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Zürcher Gericht spricht Haushälterin von Ex-CS-Chef frei

Die Credit Suisse reorganisiert ihren Heimmarkt: CEO Tidjane Thiam an einer Pressekonferenz im Februar 2019 in Zürich.
Tidjane Thiam ist der ehemalige CEO der Credit Suisse.Bild: KEYSTONE

Zürcher Gericht spricht Haushälterin von Ex-CS-Chef frei

Das Zürcher Obergericht hat die frühere Haushälterin von Ex-CS-Chef Tidjane Thiam am Mittwoch freigesprochen. Die 43-Jährige hatte in einem Lohnstreit 587'000 Franken von ihm gefordert.
09.07.2025, 08:0209.07.2025, 17:35
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Der Sachverhalt sei unbestritten, sagte der Richter bei der Urteilseröffnung am Mittwoch. Die Beschuldigte habe eine E-Mail mit dem vorgeschlagenen Geldbetrag verschickt. Es habe sich nun aber die Frage gestellt, ob Thiam «ernsthafte Nachteile» hätten entstehen können. Das Gericht sah den Vorwurf der versuchten Nötigung nicht als erwiesen an.

Die Erwähnung von Gewerkschaften und dem Olympischen Komitee war dem Gericht nicht überzeugend genug. Sie habe bloss geschrieben, dass darüber gesprochen wurde, aber «ein konkreter Bezug zur geforderten Summe wird im Schreiben nicht hergestellt». Alles andere wäre eine «freie Interpretation», sagte der Richter.

«Anklage fällt in sich zusammen»

Es habe an einer Androhung gefehlt, sagte der Richter weiter, «schon da fällt die Anklage in sich zusammen». Die Beschuldigte habe glaubhaft versichern können, dass sie im Arbeitsstreit eine friedliche Lösung suchen wollte und diese zwischen den Parteien erfolgen sollte.

Die 43-Jährige erhält eine Genugtuung von 2000 Franken. Die Kosten des Verfahrens inklusive derjenigen des Verteidigers werden Thiam auferlegt, wie der Richter am Mittwochabend bekanntgab. Das Urteil kann noch an das Bundesgericht weitergezogen werden.

Beschuldigte reagiert emotional

Das Urteil nahm die 43-jährige Rumänin sichtlich bewegt entgegen. In ihrem Schlusswort betonte sie unter Tränen, dass sie nur auf Thiam zugehen wollte. Sie sei immer «extrem loyal» zu ihm gewesen und habe nie die Absicht gehabt, ihm zu schaden. «Ich kann nicht glauben, was hier geschieht», sagte sie auch mit Blick auf das grosse öffentliche Interesse. Sie wurde nun schon zum zweiten Mal vom Vorwurf der versuchten Nötigung freigesprochen.

Die Beschuldigte hatte der Assistentin von Thiam eine E-Mail mit der Forderung nach 587'000 Franken geschickt. Sollte sie das Geld nicht erhalten, würde sie das Internationale Olympische Komitee und Gewerkschaften über schlechte Arbeitsbedingungen bei Thiam informieren, stand im Mail. Das seien Hintergrundinformationen für die Assistentin gewesen, sie habe Thiam nicht schaden wollen, sagte die 43-Jährige.

«Höfliche Schweigegeldforderung»

Der Anwalt von Tidjane Thiam warf der Haushälterin vor, ihrem Chef gedroht zu haben. Sie habe Schulden gehabt und darum auf eine rasche Zahlung gepocht.

Dass die E-Mail an Thiams Assistentin in nettem Ton verfasst wurde, sei unerheblich, sagte der Anwalt am Mittwoch am Zürcher Obergericht. «Diese E-Mail ist eine Schweigegeldforderung in höflicher Verpackung». Die Drohung mit dem IOK und den Gewerkschaften seien ein Ultimatum gewesen.

«Rachekündigung» durch Thiam

Der Verteidiger der Beschuldigten forderte einen Freispruch. Sie habe unter einer hohen Arbeitsbelastung gelitten, habe rund um die Uhr arbeiten müssen. Nach einem Streit mit der Partnerin von Thiam sei es zu einer Rachekündigung gekommen. Diese sei missbräuchlich gewesen, sagte der Verteidiger.

Thiam sei unter anderem wegen nicht gewährter Ferien und nicht bezahlter Überstunden zu einer Zahlung von rund 200'000 Franken verurteilt worden. Das Urteil sei zwar rechtskräftig, Thiam habe aber noch nicht gezahlt, sagte der Verteidiger. Die Anzeige gegen seine Mandantin bezeichnete der Verteidiger als Reaktion auf den damals laufenden Zivilprozess.

Kein «kriminelles Genie»

Seine Mandantin sei vom Kläger als «kriminelles Genie» bezeichnet worden. Sie habe jedoch immer hart gearbeitet und sei nie negativ aufgefallen. Die Forderung von 587'000 Franken sei ein Angebot gewesen, die Assistentin hätte als Mediatorin dienen sollen. Die E-Mail hätte gar nicht an Thiam gehen sollen, sagte der Verteidiger.

Die Anklage hatte ursprünglich eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten und eine Busse über 1200 Franken wegen versuchter Nötigung gefordert. Die Staatsanwaltschaft nahm nicht am Berufungsprozess teil. (nib/hkl/sda)

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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käptn neemo
09.07.2025 08:21registriert Dezember 2024
Lol, zuerst die CS ausgepresst und die Haushälterin auch. Da zeigt sich ein roter Faden...
Und sorry, auch als Haushälter(in) will ich ordentlich entschädigt sein, wenn ich Sonntag um 5Uhr morgens ausrücken muss... Schichtzulagen, Sonntagszulagen und adequate Overtime-compensation...
Sofern denn die Sonntagsarbeit auch gesetzlich vertretbar mit zwingend erforderlichen Ruhezeiten und Sonntagsarbeitsverbot wäre.
Naja. Kommt doch plötzlich viel zusammen um so ein Freispruch auch zu plausibilisieren... Hoffe er verliert vor Gericht erneut.
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The Guitar Player
09.07.2025 09:54registriert Oktober 2023
Je reicher, desto geiziger. Und solche Menschen werden auch noch für wichtige Ämter gewählt. Unglaublich!
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