Ich habe Frauen erlebt, die mit 26 weinend auf der Strasse zusammenbrachen, weil ihnen plötzlich klar wurde, dass ihr Partner kein Kindsvatermaterial sein würde. Oder junge Männer, die sich in Bars deutlich älteren Frauen zuwenden mit den Worten: «Mädchen in unserem Alter sind total unentspannt, die wollen alle nur Kinder.»
Oder Frauen, die mit 30 unglücklich schwanger im schönsten Sommer sassen, weil ihre Beine geschwollen waren und höllisch schmerzten und sie dicke Stützstrümpfe tragen mussten. Und werdende Mütter, die nicht mehr so jung waren und sich total verunsichert einem immer strenger werdenden Marathon von Vorsorgeuntersuchungen unterzogen, der sie täglich noch mehr zermürbte. Und 14-stündige Qualgeburten, die meine Freundinnen fast töteten. Ich kenne die Selbstvorwürfe von Müttern mit behinderten Kindern, die sich ein Leben lang fragen: Hab ich etwas falsch gemacht? Bin ich schuld?
Aber ich habe aber auch andere erlebt, Frauen, aus denen die Kinder nur so herausflutschten, und für die Muttersein die leichteste und angenehmste von vielen Beschäftigungen ist. Männer, für die das Vatersein eine wahre Berufung ist. Glück und Elend in allen Extremformen.
Ich wollte das alles nie haben. Weder die drei Ks, aus denen so ein Baby besteht – Kacke, Kotzen, Kreischen – noch den anstrengenden Alltag mit Kindern, die Sorgen, die finanziellen Engpässe, die Schuldgefühle und auch nicht das angeblich grösste Glück des Lebens, das ich mir einfach nie vorstellen konnte. Ich hatte auch nie den Wunsch, dass da nach meinem Leben irgendeine Verlängerung von mir weiterbestehen müsse. Fertig ist fertig. Und ich hatte keine Angst, dass mir ein Kind jemals mangeln würde.
Mit vier Jahren sagte ich zum ersten Mal: Ich will keine Kinder, nie. Natürlich lachten mich damals alle aus. Fünfzehn Jahre später sagte ich immer noch das Gleiche, aber ein bisschen differenzierter: Ich will einen interessanten Beruf und eine grosse Liebe, aber sicher nie, nie, nie Kinder. Da schauten mich alle leicht besorgt an. Die Nachbarn fragten, ob ich ein bisschen Geld als Babysitter verdienen möchte. Vielleicht aus therapeutischen Gründen. Ich sagte nein und ging in den Ferien lieber in die Fabrik.
Im Gymnasium stellte uns der Klassenlehrer eine sadistische Denkaufgabe: «Ihr sitzt im Auto, seid schnell, könnt nicht bremsen, in einer wahnsinnig engen Gasse kommen euch ein kleines Kind und ein älterer Nobelpreisträger entgegen. Selbst wenn ihr den Wagen in eine Mauer rammt, müsst ihr einen von beiden töten. Wen bringt ihr um?» Alle sagten: «Jöh, ich rette ganz sicher das süsse kleine Kind!» Ich sagte: «Kleines Kind my ass, vielleicht wird aus dem mal nichts, der Nobelpreisträger nützt wahrscheinlich noch was.»
Als ein Freund sagte, mit mir könne er sich Kinder vorstellen, hörte ich auf, ihn zu lieben. Als mir Verwandte zum ersten Mal meinen kleinen Cousin für ein herziges Foto in den Arm legten, liess ich ihn aus Protest fast fallen. Heute find ich ihn super. Und mindestens wöchentlich musste ich mir die Fragen anhören: «Willst du eigentlich mal Kinder? Willst du jetzt endlich mal Kinder? Findest du nicht, dass du langsam ans Kinderkriegen denken müsstest?» Nein.
Babys bestanden für mich so lange aus Ekel, bis meine besten Freunde Kinder bekamen und ich mir sagen musste: Okay, wenn du dir jetzt nicht Mühe gibst, verlierst du sie alle. Und siehe da: Ich schaffte es, eine Beziehung zu den Babys aufzubauen. Eine Art Glück zu spüren, wenn ich sie auf den Arm nahm und mir klar wurde: Nie im Leben werde ich dich fallen lassen. Ganz sicher nicht. Und wenn du in einem brennenden Haus wärst, würde ich versuchen, dich zu retten. Ohne zu zögern. Hab keine Angst, wir sind beide keine Monster.
Und plötzlich dachte ich: Himmelarsch, was, wenn jetzt die berühmte biologische Uhr zuschlägt? Es gibt ja Frauen, in die fährt irgendwann zwischen 30 und 45 wie der Blitz so ein Kinderwunsch, und dann sind sie für alle Vernunftgründe verloren. Dann wollen sie mit Macht ihr bisheriges Leben aufgeben. Ich fürchtete mich wirklich davor.
Und ich schaute mir meine grosse Liebe an, von der ich innig hoffe, dass sie es mit mir bis zuletzt aushält, bis zu jenem Moment, in dem wir idealerweise gemeinsam aus unserem erfüllten Leben gehen, und dachte: Was, wenn die biologische Uhr nicht nur bei einer von uns, sondern bei beiden zu ticken begänne wie eine Bombe in einem Bond-Film? Schliesslich sind wir zwei Frauen, da ist die Gefahr gleich doppelt so gross.
Die ewigen Fragen lauteten jetzt anders: «Also, dass du keine Kinder willst, ist ja klar. Aber deine Freundin kann ich mir wirklich gut als Mutter vorstellen. Möchte sie keine Kinder?» Und ich dachte: Leute, gebt doch endlich Ruhe! Please! Aber okay, sollte meine Freundin das wirklich wollen, würde ich das natürlich mit ihr durchziehen. Weil ich sie liebe.
Doch wie in einem Bond-Film sind wir der Gefahr entkommen, die Bombe begann in uns beiden einfach nie zu ticken, keine Sekunde lang, und an guten – also an den meisten – Tagen ist das Grundgefühl unserer Existenz wie Ferien auf einer thailändischen Insel. Wundervoll. Entspannt. Glücklich. Zu zweit.
Für viele ist es einfach schwer zu verstehen, dass es Menschen gibt, die ohne Kinder glücklich sind! Mir geht dieser gesellschaftliche Druck schon seit jeher am A.... vorbei und ich kommuniziere offen, dass ich mit Kindern sowas von nichts anfangen kann und ich auch keines mal kurz halten will! - Und nein, auch meinen eigenen Neffen nicht!!
Zum Glück habe ich meine Frau für's Leben gefunden und sie denkt gleich wie ich und wir geniessen unsere traute Zweisamkeit. Unser Freundeskreis hat dies auch so akzeptiert.
- wesshalb stillst Du nicht?
- wann kommt das Zweite?
- was, es kann noch nicht schwimmen?
- Kevin (sorry Jungs), ist eben schon weit, darum schicken wir ihn ins Frühchinesisch
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