Das Verfahren gegen einen Polizei-Offizier der Kantonspolizei Aargau war sistiert. Nun wurde es wieder an die Hand genommen, weil ein anderer Mann freigesprochen worden ist. Es geht um ein Detail im Fall Rupperswil, das inzwischen öffentlich ist. Damals war es das nicht.
Rückblende: Am 21. Dezember 2015 hat Thomas N. in Rupperswil vier Menschen die Kehlen durchgeschnitten. Lange wusste die Öffentlichkeit nicht, was genau sich an diesem Vormittag im Einfamilienhaus abgespielt hatte. Wie üblich in solchen Fällen informiert die Staatsanwaltschaft zurückhaltend. Details, die nur der Täter wissen kann, sollen geheim bleiben.
Doch im Laufe der Ermittlungen erwähnten Personen plötzlich, sie hätten gehört, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten worden seien. Diese Information hätten sie von Stephan (Name geändert). Die Staatsanwaltschaft befragte Stephan. Er sagte, er habe die Information von seiner Schwiegermutter oder seiner Ehefrau, er wisse es nicht mehr genau.
Pikant: Die Schwiegermutter ist die Lebenspartnerin des Dienstchefs Forensik der Kantonspolizei Aargau. Stephan vermutet, dass seine Schwiegermutter die Information von ihrem Partner habe.
Mit seiner Aussage belastet Stephan den Polizei-Offizier. Hat er Täterwissen ausgeplaudert? Die Staatsanwaltschaft eröffnet gegen den Polizisten ein Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung. Die Ermittler befragen aber auch die Lebenspartnerin des Polizisten. Sie wollen wissen, ob sie erzählt habe, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten worden seien.
Diese sagt, sie habe das nicht weitererzählt, da sie das gar nicht gewusst habe. Ihre Tochter, Stephans Ehefrau, sagt das Gleiche. Deshalb eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Stephan. Sie wirft ihm vor, eine falsche Zeugenaussage gemacht zu haben. Das Verfahren gegen den Polizei-Offizier wird sistiert.
Letztes Jahr kam es vor dem Bezirksgericht Lenzburg zum Prozess. Stephan führte damals aus, er sei sich zu 100 Prozent sicher, dass er die Information von seiner Schwiegermutter oder seiner Frau gehabt habe. Eine andere Quelle als den Polizei-Offizier könne er ausschliessen.
Stephans Sohn, der als Zeuge vor Gericht aussagte, belastete den Offizier sogar zusätzlich. Dieser habe ihm auf einem Spaziergang geraten, bei der Einvernahme möglichst vage zu bleiben. Stephans Sohn sagte vor Gericht, er habe erst später begriffen, dass es dem Polizisten nur darum gegangen sei, seine eigene Haut zu retten.
Gerichtspräsident Daniel Aeschbach sprach Stephan schliesslich nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» frei. Seine Aussagen seien glaubhaft. Inzwischen ist der Freispruch rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat das erstinstanzliche Urteil nicht weitergezogen.
Der Freispruch von Stephan hat Auswirkungen auf die Ermittlungen gegen den Polizei-Offizier. Das sistierte Verfahren gegen ihn sei wieder an die Hand genommen worden, sagt Fiona Strebel, Mediensprecherin der Aargauer Staatsanwaltschaft. Es gelte die Unschuldsvermutung. Der betreffende Polizist arbeite weiterhin bei der Kantonspolizei, sagt Samuel Helbling, Mediensprecher des Departements Volkswirtschaft und Inneres. Welche Auswirkungen ein allfälliger Schuldspruch auf das Arbeitsverhältnis hätte, kann Helbling noch nicht sagen. «Zuerst muss das Urteil abgewartet werden.»
Doch nicht nur das Verfahren gegen den Polizisten hat einen Zusammenhang mit Stephans Freispruch. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft auch Stephans Ehefrau und die Partnerin des Polizeioffiziers im Visier. Sie wirft den beiden das vor, was sie auch Stephan vorgeworfen hatte: falsches Zeugnis.
Auch für die zwei Frauen gilt die Unschuldsvermutung, solange das Gericht nicht geklärt hat, ob sie die Wahrheit gesagt haben. Ob sie wirklich nicht wussten, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten worden waren.