Schon kurz nach 12 Uhr rieb man sich erstaunt die Augen. Das Ja des Stimmvolks zur 13. AHV-Rente war absehbar, doch dass das Ständemehr so deutlich geschafft wurde, hatte kaum jemand erwartet. Nur acht Jahre nach dem Nein zur AHVplus-Vorlage kam es zum radikalen Wandel. Die Hemmungen gegenüber einem Sozialausbau sind weg.
Es ist definitiv ein Tabubruch, eine Sensation. Und doch ist sie erklärbar. Lange ist das Stimmvolk bereitwillig der Aufforderung von Bundesrat, Bürgerlichen, Wirtschaft (und vielen Medien) gefolgt, sich gegenüber «Wohltaten» zurückzuhalten. Sie selbst aber halten sich immer weniger an diese Vorgabe. Warum soll sie für die «kleinen Leute» gelten?
Genau dies hat zum Bruch des «Gesellschaftsvertrags» geführt, der von mancher Seite beklagt wird. Dabei gab es gute Gründe für ein Nein zur 13. AHV-Rente. Sie folgt einem fragwürdigen Giesskannen-Prinzip, und die Initianten gingen mit der Frage der Finanzierung nonchalant um. Denn schon mit ihrer Einführung 2026 wird die AHV ins Minus rutschen.
Es braucht rasch eine Lösung. Doch während solche Argumente früher noch verfingen, wirken sie hohl, weil der Bundesrat sofort Milliardensummen aus dem Ärmel schüttelt, wenn «systemrelevante» Firmen in Schieflage geraten. Auch der «Drohbrief» der früheren Bundesräte mit ihren hohen Ruhegehältern kann definitiv als Eigentor verbucht werden.
Heuchlerisch war der Verweis der Gegner auf die Ergänzungsleistungen. Wegen der seit Jahresbeginn verschärften Vermögensregeln mussten schon tausende Rentnerinnen und Rentner eine Kürzung oder Streichung ihrer EL-Bezüge verkraften. Die Arroganz der Bürgerlichen, auf einen Gegenvorschlag zu verzichten, hat sich ebenfalls «gerächt».
Für die deutliche Ja-Mehrheit war schlicht «gnueg Heu dune», um es im Ueli-Maurer-Jargon auszudrücken. Das muss der SVP zu denken geben. Ihre Basis hat nicht mitgemacht und auch dem höheren Rentenalter eine klare Absage erteilt. Den eigentlichen Ausschlag für das Ja zur 13. AHV-Rente aber gab eine andere, besonders mächtige Gruppe: die Babyboomer.
Sie sind derzeit noch «Nettozahler» in die AHV, hat das Bundesamt für Sozialversicherungen berechnet. Das wird sich schon in den nächsten Jahren ändern. Die Babyboomer sind kein «Einheitsblock», ganz im Gegenteil. Doch eines haben sie gemeinsam: Sie sind die Kinder des Nachkriegswohlstands und damit anspruchsvoller als frühere Generationen.
Gleichzeitig müssen sie feststellen, dass nach der Pensionierung ihr Einkommen aus der ersten und zweiten Säule deutlich tiefer ist als der letzte Lohn. Das liegt vor allem an den Pensionskassenrenten, die sich seit Jahren im Sinkflug befinden. Selbst wer privat vorgesorgt hat, kommt in den meisten Fällen nicht auf den früheren Lebensstandard.
Die Anspruchsmentalität der Boomer wird den Sozialstaat fordern. Schon am 9. Juni könnte es wieder so weit sein, bei der Prämienentlastungs-Initiative der SP. Sie greift bei jenem Thema an, das den Leuten besonders unter den Nägeln brennt: den stetig steigenden Krankenkassenprämien. Ein weiteres Ja ist deshalb realistisch.
Die pensionierten Babyboomer werden die Schweizer Politik auf Jahre hinaus prägen. Politik und Wirtschaft müssen darauf eine Antwort finden. In ersten Reaktionen auf das Ja zur 13. AHV-Rente zeigen sie sich als miserable Verlierer. Mit dieser Arroganz provozieren sie weitere ähnliche Ergebnisse, etwa bei der beruflichen Vorsorge.
Übrigens habe ich als ganz sicher nicht Babyboomer dafür gestimmt, wie generell viele Junge, denn eine faire Rente muss einfach sein.
Dann kostet uns das halt mehr geld, shit happens, wir geben auch Geld zur Bankenrettung und zur Senkung der Unternehmenssteuer aus...