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Der Reflex ist jedesmal derselbe. Gibt es einen Anschlag, schlägt in Europa die Stunde der Scharfmacher. Dann werden mehr Befugnisse für Strafverfolgungsbehörden gefordert: Wer will schon Gegenmassnahmen infrage stellen, während das Fernsehen noch Bilder von Tod und Zerstörung zeigt? Die Schweiz bildet da keine Ausnahme – und die Befürworter einer «besseren» Überwachung finden sich in allen Lagern.
Nach dem Angriff auf «Charlie Hebdo» macht sich SP-Politikerin Chantal Galladé im «Tages-Anzeiger» für Big Brother stark und droht: «Die Frage ist nicht, ob es eine Attacke geben wird, sondern wann.» Auf die Anschläge von Paris reagiert die «NZZ am Sonntag» mit der Formel: «Es wird mehr Überwachung geben müssen, mehr Datenerfassung, mehr Staatstrojaner, mehr Verdächtigenlisten, mehr polizeiliche Kontrollen.» Und «trotz Terrorgefahr» soll «Überwachung nicht ausgebaut werden», ärgern sich CVP-Mann Isidor Baumann und SRF nach den Bomben von Brüssel.
Dabei haben ja gerade die jüngsten Anschläge offenbart, wie es um den Informationsfluss der Behörden bestellt ist: Nicht nur die Türkei alarmierte Brüssel wegen der Attentäter Ibrahim und Khalid El Bakraoui, auch das FBI und niederländische Ermittler haben die Kollegen gewarnt. Passiert ist bekanntlich nichts – Belgien dementiert gar, je unterrichtet worden zu sein.
Ein Einzelfall? Mitnichten! Der Blogger und Autor Sascha Lobo hat im «Spiegel» jene Terror-Anschläge unter die Lupe genommen, bei denen Islamisten in den vergangenen zwei Jahren in Europa getötet haben. Es handelt sich um:
17 Täter waren unmittelbar an diesen Attacken beteiligt, wobei zwei bis dato nicht identifiziert sind, rechnet Lobo vor, bevor er seine «bittere Überraschung» präsentiert: «Alle 15 identifizierten Attentäter waren behördlich bekannt. Und zwar einschlägig im islamistischen Kontext. Alle 15. Jeder verdammte einzelne.» Jeder stand in mindestens einem Land in Europa und den USA auf mindestens einer Liste, alle wurden als gewaltaffin eingestuft und bei 14 Tätern war den Behörden bekannt, dass sie andere Islamisten trafen.
Natürlich müsse man Verdächtige überwachen, schlussfolgert der «Spiegel»-Autor. «Aber das angewendete Generalrezept ist: mehr flächendeckende, anlasslose Überwachung der gesamten Bevölkerung, weniger Bürgerrechte für alle. Die EU bekämpft mit einem Rettungsring einen Brand, es funktioniert nicht, also bestellt sie neue Rettungsringe. Und Schwimmwesten.» Klassische Ermittlungsarbeit sei dagegen wirksam, aber offenbar zu teuer, analysiert Lobo. «Nie war Untertauchen leichter, dank strukturellen Staatsversagens.»
Bleibt die Frage: Wenn Überwachung im grossen Stil und das massenhafte Sammeln von Informationen im Kampf gegen den Terror wirkungslos sind, was will der Staat dann mit meinen Daten? Oft bekommt man dann das Argument zu hören: «Wer nichts getan hat, muss auch nichts befürchten.»
Aber das ist eine Umkehrung der Beweisschuld. Soll ich mich plötzlich damit zufrieden geben, von meinem Staat bespitzelt zu werden, weil es mich vermeintlich nicht betrifft? Und wer sagt mir eigentlich, dass mit meinen Informationen kein Schindluder getrieben wird? Jene Dienste, die nicht in der Lage sind, mit ihren Nachbarn zusammenzuarbeiten? Jene parlamentarischen Kontrollgremien, die ihre Informationen alleine von den Sicherheitsbehörden beziehen? Europa, das nicht in der Lage ist, sich der Spionage des CIA zu erwehren?
Wenn wir der terroristischen Gefahr Herr werden wollen, müssen wir wohl noch einige Register ziehen. Aber die Fichen kann Vater Staat gerne stecken lassen. Das ist hierzulande schonmal furchtbar schief gelaufen.