Eine kleine Überraschung brachte die Bundesratswahl 2018. CVP-Nationalrätin Viola Amherd wurde gleich im ersten Wahlgang mit einem Spitzenresultat zur Nachfolgerin von Doris Leuthard gewählt. Das konnte man im Vorfeld nicht unbedingt erwarten, hat sich aber am Dienstag abgezeichnet. Ihre Kontrahentin Heidi Z’graggen konnte in den letzten Fraktionshearings nicht überzeugen.
Mit 60 Stimmen musste die Urner Regierungsrätin ein ernüchterndes Ergebnis verbuchen. Für den Nidwaldner FDP-Ständerat Hans Wicki hingegen sind seine 56 Stimmen ein Achtungserfolg. Zu gering waren seine Chancen gegen Kronfavoritin Karin Keller-Sutter. Mit ihrer Wahl sei «ein dornenvolles Kapitel» abgeschlossen worden, sagte die St. Galler Ständerätin vor der Bundesversammlung.
Damit bezog sich KKS auf die Tatsache, dass die FDP fast 30 Jahre auf eine zweite Bundesrätin warten musste. Überhaupt war es ein Freudentag für die Frauen. Erstmals hat die Schweiz gleichzeitig zwei neue Bundesrätinnen erhalten. Möglich wurde diese Konstellation, weil das Parlament keine Lust auf Machtspielchen hatte und sich an die Vorschläge von CVP und FDP hielt.
Nun nehmen zwei sehr unterschiedliche Frauen Einsitz in der Landesregierung. Viola Amherd sitzt seit 13 Jahren im Nationalrat und ist doch für viele eine unbekannte Grösse geblieben. Selbst gestandene Bundeshaus-Journalisten mussten zugeben, dass sie die Oberwalliserin kaum kennen. Sie hat lieber im Hintergrund gearbeitet, sich damit aber im Parlament einen sehr guten Ruf erworben.
Nun wurde sie in das exponierteste Amt der Schweizer Politik katapultiert. Man darf gespannt sein, wie Amherd sich in dieser Rolle zurechtfinden wird. Politisch dürfte sie weitgehend die Linie von Doris Leuthard weiterführen. Ob sie eine ähnliche Strahlkraft wie die Aargauerin entwickeln wird, scheint zweifelhaft. Allerdings konnte auch Leuthards Beliebtheit den Niedergang der CVP nicht aufhalten.
Die neue FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter ist hingegen ein anderes Kaliber. Sie war bereits als Justizdirektorin des Kantons St. Gallen eine Figur mit nationaler Ausstrahlung. Auch im Ständerat war sie alles andere als ein Mauerblümchen. Entsprechend hoch darf man in ihrem Fall die Messlatte setzen, denn kaum jemand war jemals so gut auf den Bundesratsjob vorbereitet.
Wenn es an diesem Tag einen Verlierer gab, dann ist es Gerhard Pfister. Kaum jemand in Bern zweifelt daran, dass er liebend gerne Bundesrat geworden wäre. Hätte er kandidiert, wäre er wohl auch gewählt worden. Mit der Übernahme des CVP-Präsidiums musste der Zuger diesen Traum begraben. Die 17 Stimmen, die er vorab aus der SVP erhalten hat, sind für ihn nur ein schwacher Trost.
Insgesamt aber ist die reibungsloseste Bundesratswahl seit Jahren ein eindrücklicher Beweis für die Stabilität unseres politischen Systems. Wir haben seit 1848 faktisch die gleiche Regierung. Einzig Personal und Parteizusammensetzung haben sich geändert. In diesen unruhigen Zeiten darf man diese Kontinuität auch mit Blick auf unsere Nachbarländer durchaus zu schätzen wissen.
Allerdings muss sich auch die Schweiz mit notorischem Reformstau und anderen Problemen herumschlagen. Man denke nur an das verkachelte Verhältnis zur Europäischen Union. An Herausforderungen fehlt es für die beiden Neuen im Bundesrat nicht. Und vielleicht werden bereits bei der Gesamterneuerungswahl in einem Jahr die Karten neu gemischt.