Schweiz
Justiz

Verteidiger fordern Freisprüche für Maudet und Mitangeklagte

Verteidiger fordern Freisprüche für Maudet und Mitangeklagte

13.10.2021, 22:25
Mehr «Schweiz»

Am Mittwoch, dem dritten Tag des Berufungsprozesses gegen Pierre Maudet und seine drei Mitangeklagten, haben die Anwälte auf Freispruch plädiert. Und auch die Verteidiger des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden eröffneten das Feuer.

«Dieser Fall ist stark von Moralismus gefärbt. Wir sollten nicht die Lüge beurteilen, sondern die Fakten», sagte Jean-Marc Carnicé, Anwalt von Maudets früherem Stabschef Patrick Baud-Lavigne, in seinem Plädoyer am Mittwoch. Sein Mandant sei «aufrichtig, ein wahrer Diener des Staates, der von der Staatsanwaltschaft ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde, um Pierre Maudet anzugreifen». «Als Opfer eines wahren Medien-Tsunamis hat er bereits viel bezahlen müssen», sagte sein Anwalt.

Pierre Maudet, ancien conseiller d'Etat genevois, arrive au palais de justice pour la deuxieme journee de son proces devant la Chambre penale d'appel et de revision de Geneve, ce mardi 12 oc ...
Pierre Maudet vor dem Gericht in Genf.Bild: keystone

An der Luxusreise nach Abu Dhabi im Jahr 2015 habe Baud-Lavigne auf Vorschlag von Maudet teilgenommen. Sein Mandant sei bereit gewesen, für eine reine Vergnügungsreise zu zahlen, für deren Kosten schliesslich die emiratische Königsfamilie aufgekommen sei wie für alle Gäste des Formel-1-Grand-Prix, fuhr der Anwalt fort. «Er hat diesen Vorteil nicht aufgrund seines Postens als hoher Beamter erhalten.»

Wenn er von der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit der Reise freigesprochen werden sollte, müsse der ehemalige Exekutivbeamte auch vom zweiten Vorwurf entlastet werden, so wie es das Polizeigericht in erster Instanz getan habe. Dabei ging es um die Finanzierung einer politischen Umfrage über die Anliegen der Genfer Bevölkerung, die den Interessen Maudets dienen sollte.

Ebenso versuchten die Anwälte des Maudet-Vertrauten, die Vorwürfe der Anstiftung zum Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit der Genehmigung zur Eröffnung einer Bar und der Verletzung des Amtsgeheimnisses zu entkräften.

Die Politik unterstützt

Ebenso plädierten die Anwälte des Geschäftsmannes, der sich an seinen Onkel gewandt hatte, um eine Einladung zum Grand Prix zu erhalten, auf Freispruch vom Vorwurf der Vorteilsgewährung. «Mein Mandant hat dies getan, um die Bemühungen von Pierre Maudet um Genf zu unterstützen, aber weder er noch sein Onkel hatten Einfluss auf den Einladungsprozess», sagte Marc Hassberger.

Der Anwalt erinnerte daran, dass es auf die Absicht ankomme: «Pierre Maudet zu helfen ist kein Verbrechen. Der Unternehmer hat die Umfrage finanziert, um die politische Aktion des Magistrats zu unterstützen, ebenso wie andere Spender», sagte Guillaume Vodoz. Die Berufungs- und Revisionskammer müsse daher den in diesem Punkt in erster Instanz ausgesprochenen Freispruch bestätigen.

Anwalt: Kein Vergehen

Auch das Verhalten des anderen Vertragspartners sei nicht kriminell, so David Bitton. Dieser Mann habe nicht zur Einladung von Herrn Maudet beigetragen, er wisse nichts über die Finanzierung und die Einzelheiten einer Reise, zu der er in letzter Minute hinzugekommen sei. Er sei jedoch von dem Magistraten, einem langjährigen Freund, bei der Organisation einer Geschäftsreise in die Emirate sechs Monate zuvor konsultiert worden.

«Für die zweite Reise hat er nichts getan, aber er wird strafrechtlich verfolgt», so der Anwalt. Subjektiv habe er kein Tatmotiv, da er seit Jahren eine aufrichtige Freundschaft mit dem Staatsrat pflege.

Am Ende des Nachmittags waren die Anwälte des ehemaligen Staatsrats an der Reihe. Den Anfang machte Yaël Hayat, die auf die Unschuldsvermutung für ihren Mandanten pochte, der bereits in den Medien und auf politischer Ebene verurteilt worden sei.

Polizeigericht «auf politischem Terrain»

Die Reise stelle keinen ungerechtfertigten Vorteil dar, da sie von einer offiziellen Einladung eines souveränen Staates ausgegangen sei, sagte Grégoire Mangeat. Was die luxuriösen Umstände und die Einladung der Familie angeht, müssten die Gepflogenheiten des einladenden Landes berücksichtigt werden. Das Polizeigericht habe sich auf politisches Terrain gewagt, um diese Einladung zu disqualifizieren, prangerte der Anwalt an.

Die Reise sei nicht strafbar, da sie nicht auf die Beeinflussung eines Amtsträgers abziele. Für die Vereinigten Arabischen Emirate trage der Grand Prix zum Aufbau eines Images und zur Werbung für das Land bei. Die Einladung an Staatsrat Maudet sei in der Tat aufgrund seines Status und nicht aufgrund der Aufgaben seines Amtes erfolgt.

Die Plädoyers werden am Donnerstag fortgesetzt, ein Urteil wird erst in einigen Wochen erwartet. (sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Moutier sagt Ja zum Kantonswechsel und wird jurassisch
1 / 19
Moutier sagt Ja zum Kantonswechsel und wird jurassisch
Die bernjurassische Kleinstadt Moutier will sich dem Kanton Jura anschliessen.
quelle: keystone / jean-christophe bott
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So politisch sind die jungen Deutschen in Berlin
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Das steckt hinter den merkwürdigen Tonband-Anrufen, die Tausende Schweizer erhalten
Seit Wochen rollt eine neue Welle betrügerischer «Tonband»-Anrufe im Namen angeblicher Polizeibehörden über die Schweiz: Wie die Kriminellen vorgehen, was sie wollen und wie man sich davor schützt.

Schweizerinnen und Schweizer werden seit Monaten massenhaft mit Anrufen von Fake-Polizisten belästigt. Dabei ruft nicht mehr ein Mensch an, sondern eine «Maschine». Das erlaubt den Kriminellen, ihr betrügerisches Geschäftsmodell zu intensivieren. In den letzten Wochen hat die jüngste Angriffswelle alle Rekorde gebrochen, meldet das Bundesamt für Cybersicherheit.

Zur Story