zufallsfund
ebenfalls eine Überwachung möglich gewesen wäre; es muss sich also um eine
schwere Straftat handeln. Dann dürfen die Daten genutzt werden.
Ist die Technik, auf die IMSI-Catcher basieren, nicht eh schon veraltet, da
Kriminelle über verschlüsselte Dienste wie WhatsApp, Threema, Skype und
iMessage kommunizieren, die nicht abgehört werden können?
Die Technik der IMSI-Catcher ist genau gleich sinnvoll und sinnlos, wie die normale
Telefonüberwachung. Und da der Grossteil der elektronischen Kommunikation auf
dem Handy noch immer telefonisch stattfindet, gibt es gute Gründe dafür, IMSI Catcher einzusetzen.
Sie bestreiten also, dass es den Trend in Richtung verschlüsselte
Kommunikationsdienste gibt?
Nein, ganz und gar nicht. Aber in der Praxis spielt die herkömmliche telefonische
Überwachung nach wie vor eine zentrale Rolle. Und für die verschlüsselten Dienste
kommt ja die sogenannte «GovWare» in Betracht.
Also Staatstrojaner...
Genau.
In den Medien ist von 750'000, respektive 700'000 Franken Kosten für IMSI-Catcher
die Rede.
Ich bin kein Experte, aber solche Kosten kann ich mir nicht vorstellen. Der IMSI-Catcher ist technisch ein relativ einfaches Gerät.
Der Bundesrat hat nach Bekanntwerden der NSAMassenüberwachung aus
Gründen der Staatssicherheit verordnet, dass kritische IT-Infrastruktur nur
noch von Schweizer Firmen stammen soll. Kann er sagen, ob die Geräte aus der
Schweiz kommen?
Der IMSI-Catcher soll mit der Revision des Überwachungsgesetzes Büpf in der Strafprozessordnung
ausdrücklich geregelt werden. Es gibt Überlegungen, dass sicherzustellen ist, dass
GovWare und IMSICatcher nur das können, was sie dürfen, und dass die
Beschaffung deshalb zentral erfolgen soll. Dass es Schweizer Produkte sein müssen, halte ich für zweitrangig.
Unter welchem Paragraphen des Büpf werden derzeit
IMSI-Catcher angewendet?
Heute bildet Art. 280 der Strafprozessordnung (StPO) über den Einsatz von
technischen Überwachungsgeräten das gesetzliche Gerüst für den Einsatz von IMSI-Catchern. Das wird sich mit der Revision des Büpf ändern: IMSI-Catcher sollen in
einem eigenen Artikel der StPO ausdrücklich geregelt werden.
Stichwort Büpf: Wie beurteilen Sie die Tendenz der Strafverfolger, IMSI-Catcher sowie Trojaner einzusetzen, obwohl die Gesetzesgrundlage mit dem
neuen Büpf noch nicht besteht?
Nur weil IMSI-Catcher nicht explizit in der Strafprozessordnung genannt werden, heisst es nicht, dass keine gesetzliche Grundlage dafür besteht. Aus meiner Sicht
genügt Art. 280 StPO über den Einsatz technischer Überwachungsgeräte sehr wohl. Der Gesetzgeber hatte schlicht noch nicht an IMSI-Catcher gedacht, als die konkreten
Artikel formuliert wurden. Ich halte es aber für sehr sinnvoll, wenn nun auch diese
Technologie im Gesetz ausdrücklich geregelt wird.
Zur Zulässigkeit von IMSI-Catchern nach geltendem Recht gibt es aber
unterschiedliche Meinungen ...
Wer ist denn da anderer Meinung?
Die Digitale Gesellschaft, die Piratenpartei, die Grünen ... Entschuldigung, aber das sind keine Fachleute für Strafprozessrecht. Für mich sind diejenigen massgeblich, die in Fachzeitschriften publizieren, und da gibt es niemanden, der eine andere Meinung hat.
Erfüllt das Büpf denn das Gebot des europäischen Menschenrechtsgerichtshof,
wonach jedes Gesetz präzise bestimmen muss, wer überwacht werden darf, wie
lange die Daten gespeichert werden sollen und wie sich der Betroffene gegen die
Überwachung wehren kann?
Ja, natürlich. Wir haben im Gegensatz zur deutschen Praxis, die Anlass für den Entscheid war, explizite und strenge gesetzliche Regelungen für Überwachungen bei der
Strafverfolgung und auch für die Erhebung von Vorratsdaten. Heikel sind in diesem
Zusammenhang nicht Strafverfahren, die einen konkreten Tatverdacht voraussetzen, sondern eher nachrichtendienstliche Überwachungen, bei denen ein konkreter
Verdacht nicht notwendig ist.
Wo steht die Schweiz hinsichtlich der Anwendung von
Überwachungsmassnahmen von Strafverfolgungsbehörden im europäischen
Vergleich?
Ein internationaler Vergleich ist in solchen Sachen immer schwierig. Schaut man sich
die Zahlen der Schweiz und des europäischen Auslands an, so könnte man vermuten, dass die Schweiz mehr überwacht als andere Staaten. Allerdings werden bei uns die
Zahlen auch anders erhoben: Wir zählen nicht die Personen, die überwacht werden,
sondern jede einzelne Massnahme. Da kommt natürlich eine höhere Zahl zustande.
Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarats, spricht sorgenvoll
von einer Tendenz der Verschiebung von der Überwachung Einzelner hin zur
Überwachung der Allgemeinheit. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu?
Nein, es ist nicht so, dass wir in einen Überwachungsstaat laufen. Wie gesagt, die
Überwachungsmassnahmen basieren alle auf expliziten gesetzlichen Grundlagen. Ausserdem sind wir grundsätzlich zurückhaltend bei der Anwendung von
Überwachungsmassnahmen. Und wenn wir auf Überwachungsmassnahmen
zurückgreifen, dann gibt uns das Resultat meistens Recht.
Können Sie Zahlen nennen?
In meiner praktischen Tätigkeit sind 99 Prozent aller Überwachungen erfolgreich. Bei
einem Prozent stellen wir fest, dass wir die falsche Nummer erwischt haben. Dann
stellen wir die Überwachung sofort ein. Die Ergebnisse werden vernichtet und die
Betroffenen benachrichtigt.