In Gebäuden verstecken sich Klimasünden, die bislang oft unbeachtet blieben. Bis heute gehen beim Bauen viele wertvolle, nicht erneuerbare Rohstoffe unwiederbringlich verloren. Der Bau und Betrieb von Gebäuden ist für rund 50 Prozent des Rohstoffbedarfs, über einen Drittel der CO2-Emissionen und 80 Prozent des Abfallaufkommens in der Schweiz verantwortlich. Wenn die Schweiz das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen will, kommt sie an der Baubranche nicht vorbei.
Diese Einsicht ist offenbar auch in der Branche angekommen. Zwölf der grössten öffentlichen und privaten Bauauftraggeber haben am Dienstag bei der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf die Charta «Kreislauforientiertes Bauen» unterzeichnet.
Das ehrgeizige Ziel: Bis 2030 soll die Hälfte der Baustoffe wiederverwertbar sein. Zudem sollen die gesamten Emissionen von der Herstellung bis zur Entsorgung der Baustoffe erfasst und stark reduziert werden. Bei Sanierungen und Neubauten soll künftig die Kreislauffähigkeit der verwendeten Materialien und Methoden konsequent gemessen und verbessert werden.
Mit im Boot sind grosse Player auf dem Immobilienmarkt – etwa die UBS Fund Management, die Post Immobilien und Swiss Prime Site. Auch der Bund sowie der Kanton und die Stadt Zürich sind dabei. Das Investitionsvolumen der unterzeichnenden Bauauftraggeber beläuft sich auf 4 Milliarden Franken pro Jahr.
Bis 2026 entwickeln alle Partnerorganisationen einen Aktionsplan, wie sie kreislaufwirtschaftliche Ansätze umsetzen wollen. Darunter sind unter anderem folgende Punkte:
In der Charta werden wohlklingende Ziele formuliert. Der Haken dabei ist: Wie die Ziele zu erreichen sind, weiss niemand so recht. Der Zürcher Baudirektor Martin Neukom sagte am Rande der Unterzeichnung zu CH Media:
Bis dahin sei es noch ein sehr weiter Weg. Neukom gibt zu, dass die Ziele sehr ambitioniert sind – das sei auch notwendig: «Der Handlungsdruck ist enorm.» Die Charta sei ein wichtiger Schritt, um Wissen und Erfahrungen zu bündeln und die Technologien voranzubringen.
Das bestätigt Peter Richner, stellvertretender Direktor der Empa. Es gebe schon Technologien, etwa für die Verwendung von Mischabbruch oder für recycelten Beton. Doch das reiche noch nicht aus. Laut Richner sind 90 Prozent der bestehenden Gebäude zum Abriss gebaut worden – die Materialien seien nicht wiederverwertbar. «Diese Sünden aus der Vergangenheit können wir nicht rückgängig machen. Aber es ist zentral, dass wir nun möglichst alle Neubauten rückbaubar gestalten.»
Und hier geht es zur ausführlichen Erklärung:
Richner betont, kreislauforientiertes Bauen sei primär eine Frage des Willens. Es sei bereits viel Wissen vorhanden – und oftmals komme es auf die richtige Planung an. Das berge auch Chancen: «Wir müssen dafür beispielsweise nicht mehr alles mit einem Zeithorizont von hundert Jahren bauen.» Man könne viel zielgerichteter bauen. Zum Beispiel bei einem Schulraum-Engpass: Hier könne ein rückbaubarer Pavillon kurzfristig Abhilfe schaffen – und nach zwanzig Jahren wieder woanders aufgebaut werden. Diese Flexibilität sieht Richner als grosses Plus.
Viele Herausforderungen stellen sich erst bei konkreten Projekten. Etwa bei der Wiederverwertung von verbauten Materialien. Darauf weist Daniel Brüllmann hin, Head of Real Estate DACH bei der UBS Fund Management: «Das Recycling scheitert oft an Qualitätsvorschriften, die eine Wiederverwertung nicht zulassen.» Auch bei Versicherungsfragen und Bauvorschriften müssten noch viele regulatorische Hürden abgebaut werden. (aargauerzeitung.ch)