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Die Kantonspolizei Bern will einen IMSI-Catcher für 750'000 Franken kaufen. Dies berichtete am Montag das Technologie-Portal Inside-it. Ein IMSI-Catcher gibt sich als Mobilfunkantenne aus und schiebt sich im Handynetz (unbemerkt) zwischen die Mobiltelefone und das eigentliche Mobilfunknetz. Smartphone-Nutzer, die sich in der Nähe eines IMSI-Catchers der Polizei befinden, könnten so identifiziert und überwacht werden.
Üblicherweise werden solche Spionage-Werkzeuge in totalitären Staaten von Regierungen genutzt, die Demonstranten überwachen wollen.
«Der von der Kapo beschaffte IMSI-Catcher ermöglicht einen flächendeckenden Eingriff in die mobile Telekommunikation und kann für Rasterfahndungen genutzt werden», kritisiert die Piratenpartei den Kauf des mobilen Überwachungsgeräts. Jedes erreichbare Handy werde so zum Spion der Polizei.
Die Piraten stören sich insbesondere daran, dass beim Einsatz von IMSI-Catchern die überwachten Personen aus technischen und administrativen Gründen nicht nachträglich informiert würden. «Solche Überwachungsmethoden sollten in unserer freien Schweiz nie eingesetzt werden», schreiben die Piraten.
Das Problem: Für den IMSI-Catcher gibt es keine gesetzliche Grundlage. «Denn der Handy-Datenstaubsauger, wie der IMSI-Catcher auch schon genannt wurde, hat eigentlich dem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) zu unterstehen», wie Inside-it schreibt.
Das heutige Überwachungsgesetz regelt den Einsatz des IMSI-Catchers nicht. Die Kantonspolizei Bern befindet sich somit in einer rechtlichen Grauzone und damit in guter Gesellschaft: Die Kantonspolizei Zürich und die Bundeskriminalpolizei haben in den letzten Jahren das gleiche Modell gekauft. Die freihändige Vergabe erfolgte gestützt auf das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen des Kantons Bern. Dass der Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung erfolgte, begründet die Kapo Bern denn auch damit, dass aufgrund spezieller Anforderungen nur ein Anbieter in Frage gekommen sei. Dass man den Kauf nicht an die grosse Glocke hängen will, dürfte ein weiterer triftiger Grund sein. Zudem wollte man offenbar das gleiche Modell wie die Zürcher Kapo und die Bundeskriminalpolizei, um mit den beiden Organisationen kooperieren zu können.
Mit der Revision des Überwachungsgesetzes Büpf soll die Polizei mehr Kompetenzen erhalten, um die Internet- und Handynutzung von Verdächtigen überwachen zu können. Nebst dem IMSI-Catcher soll unter anderem auch das Eindringen in Computer und Handys mit staatlichen Trojanern erlaubt werden. Der Ständerat wird vermutlich erst 2016 über die Büpf-Revision abstimmen. Ein Ja zu mehr Überwachung ist höchst wahrscheinlich. Das Parlament hat dem Ausbau der Überwachung bereits zugestimmt. Dagegen wurde von linken Parteien, den Piraten und Vertretern der Technologie-Branche das Referendum angekündigt.
Warum also beschafft die Kapo Bern einen IMSI-Catcher, bevor das hierfür notwendige Gesetz verabschiedet ist? «Wir haben im Rahmen von Strafverfahren im Auftrag der Staatsanwaltschaft solche Geräte auch schon eingesetzt, bevor die Anschaffung eines eigenen Gerätes diskutiert wurde», teilt die Kapo Bern mit. Dies sei gezielt bei Ermittlungen im Bereich der Schwerstkriminalität und bei Such- und Rettungsaktionen von Menschen erfolgt. Und weiter: «Ermittlungen im Bereich der Telekommunikation werden ausschliesslich im Auftrag der zuständigen Staatsanwaltschaft gemacht, so wie es die Strafprozessordnung vorsieht.»
Laut Martin Steiger, Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft und Anwalt für Recht im digitalen Raum, nutzt die Kapo Bern die ungeklärte rechtliche Situation, um mit der Anschaffung des IMSI-Catchers Fakten zu schaffen, schreibt Inside-it. Ebenfalls eine deutliche Meinung zum IMSI-Catcher-Kauf hat Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer des Schweizer ICT-Wirtschaftsverbandes.
Auch Kanton Bern foutiert sich um den Rechtsstaat und postet noch rasch IMSI-Catcher @stopbuepf #NDG http://t.co/HNAvT7dQ5a @inside_it
— Jean-Marc Hensch (@sosicles) October 19, 2015
Kapo Bern, Kapo Zürich und die Bundeskriminalpolizei mauern, wenn Journalisten konkrete Fragen stellen. Die Lieferanten werden auch auf Nachfrage von watson aus «taktischen Überlegungen» nicht genannt. Ebenfalls im Dunkeln bleibt, ob der Hersteller aus dem In- oder Ausland stammt. Zur Erinnerung: Der Bund hat nach Bekanntwerden der NSA-Massenüberwachung beschlossen, dass kritische IT-Infrastruktur nur noch von Schweizer Firmen stammen soll. Auch detaillierte Angaben zum Gerät und den Einsatzmöglichkeiten werden verweigert, da «ein klares öffentliches Interesse an der Geheimhaltung» bestehe. Da hier offenbar Steuergelder fliessen, wäre Transparenz angebracht.
Für die Polizei ist der IMSI-Catcher offenbar ein heisses Eisen – und es könnte noch viel heisser werden: Falls das Volk den Ausbau der staatlichen Überwachung bei einer Volksabstimmung stoppen sollte, hätte die Kapo Bern vermutlich 750'000 Franken Steuergelder für den IMSI-Catcher in den Sand gesetzt.
Damit wären die Berner in guter Gesellschaft: Erst im Juli dieses Jahres wurde bekannt, dass die Kapo Zürich knapp 500'000 Euro für eine Überwachungs-Software der umstrittenen italienischen Firma Hacking Team bezahlt hatte. Hacking Team wurde im Juli selbst gehackt, worauf bekannt wurde, dass der gekaufte Staatstrojaner gefährliche Hintertüren (gewollte Sicherheitslücken) besass.
Da der enttarnte Staatstrojaner nutzlos wurde, zog ihn die Kapo aus dem Verkehr. Die Erfahrungen der Zürcher Kollegen scheinen die Berner nicht davon abzuhalten, den gleichen Weg zu beschreiten – gesetzliche Grauzone hin oder her.
Übrigens: Auch das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) und der Verfassungsschutz verwenden IMSI-Catcher, die Gespräche abhören können. Die deutschen Modelle sollen aber nur 200'000 bis 300'000 Euro kosten. Sie gelten daher bereits als Exportschlager.
Update: «Die Beschaffung des Gerätes wird vorbehältlich der Zustimmung des Berner Regierungsrats angeschafft», teilt die Kapo Bern mit. Sprich der 750'000-Franken-Kredit für den IMSI-Catcher muss erst noch vom Regierungsrat genehmigt werden. Das Geschäft werde der Regierung in den nächsten Wochen zur Beschlussfassung zugeleitet.